Rothenberg, Schönbühl und das alte Bergwerk


Publiziert von ABoehlen , 9. Oktober 2019 um 20:54.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:27 September 2019
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1270 m
Abstieg: 1270 m
Strecke:Goppenstein – Ehemalige Bleimine – Wildhüterhütte – Pt. 2282 – Pt. 2260 (Schrejende Bach) – Gattustafel – Chipelwald – Kippel – Goppenstein, 16 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Goppenstein
Kartennummer:LK1268 Lötschental

Es ist erstaunlich, dass auf dieser Plattform noch nie über das ehemalige Bleibergwerk Goppenstein berichtet wurde (obwohl jemand einen Wegpunkt erfasst hat), liegt es doch inmitten eines Geländes, welches eigentlich der Traum jedes Alpinwanderers sein sollte! Höchste Zeit also, dies zu ändern.

Es gibt nur einen trockenen, sonnigen Tag in dieser mehrheitlich durchzogenen und teils nassen letzten Septemberwoche 2019. Zeitig fahre ich zuhause los und durch die Dunkelheit den Bergen entgegen. Kurz vor 08:00 Uhr bin ich bereits in Goppenstein. Auf 1216 m im schattigen Tal ist es recht kalt, aber der Himmel ist tatsächlich wolkenlos und die ersten Bergspitzen leuchten in der Sonne. Ein prächtiger Bergtag kündet sich an! Mein erstes Ziel ist das ehemalige Blei- und Zinkbergwerk im Hang des Rothenberges, dessen Überreste in einer Höhe von gut 1800 m allmählich zerfallen. Der Aufstieg beginnt gleich neben dem Felsheim, aber nur wenige kennen ihn noch. Über Metallsprossen muss eine Mauer überwunden werden, anschliessend geht es durchwegs sehr steil bergan. Dies ist also der Zugang, welcher in alten Zeiten rege benutzt wurde, zuletzt in der «Ära Dionisotti» Ende der 40er Jahre. Dieser Joseph Dionisotti muss seinen Arbeitern ein harter Herr gewesen sein; so heisst es, dass Bergarbeiter bis zu dreimal am Tag diesen Weg bis auf 1900 m hinauf absolvieren mussten, teils in strömendem Regen (Minaria Helvetica Nr. 14b, 1994, Druckseite 139). Seit der Weg nicht mehr oft begangen wird, hat er recht gelitten und ist nicht immer ausgeprägt. Ziemlich «frisches» Fallholz muss ich an einigen Stellen auch überwinden. Obwohl offiziell nicht markiert, tauchen vereinzelt weiss-blau-weisse Farbmarkierungen auf.

Etwas oberhalb von 1600 m biegt die Strecke Richtung Alti Pochi, die ich letztes Jahr erstmals zurückgelegt habe, links ab. Ich gehe nun geradeaus weiter. Es ist durchwegs eine Spur vorhanden, wenn auch teilweise ausgesetzt. Sie endet dann abrupt bei den Resten der Baracken auf rund 1790 m. Obwohl schon Pierre de Baglioni Mitte des 19. Jahrhunderts hier Bleierze abbaute, stammen die heute noch sichtbaren Reste allesamt aus der «Ära Dionisotti». Dieser war ebenfalls davon überzeugt, dass in dieser Höhe die ergiebigsten Vorkommen zu finden seien, während seine unmittelbaren Vorgänger (Tiebel, Dahl, Schurter, Eberhard) ihr Glück in einer Höhenlage von 1300 bis 1400 m versuchten, allerdings erfolglos. Viel mehr als die Grundmauern und jede Menge Holzreste sind von den Unterkunftsbaracken nicht mehr übrig. Von hier sehe ich aber zum ersten Mal die noch stehende Bergstation der Seilbahn. Mit dieser wurden die Erze in die 600 Meter weiter unten liegende Aufbereitungsanlage transportiert. Schon von hier ist es ein eindrückliches, hohes Bauwerk. Da zwischen den Baracken und der Station ein sehr steiler Graben liegt, wurde zu dessen Überquerung eine Hängebrücke gebaut. Ihre Reste liegen heute, grösstenteils zerfallen, im Abhang.

Will man also die Bergstation besichtigen, muss dieser Graben durchquert werden. Das ist ein recht heikles Unterfangen und bedarf viel Aufmerksamkeit und Vorsicht. Der in der Karte nicht eingetragene Bach führt nicht viel Wasser und lässt sich leicht traversieren, das sehr rutschige feine Geröll bedingt jedoch ein Vorangehen auf allen Vieren. Aber schliesslich erreiche ich die Station. Im «Erdgeschoss» befindet sich das grosse Umlaufrad und Reste von Drahtseilen. Die Funktion der Station erschliesst sich einem aber erst, wenn man durch das Gebäude hindurchgeht und den Abhang dahinter erklimmt. So gelange ich zur oberen Etage. Hier endet das Bahntrasse, welches in der Folge über einen Sims führt, der extra für diesen Zweck aus der Wand hinausgesprengt wurde. Jedoch finde ich keinen Zugang zu diesem Sims, der nicht halsbrecherisch gefährlich wäre, daher lasse ich diese Erkundung bleiben. Vielleicht müsste man es von der anderen Seite des Grabens her versuchen, aber dorthin will ich fürs erste nicht zurück. Insgesamt ist die Grösse des Areals beeindruckend, vor allem in der Vertikalen. Dabei sind die ganzen unterirdischen Anlagen, wo der eigentliche Abbau stattfand, noch nicht einmal sichtbar. Der Plan auf http://blog.ateliereisen.ch/?p=1240 hilft einem, sich eine ungefähre Vorstellung davon machen zu können. Letztendlich war es nicht nur das unzugängliche Gelände und der geringe Ertrag, sondern auch politische Gründe und die insgesamt fehlende Nachfrage nach Blei in der Nachkriegszeit, die 1953 zur endgültigen Stilllegung dieses Bergwerks führten. Sämtliche Versuche, die Anlagen wieder instand zu stellen und der Nachwelt zu erhalten, sind in der Folge gescheitert. An die Bleivorkommen der Gegend wird dereinst vielleicht nur noch der Name des Tales hindeuten, denn gemäss einer Hypothese stammt der Name «Lötschen» vom keltischen Wort «loudio» ab, was Blei bedeutet (siehe Minaria Helvetica Nr. 2, 1982, Druckseite 32).

Wie geht es nun für mich weiter? In den Karten ist seit altersher weiter oben im Hang die Bezeichnung «Wildhüterhütte» zu finden. Die müsste doch von hier aus zu erreichen sein. Allerdings sind keinerlei Wege eingezeichnet, auch in alten Kartenausgaben nicht. Und so begebe ich mich in eine vollkommene Wildnis, die aber gar nicht so undurchdringlich ist, wie es den Anschein hat. Anhand des Geländes versuche ich den bestmöglichen Durchgang zu finden und lande dabei wieder an diesem Bachgraben, den ich zuvor schon weiter unten gequert habe. Nun, auf rund 1900 m, ist das wiederum eine sehr delikate Angelegenheit, aber unter der Beobachtung eines Eichhörnchens schaffe ich es hinüber. Dort stosse ich bald auf eine Wegspur, die nun völlig problemlos zur Hütte führt. Ich gehe davon aus, dass dieser Weg irgendwo im Bereich der Barackenruinen seinen Anfang nimmt. Das wäre dann zu gegebener Zeit noch zu erkunden.

Die «Wildschutzhütte Schönbühl/Goppenstein» (wohl die offizielle Bezeichnung, gemäss Minaria Helvetica Nr. 14b, 1994, Fussnote auf Druckseite 143) liegt auf einem traumhaft schönen Flecken, fast eben, was in diesem überaus steilen Hang aussergewöhnlich ist. Obwohl von Wald umgeben, geniesse ich einige schöne Ausblicke in den Abgrund und Richtung Rhonetal. Ich frage mich nun, ob es nicht möglich ist, von hier weiter den Abhang empor zu kraxeln und dann weiter oben zur bekannten Quelle des Schrejenden Bachs zu queren. Gemäss Karte sind keine unüberwindlichen Hindernisse zu erwarten, daher versuche ich das. Im lockeren Baumbewuchs komme ich recht gut voran, obwohl das Gelände unverändert sehr steil ist. Aber die Karte zeigt korrekt keine hohen und unüberwindbaren Felswände, sondern nur niedrige, gut gestufte Bänder, die einfach zu erklimmen sind. Im Bereich, der in der Karte mit dem Flurnamen Faxigi Bletscha gekennzeichnet ist, verlasse ich allmählich den Wald und betrete nun buschiges Gelände, wo das Vorankommen schwieriger wird. Einige kleinere Geröllhalden schaffen jedoch Abhilfe. Ich versuche nun, etwas in den Abhang zur Linken hinein zu gelangen, und finde auf ca. 2400 m eine breite Terrasse, die zu einer Hangkante hinüberführt. Und dort erspähe ich, rund 100 Meter weiter unten, die gesuchte Quelle und dazwischen ein Gelände, welches gut begehbar ist. Mit etwas Phantasie kann man sich sogar ein Wegtrasse vorstellen, denn in diesem Gebiet, dem Schönbühl, wurde ebenfalls Blei abgebaut, jedoch schon in grauer Vorzeit. Details sind gemäss goppenstein.info nicht bekannt, jedoch sollen noch Stollen zu finden sein. Ich kann jedoch nichts entdecken, aber das Gelände ist sehr ausgedehnt und unübersichtlich.

Am Ende der breiten Geröllhalde erreiche ich den Talgrund und die Zone, wo ich am 30. Juli zum «Hasen» aufgebrochen bin. Entsprechend ist der Rückweg, nach dem Wasser fassen, derselbe wie damals. Da ich zeitlich noch recht früh dran bin, hänge ich von Kippel noch den Talweg an und bin ca. um 15:20 Uhr, also nach etwas über 7 Stunden wieder in Goppenstein. Dort beende ich diesen Wandertag in der gemütlichen Gaststube des Felsheims, wo ich mich bei der freundlichen Bedienung des Ehepaars Traber gleich willkommen fühle und das liebevoll zusammengestellte, leckere Tagesmenu geniesse. Schön war's im wilden Lötschental, einmal mehr!

Tourengänger: ABoehlen


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