Geheimnisvolles Val Formazza


Publiziert von Runner , 3. Oktober 2019 um 08:41.

Region: Welt » Italien » Piemont
Tour Datum:21 September 2019
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Aufstieg: 1880 m
Abstieg: 2420 m
Strecke:34.3 Km: Nufenenpasse - Val Formazza - Bosco/Gurin
Kartennummer:Blatt 265 T / Blatt 275 T

Südlich des Nufenenpasses, genauer ennet dem Griespass, liegt ein italienisches Tal, welches den Eindruck vermittelt, man befinde sich im Oberwallis. Und dies nicht nur wegen der hohen Berge und der saftigen Wiesen, nein, auch die Namen der Siedlungen erinnern an Ferien im Goms. Die Rede ist vom Val Formazza oder Pomatter Tal, wie es im bis vor einigen Jahren da und dort noch gesprochenen Pomatter ‘Titsch’ heisst.

 

Diese Eigentümlichkeit rührt daher, dass im 13. Jahrhundert einige Walliser (Walser) über den Griespass hierhergezogen sind und sich im Val Formazza niedergelassen haben. Jene, welche es weiterzog, nahmen den recht beschwerlichen Weg über die Guriner Furggu unter die Füsse und besiedelten Bosco/Gurin im Ticino. Heute freilich ist die Sprache beinahe ausgestorben und man ist gut beraten, mit ein paar Brocken Italienisch im Wortschatz unterwegs zu sein.

 

Die Wanderung über den Griespass führt von der an der Nufenenpassstrasse gelegenen Postautohaltestelle ‘Cruina’ über gut 500 Höhenmeter, vorbei an der modern gestalteten Corno Gries Hütte (SAC), zum Cornopass von da bis zur Landesgrenze nach Italien. Hier mündet auch die ‘Via Sbrinz’, welche gen geneigten Wanderer von Stansstad (Kanton Obwalden) bis nach Ponte im Val Formazza führt.

 

Die nächsten 13 Kilometer fordern wohl etwas Trittsicherheit, vielmehr jedoch Kondition und vor allem Kraft in den Beinen, sind bis Ponte (‘Zum Schtäg’) immerhin fast 1'200 Höhenmeter talwärts zu bewältigen – das ‘fährt ein’, wie man so schön sagt. Wäre da nicht die Staumauer des Lago di Morasco - welchem Anfang der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts das gleichnamige Dorf zum Opfer gefallen ist - wäre die Idylle perfekt. Im Talgrund – nach Überwindung der ersten rund 400 Höhenmeter bewegt man sich auf in einer weiten Schwemmebene, welche an die Plaun Segnas Sut erinnert, jene Moorlandschaft südlich des Segnesspass. Von da an führt ein breiter Weg hinunter nach Riale, vorbei am Stausee und nun immer entlang des Toce (oder Tosa, wie es in der Sprache der Walser heisst). Auf seinem 76 Kilometer langen Weg zum Lago Maggiore überwindet dieser Fluss im oberen Teil des Val Formazza die Tosafälle (Cascata del Toce), sofern das Wasser nicht zwecks Energiegewinnung umgeleitet wird. Eine touristische Attraktion ist die Illuminierung der 143 Meter hohen Kaskade, welche im unteren Teil ein Breite von bis zu 60 Metern erreicht. Wann diese stattfindet, kann beim Tourismusbüro vor Ort in Erfahrung gebracht werden.

 

Wer sich die 34 Kilometer und 1'800 Aufstiegsmeter vom Griespass bis nach Bosco/Gurin nicht in einem Tag antun möchte, der findet im Val Formazza genügend Unterkunft. Zum Beispiel im ‘Edelweiss’, welches nebst einfachen aber sauberen Zimmern vor allem eine hervorragende Küche bietet. Besonders die Gnocchi sind eine Empfehlung wert!

 

Der weitere Weg von Ponte hinüber ins tessinerische Bosco/Gurin beginnt ausgesprochen entspannt; während rund vier Kilometern führt der Wanderweg zumeist auf der östlichen Talseite leicht abwärts nach Fondovalle. Hier beginnt ein beinahe fünf Kilometer langer Aufstieg durch die Nord-Westflanke des Pizzo Stella, zunächst durch schattenspendenden Mischwald hinauf auf die Alpe Stavello (wo es eine Notunterkunft gibt), danach durch eine recht schmale Rus und in den Nord-Westhang des Pizzo Stella. Gut 1200 Höhenmeter sind zu überwinden. Der höchste Punkt liegt allerdings nicht auf der Guriner Furggu, sondern etwa 900 Meter davor. Der Passübergang auf 2323 m ü.M. markiert die Landesgrenze. Ohne Zollkontrolle freilich. Zu schmuggeln gibt es auch nichts. Früher war dies anders. Da wurden die Pfade über die Guriner und die benachbarte Hendar Furggu fleissig zum Transport von Waren aller Art benutzt. Es wird erzählt, dass die Grenzer manchmal auch bewusst ein Auge zudrückten.  

 

Hat man die Passhöhe einmal erreicht, hat man die Möglichkeit bis zur Grossalp abzusteigen und von dort bequem mit dem Sessellift ins Tal zu gondeln oder man bewältigt nochmals 400 Höhenmeter (ab Grossalp) zu Fuss. Immerhin, der Weg ist gut und die Landschaft abwechslungsreich.

 

Im Dorf angekommen bietet sich ein kleiner Rundgang an. Auch ein Museum (‘Walserhaus’) ist da. Mit Gastronomie ist die 54-Seelen-Gemeinde hingegen nicht gesegnet; zwei Restaurants bieten sich an, wobei die Küche zwischen Mittagszeit und Abendessen geschlossen bleibt.

 

Übrigens: von den verbliebenen Bewohnern des Ortes spricht heute noch knapp ein Drittel Deutsch, der Rest italienisch. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass die Kinder des Dorfes in Cevio im Valle Maggia zur Schule gehen – und dort herrscht definitiv tessinerische ‘Italianità’.


Tourengänger: Runner


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