Die Cousine aus Amerika


Publiziert von rojosuiza , 23. September 2019 um 13:25.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 3 September 2019
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 

Wer Karten beschaut, der kann in Gedanken mit Riesensprüngen wahnsinnige Strecken zurücklegen. Das geht mit Landkarten in grossem Massstab, rojosuiza kann es auch gut mit der Wanderkarte 1:25.000.  Da, das kleine Tälchen, das führt doch regelrecht in das verlängerte Nachbartälchen, einen Hopser durch Italien, zurück in die Schweiz, wild übe diesen Berghang, und schon wäre man wieder auf einem Wanderweg. Schwupps, um die halbe Welt in 10 Stunden. In der Realität im Feld sieht es oft ein wenig anders aus als im Kopf zu Hause.

Jedermann weiss es: Wer einen Pfad schon einmal gegangen ist, der ist das nächste Mal doppelt so schnell. Alles Nachdenken und Fährtensuchen entfällt doch! Was rojosuiza in seiner Weltbewegenden Wanderung vom Mässersee I zum Mässersee II beschrieben hat – wer’s noch nicht gelesen hat, soll es jetzt schleunigst nachholen! – ist der erste Teil der Fabulösen Neuerkundung, für heute geplant. Oben am Mässersee I würde der Bergheld wild ein begrastes Couloirlein besteigen und dann in sein Verborgenes Tälchen queren. Ein paar grosse Steine würden da herumliegen, gewiss, doch Steine können einen Berghelden nicht halten, nicht wahr?

Das Ersteigen des begrasten Couloirleins nimmt leider sehr viel Zeit in Anspruch. Erleichtert stellt der Fachmann in der Kartenlesekunst danach fest, dass am oberen Ausgang ein Weg hindurchführt, von irgendwoher irgendwohin. Fragt man sich denn da, von woher und wohin? – Gewiss, von unten nach oben, lapidarer kann die Wirklichkeit nicht sein.

Nach zwei Stunden ist rojosuiza zwar weit höher oben im Tal, aber ist er richtig? – Hätte er nicht dort unten, weit unten, eher queren müssen ins Blockfeld hinein, statt hier einfach dem Pfad zu folgen. Da oben ist eine kleine begraste Schneise in all dem Stein, sollte da der gesuchte Eingang zum Nachbarstälchen sein, so schmal hier, auf der Karte so breit?

Es ist Zeit, die Cousine ins Spiel zu bringen! – Die Cousine aus Amerika befindet sich auf Europa-Reise. Sie sucht ihren Sohn auf, der in Banja Luka sich Familie erworben hat und dort in den Ferien weilt. Mit dem Nachtzug ist sie angekommen und schwirrt jetzt zwischen Zürich, Bern und Brig umher. Eigentlich findet der Lebensgefährte, dass man der Dame die Aufwartung machten müsste, und damit wäre fast der ganze Wandertag ins Wasser gefallen, ja, wenn das Wetter denn nicht so prächtig angekündigt worden wäre von berufener Stelle. Wohl wurde dem Helden die Verpflichtung auferlegt, um 18:00 Uhr das letzte Postauto aus Binn keineswegs zu verpassen.

Hier sitzt er nun, der Tropf. Es ist prachtvoll. Aber er ist falsch. Das richtige Tal liegt unter ihm, denkt er, und dahinter folgt ja noch eines, alles mit Riesenblöcken gefüllt, das schafft er nie an einem Tag. Man müsste vorn in der Hütte übernachten, wenn man die denn überhaupt noch vor dem Dunkel erreichte. Da mischt sie sich radikal ein, die amerikanische Cousine. Man wird um acht Uhr zum Abendessen aufgeboten. Das geht, aber nur wenn der Bergheld sein hehres Vornehmen energisch aufgibt!

Gibt er sein Vornehmen energisch auf? – Er läuft schon! Man sehe ihn nur dort, ganz entspannt läuft er hinab. Hinab, immer nur hinab! Leicht und immer leichter wird’s ihm um Kopf und Herz. Die ganze Krüppelei ist ausgestanden, Wandern wird von selbst von Pflicht zu Kür.

Die Wanderung in das Gebiet ist bezaubernd. Man braucht ja gar nicht in den dritten Stock zu gehen, der zweite tut es auch. Wenn auch die Übersicht hier oben atembenehmend ist, wenn auch das finden wegeloser Quertäler spannend ist, schön ist’s im zweiten Stock auch. Alle Dichter preisen den Mässersee, oder erst gar den Geisspfadsee…

Tourengänger: rojosuiza
Communities: Alleingänge/Solo


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