Kletterroute „Chlini händ nüt z’lachä“ im Rätikon, 7. Kirchlispitze 7a / VIII (6c / -VIII obl.)


Publiziert von nena_cb , 4. Juni 2018 um 19:02.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Prättigau
Tour Datum: 3 Juni 2018
Klettern Schwierigkeit: VIII (UIAA-Skala)
Aufstieg: 300 m
Abstieg: 300 m
Strecke:350 Klettermeter
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Ab Grüscher Älpli, siehe Topo Rätikon Süd oder Extrem Ost.

Kletterroute „Chlini händ nüt z’lachä“ im Rätikon, 7. Kirchlispitze 7a/8 (6c obl.)

3. Juni 2018

Schon seit langer Zeit steht „Chlini händ nüt z’lachä“ auf unserer To-do-Liste. Der Respekt vor dieser Route liess uns jedoch immer wieder zögern. Nachdem sie es nach einer sanften Sanierung im 2012 in den Führer „Extrem Ost“ geschafft und der Erstbegeher und Sanierer in einem Kommentar im Internet darauf hingewiesen hat, dass die gefährlichen Runouts nun entschärft worden seien, wagten wir am letzten Sonntag einen Versuch. Informationen zur Route sind leider nur spärlich vorhanden, weshalb dieser Bericht entstanden ist. Es wäre schade, wenn diese Perle aufgrund ihres Rufes auch in Zukunft wenig begangen würde. Die Route ist psychisch zwar anspruchsvoll, aber für Schrattenkalk-Steilplatten-Liebhaber und Rätikon-Fans eine grosse Freude.
 

Wir trafen uns am Sonntagmorgen auf dem Grüscher Älpli. Ich hatte einen Tag zuvor den Pardutzerweg - einen schönen Klassiker - mit Beno geklettert und fühlte mich deshalb aufgewärmt für weitere Steilplatten. Risch kam direkt aus dem Wallis, wo er von Freitagnacht bis Samstagmittag die Nordwand der Lenzspitze mit den Skis befuhr. 2500 Höhenmeter Aufstieg hatte er bereits in den Beinen, was ich nicht mehr als lediglich „aufgewärmt“ bezeichnen würde (zumindest für mich ;)). So packten uns am Morgen auf dem Parkplatz doch nochmals kleine Zweifel, ob die Route für uns heute wirklich machbar sein würde. Naja, wir mussten es einfach probieren, andernfalls wir es wohl nie herausfinden würden.
 

Den Rat des Erschliessers Kurt Winkler beachtend, machten wir uns mit einem Satz Friends bis Grösse 3 und einem Satz Keile auf den Weg zum Einstieg. Dieser befindet sich etwa 100 Höhenmeter über dem Wandfuss und wird in einfacher Schrofen-Kletterei erreicht. Die Route beginnt nach der ersten Seillänge von Via Andres und startet gleich vor dem legendären „Geburtskanal“.
 

1.   SL 7- / 6a+: Die erste Seillänge quert rechts vom Geburtskanal weg. Der Beginn erfordert bereits einen Balanceakt zwischen den Haken, der besonders für den Nachsteiger volle Konzentration bedarf. Nach der Platte kann in schöner Kletterei einem Riss/einer liegenden Verschneidung folgend zum nächsten Stand auf einem kleinen Podest geklettert werden. Bis zum Stand müssen alle Zwischensicherungen selbst gelegt werden; dies ist jedoch aufgrund der zahlreich vorhandenen, möglichen Placements kein Problem und macht bereits Lust auf mehr.
 

2.   SL 8 / 7a: Vom Stand ist die auf uns wartende 7a-Länge noch nicht einsehbar. Nach ca. 5 Metern einfacher Kletterei wird einem der Blick auf das riesige, offene und lange Fischmaul eröffnet. Dieses kommt ganz unerwartet und entspricht so gar nicht dem unscheinbaren Überhang, der im Topo eingezeichnet ist. Der erste Haken steckt zu Beginn des Fischmauls. Unter dem offenen Maul lächelt eine breite Platte zu deren Ende in ca. 10 Meter Entfernung ein Haken in der Ferne glänzt. Das Fischmaul ist dreckig und derart breit, dass Placements unmöglich erscheinen. Plötzlich war es da: Das Adrenalin, das mich zu vollster Konzentration zwang, ungewiss darüber, wo sich die Schwierigkeiten der 7a-Länge befinden würden. Ein rätikonesker Kaltstart! Beim ersten Haken musste ich tief durchatmen und mir einen guten Plan zu Recht legen. Ich fand ein mögliches Placement in einer Schuppe auf der Platte über dem ersten Haken. Diese lässt sich gut mit zwei kleinen Aliens (schwarz und grün oder X4ern Cams) mit Zwillingsseiltechnik sichern. Der Entscheid, das Fischmaul unangetastet zu lassen und den Weg über die Platte zu wagen, erwies sich als richtig und machbar, wenn auch psychisch fordernd (ca. 6b+/6c). Die 7a-Stelle befindet sich erst im kleinen Überhang am Ende des Fischmauls: Auf schlechten Tritten und Griffen muss man sich bis über den Bauch hochpressen. Die Stelle ist dank des neu gesetzten Hakens über dem Überhang weniger eine psychische als eine physische Herausforderung.
 

3.   SL 7 / 6b+: Die nächste Seillänge erscheint von unten unscheinbar und die Haken stecken bei der Verschneidung überraschend nahe beieinander. Der anlässlich der Sanierung zusätzlich gesetzte Haken erweist sich durchaus als notwendig. Nach dem ersten Haken muss tief haltend in Richtung Verschneidung gequert werden.
 

4.   SL 7- / 6b: Es folgt eine absolute Genusslänge. Zwar stecken die Haken weit voneinander entfernt; es lassen sich jedoch hie und da Bomben-Placements finden. Der weite Hakenabstand von ca. 15-20 Metern in der Routenmitte bietet zwar keine Möglichkeiten für Zwischensicherungen. Die Kletterei ist hier den Wasserrillen folgend nie deutlich schwieriger als 6a. Die super coole Kletterei beflügelte mich, weshalb ich die Gedanken an die fehlenden Zwischensicherungen beiseite schieben konnte.
 

5.   SL 8- / 6c+: Die beiden auf uns wartenden Überhänge in der 5. Seillänge liessen uns bereits vermuten, dass es sich hier wohl um die Seillänge handeln musste, welche der Route den Namen gegeben hatten. So musste Risch im ersten Überhang ein paar Versuche wagen, bis er ihn überwinden konnte. Ich konnte die Kurx im Nachstieg ebenfalls nicht direkt klettern und musste mich mit meinen 1.75m wohl auch zu den Kleinen zählen. Allerdings müsste man doch 1.90m gross sein, um den guten Griff über dem Überhang ohne kräftigen Boulderzug mit Tritten auf der rutschigen Platte zu erreichen. Es folgt der zweite fantastische Überhang mit 3er-Riss, der sich als einfacher entpuppt, als er aussieht. Die Länge ist sehr gut mit mittleren und grossen Friends absicherbar und die Haken stecken an den richtigen Stellen.
 

6.   SL 7- / 6b: Es folgt wiederum eine wunderschöne Genusslänge, welche gute Placements neben den vorhandenen Haken bietet. Nach der Querung nach rechts wird der Blick auf die kommenden Herausforderungen frei, welche mich vor Freude jauchzen lassen.
 

7.   SL 7 / 6b+: Die 7. Seillänge ist anhaltend und erscheint uns etwas schwerer als bewertet (evtl. eher 6c?). Ich empfand die Länge als purer Genuss, die volle Konzentration und gute Fuss- und Balancetechnik erfordert. Es müssen aber auch zwischen den Haken zwingende Stellen überwunden werden . Allfällige Stürze sind hier dank der klugen Bohrweise trotz der Abstände (wahrscheinlich) ungefährlich. Der nächste Stand befindet sich unter dem Überhang.
 

8.   SL 7+ / 6c: Diese Länge erfordert nochmals volle Konzentration. Der Überhang nach dem Stand bietet zwar wenig Schwierigkeit, allerdings muss danach eine knifflige Stelle überwunden werden. Es folgt eine schöne und anhaltend schwere Genusskletterei, die wieder gute zusätzliche Placements bietet. Vor dem Stand sehe ich mich jedoch plötzlich in einem grossen Runout wieder, der herausfordernde Kletterei über dem Haken bietet. Da war es wieder, das Adrenalin… Die Kletterei dürfte an dieser Stelle zwar nicht schwerer als 6b/6b+ sein, doch lässt uns der weit unten steckende Haken solche Stellen doch als wesentlich schwerer empfinden. Placements nicht möglich… Atmen, Augen auf und durch. Ich wählte die Variante „zuerst rechts, dann links“, wobei Risch die direktere Variante wählte. Es ist wohl beides möglich und in etwa gleich schwer.
 

9.   SL 6 / 6a: Die letzte Länge ist leider etwas brüchig und weniger homogen als die vorangehenden. Sie ist aber physisch wenig anspruchsvoll und bietet hie und da ein Placement neben den vorhandenen Haken.
 

Auf dem Gipfel waren wir begeistert und konnten trotz unserer „kleinen“ Körpergrösse noch immer lachen. „Chlini händ nüt z’lachä“ ist eine Linie, welche über einen besonders kompakten Teil der 7. Kirchlispitze führt. Sie bietet abwechslungsreiche Kletterei in bestem Kalk, ist durchaus anspruchsvoll, aber absolut empfehlenswert. Die Absicherung ist besser als erwartet und wo keine Haken stecken, ist die Route gut absicherbar (ausser Runout in der 8. SL). Wir brauchten denn auch den gesamten, mitgenommen Satz Friends und setzten die Grösse 3 überraschenderweise am häufigsten ein. Es lohnt sich, kleinere Aliens, X4er Cams oder ähnliches mitzunehmen (eher nicht C3er Cams). Keile haben wir keine gebraucht; dies ist allerdings Geschmackssache. 

Abgeseilt haben wir über die benachbarte Achtibahn, welche wir nun voller Übermut als nächstes in Angriff nehmen wollen (Hinweis: Zwei Abseilstände ausserhalb der Route beachten; siehe Topo auf dem Blog von Marcel Dettliing).
 

Nicht zögern, einfach wagen! Es lohnt sich! :)

Weitere Tourenberichte: Route "Auenland" Rätikon:
http://www.hikr.org/tour/post69367.html

Route "Prix Garantie" Rätikon:
http://www.hikr.org/tour/post121579.html

Route "Achtibahn" Rätikon:

http://www.hikr.org/tour/post133157.html

 

Viel Spass!

Christina Blumenthal (B-Topf)

Kletterparner: Risch Bandli


Tourengänger: nena_cb


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