Kurzbericht 

Plan B: Halbtags auf die Haidachstellwand


Publiziert von ZvB , 22. Juni 2019 um 15:58.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Rofangebirge und Brandenberger Alpen
Tour Datum:20 Juni 2019
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettersteig Schwierigkeit: K2+ (WS+)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 4:15
Aufstieg: 450 m
Abstieg: 450 m
Strecke:7,0km
Kartennummer:AV6

Sicherlich hat jeder Bergsteiger eine Liste mit Zielen, die er unbedingt noch erreichen möchte. Auch ich kann mich nicht von dem Listenwahnsinn freisprechen. Heute liefert mir allerdings der Wetterbericht einen guten Grund, um von der Liste der heißbegehrten Gipfel abzuweichen. Die Wunschlistengipfel sind nur tadellosem und fotogenem Wetter vorbehalten. Heute ging nur ein B-Promi: Die Haidachstellwand im Rofan.

Ich stehe in der Warteschlange zur Seilbahn. Der alte Mann vor mir verräumt umständlich Kleingeld in seinem Portmonäh Geldbeutel. Berg- und Talfahrt kosten zusammen 21,50€ pro ausgewachsenem Menschen. Ganz schön happiger Betrag für zwei gesparte Aufstiegsstunden. Was solls, heute ist schließlich Feiertag.

An der Bergstation angekommen halte ich noch für wenige Momente inne und gebe dem Menschenknäul die Gelegenheit sich aufzulösen. Die Menge löst sich auf und ich bin mir sicher, dass ich keinen von denen mehr einholen muss/werde, weil die ja alle so sportlich angezogen sind...

Die ersten Vorgänger sind nach einer viertel Stunde eingeholt bzw. überholt. Nach einer guten halben Stunde ist bereits der Krahnsattel erreicht. Kenner der Region erahnen bereits jetzt meinen Plan. Ich schwimme gegen den Strom und besteige die Haidachstellwand über den Klettersteig, den die meisten nur im Abstieg begehen, auf ihrem Weg über den Fünf-Gipfel-Klettersteig.

Sitz- und Brustgurt sind schnell angelegt. Stopp, Brustgurt? Das ist doch uncool! Nun ja, nachdem ich Pit Schuberts Bücher lesen durfte, finde ich ein über den Sitzgurt gebrochenes Rückgrat viel uncooler… Über einen Plattenschuss (B o. B/C) geht es zunächst aufwärts. Nach kurzem Gehen an erdiger Stelle, erreicht man eine Wand, in der man luftig nach rechts quert, um dann nochmals mit zwei kräftigen Zügen (B/C) auf einen kleinen Vorgipfel mit Gipfelkreuz zu gelangen.
Es folgen ca. 50m Gehgelände, bevor man erneut in einen weiteren plattigen Aufschwung  einsteigt. Ein kurzer, leicht ausgesetzter Grat verlangt nach ausschweifenden Schritten (B/C). Dann erreicht man eine mit Schutt bedeckte Scharte. Eine gute Gelegenheit, um Gegenverkehr passieren zu lassen. Nun folgt meine persönliche Crux.

Seilbrücken, auch kurze, sind überhaupt nicht mein Ding. Weder ‚Kletter‘ noch ‚Steig‘ trifft im eigentlichen Sinn auf solche Konstruktionen zu. Aber Jammern und Schimpfen helfen nicht weiter, ich muss da rüber. Als ich die 4,5m Seilbrücke hinter mir habe, muss ich nur noch die Sicherung umhängen, bevor ich wieder auf festen Fels treten kann. Da plötzlich beginnt das ganze Gebilde sehr hochfrequent zu schwingen. Vermutlich ist das Feder-Masse-System aus Drahtseil und mir von meinem Herzschlag mit der Resonanzfrequenz angeregt worden. Im schlimmsten Fall bricht möglicherweise die gesamte Haidachstellwand zusam…

Endlich fast oben. Mit Ruhe und kurzem Anhalten des überdrehten Herzens konnte ich die Haidachstellwand gerade noch vor der Resonanzkatastrophe retten. Das liegt zwar nur wenige Sekunden zurück, ist aber auch schon beim Anblick der herrlichen Blumenwiesen auf dem Weg zum Gipfelkreuz vergessen. Hier lässt sich die Sonne genießen. Die Besucherfrequenz ist eher niedrig. Das kann man gut aushalten.

Beim Abstieg ist noch ein Plattenschuss (B) schräg abwärts zu queren. Wäre das Gurtzeug noch angelegt, würde ich mich hier wohler fühlen, aber es geht auch ohne. Erst am Ende dieser Querung kann ich erkennen, dass es eine einfachere Alternative mit Trittbügeln gegeben hätte.

Kurz nach dem Mittag schwebt bereits die Gondel der Rofanseilbahn mit mir an Bord wieder ins Tal. Ich freue mich darüber, dass dieser Plan-B-Gipfel mir eine so unbeschwerte Halbtagestour beschert hat. Der erste Regen klopft am späten Nachmittag von außen ans Wohnzimmerfenster. Aber da bearbeite ich schon längst bei reichlich Kaffee die Fotos dieser Bergtour und versäume auch nicht, die schwarzen Ränder hinzuzufügen…

Tourengänger: ZvB


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