Lesen ist Silber, selber Gucken auch (I)


Publiziert von lainari , 10. Oktober 2017 um 20:05.

Region: Welt » Tschechien » Krušné hory
Tour Datum: 9 Oktober 2017
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 3:45
Aufstieg: 420 m
Abstieg: 420 m
Strecke:7 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Telnice
Kartennummer:1:50.000, KČT Nr. 6 Krušné hory - Teplicko

Historischer Silberbergbau bei Liboňov (Liesdorf)
 
Als erstes muss ich mich bei Kaj entschuldigen, dass ich seine Redewendung aus dieser Diskussion für meine Zwecke adaptiert habe.
Ein zur Verfügung stehender halber schöner Tag lockt mich heute zu einer Erkundung des historischen Silberbergbaues an den Südabhang des Erzgebirges. Klarstellend verweise ich darauf, dass die beim Bergbau im Erzgebirge jeweils genannten Metalle seltenst allein und in Reinform gewonnen wurden, vielmehr handelt es sich um Mehrmetall-Lagerstätten, die im Tschechischen polymetalické ložisko genannt werden. Eine solche befindet sich auch im Bergrücken der Studená stráň (Winterleite) bei Telnice (Tellnitz). Zum dortigen Silberbergbau hatte ich in eine kurze Notiz in einer Ortsbeschreibung gelesen. Der Bergbau soll zwischen 12. und 14. Jh. angedauert haben. Abweichend dazu wird an anderer Stelle vom einem Bergbauende am Anfang des 18. Jh. gesprochen, was eher wahrscheinlich ist. Die weitere textliche Quellenforschung war wenig ergiebig, so dass ich mich auf Kartenvergleiche verlegt habe. Die Wanderkarte weist im Bereich nicht einmal nach unten gekreuzte Hämmer auf, ist somit wenig hilfreich. Leidlich vorbereitet, mache ich mich also auf den Weg.
 
Nach kurzer Anfahrt erreiche ich Telnice und parke am Bahnhof. Der Zugverkehr von hier bis Teplice lesní brána (Teplitz Waldthor) ist seit 09.12.2007 eingestellt und der Ausflugsverkehr von und nach Děčín durch betriebliche Sperrung wegen Felssturzgefahr seit 14.12.2015 unterbrochen. Aber befahrene Schienenköpfe Richtung Děčín weisen darauf hin, dass sich möglicherweise am Streckenzustand etwas tut. Ich gehe gegenüber der Bahnhofszufahrt in ein Anliegersträßchen hinein und laufe in Richtung Liboňov (Liesdorf). Am unteren Ortsende halte ich mich geradeaus und gehe wenige Meter leicht fallend weiter. Eine rechts des Weges befindliche Einkerbung ist erkundenswert. Ich steige den Hang hinauf und finde den Einschnitt des einstigen oberen Stollens. Mit diesem wurde ein Arsenkies- (FeAsS) und Sprödglaserzlager (Schwarzgültigerz, Ag5SbS4) angefahren. Ein dazugehöriger unterer Stollen hatte offenbar nur betriebliche Bedeutung. Sein einstiger Beginn ist heute möglicherweise überbaut. Ich bleibe am Hang und arbeite mich auf der orographisch linken Seite des Bachtälchens hinauf. Karte und Natur überraschen hier mit 8 terrassenartigen Abstufungen in der Bergflanke, die zwischen 3 und 15 Metern breit und bis zu mehrere hundert Meter lang sind. Ein Flächengewinn für etwaige Bebauung oder eine landwirtschaftliche Nutzung sind eher auszuschließen und Wege brauchte es in so dichtem Abstand auch nicht, so dass man von einem bergbaulichen Grund der Anlage ausgehen kann. Möglicherweise wurde der Hang damit auf ausstreichende Erzgänge untersucht. Am Ende der Strukturen treffe ich auf einen Wanderweg. Wenige Meter höher befinden sich am Bach eine Haldenschüttung und ein verbrochenes Mundloch eines unbenannten Stollens mit starkem Wasseraustritt. Neben einem Weg wurde der Hang hier offenbar vertikal durch zwei Schürfgräben untersucht. Auf der Geländezunge zwischen Bach und Gräben steige ich weglos weiter bergan. Kleinere Schachthalden helfen bei der Richtungsfindung zum nächsten Objekt, einer Haldenschüttung und ein intaktes Mundloch, des ausweislich einer teilweise unleserlichen Bergschadenstafel als Stollen Nr. 6 bezeichneten Anlage. Der Einblick durch die Gittertür zeigt ihn wasserfrei und mit hohem Profil. Der weitere Anstieg bringt mich zu einem Fahrweg, wo ich links auf die Lichtung der einstigen Einschicht Zechenhäuser/Cechové domky treffe.
 
Die namengebenden Häuser sind 1875 abgebrannt. Auf dem Gelände ist heute ein alter Eisenbahnwagenkasten aufgestellt. Am Hang befindet sich der verbrochene Verlauf des Hadalka Stolln/Stollen Nr. 5. Auf einer Länge vom 200 m folgte dieser einst einer kiesig-blendigen Bleierzformation. Ich bewege mich weglos weiter durchs Gelände und komme zur Pinge des einstigen Zechenhäuser Tagesschachts. Hier ist noch eine Gebäudegrundfläche auszumachen. Der Schacht war Teil der zwischen 1852-1856 durch den Grafen von Ledebour neu gemuteten Segen Gottes Grube, die von der anderen Bergseite zusätzlich über bestehende alte Stollen erreicht wurde. Gefördert wurden hier Bleiglanz (PbS) und Zinkblende (ZnS) mit geringen Silberanteilen. Eine 1853 vorgenommene Beprobung ergab eine zwischen ärmerem und reicherem Mittel gesicherte Ausbeute von 1/3 Loth Silber und 8 Pfund Blei pro Zentner Gestein. Dies war zu wenig für einen wirtschaftlichen Bergbau, womit dieser dann endgültig zum Erliegen kam. Mit Erreichen der Kammlinie des Bergrückens beginnt es plötzlich leicht zu regnen. Ich verpacke meine Ausrüstung und mich so gut es geht und laufe im Zickzack über verschiedene Wege abwärts. Eine große Haldenschüttung kündigt den Oberen Stolln/Stollen Nr. 3 an. Zusammen mit dem tieferen Stollen soll eine Streckenlänge von 932 Metern erreicht worden sein. Über einen Weg und den Hang steige ich dahin ab. Das Mundloch des Tiefer Segen Gottes Stolln/Stollen Nr. 2 ist verbrochen und weist einen hohen Wasseraustritt auf. Teile der davorliegenden großen Halde sind dadurch überschwemmt. Entlang des Abflusses steige ich weiter ab und komme zum Stollen Nr. 1, der in den Quellen unbenannt ist. Auf dem darunterliegenden Weg wende ich mich talwärts, biege jedoch in Sichtweite einiger Häuser eine steile Rampe hinauf. Am Hang gibt es Spuren einiger kleinerer Bergbauversuche. Der Weg fällt später wieder in Richtung Bach ab. Kurz vor dem Talboden biege ich horizontal hinein und erreiche das Gelände eines Granitsteinbruchs. Der Weg endet auf der oberen Ebene und ich mühe mich weglos eine Ebene hinunter. Hier lockt mich ein neuer Weg weiter talwärts. In Sichtweite der Tellnitzer Kirche St. Joseph endet er abrupt am Hang. Ich gehe auf einem Wildpfad weiter, steige nochmals hinauf und gelange so nach Liboňov. Kurz vor dem Siedlungsgebiet gibt es wieder Bergbauspuren in Form von Schachtpingen und einer großen breiten Terrassierung. Durch den Ort und über die Zufahrtsstraße komme ich schließlich zurück zum Ausgangspunkt in Telnice.
 
Die pausenbereinigte Erkundungszeit betrug 3 h 45 min. Die Tour ist als T3 zu bewerten.
Die absolvierte Strecke ist zur Hälfte weglos und gänzlich unmarkiert.
 
Informationsquellen:
Beschreibungen/Bilder/Kartenausschnitte: www.zanikleobce.cz
Detailkarte: archivnimapy.cuzk.cz
Historische Karte: Geologische Specialkarte des Königreiches Sachsen No. 120 Section Fürstenwalde Graupen

Tourengänger: lainari


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