Wilde Gräben, eine Funzellampe, ein Vampir und ein flüssiger Fuchs


Publiziert von lainari , 2. Oktober 2017 um 22:48.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Erzgebirge
Tour Datum: 1 Oktober 2017
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 2:15
Aufstieg: 150 m
Abstieg: 150 m
Strecke:4,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Steinberg/Ziegenrücken, parken beim Agrarbetrieb Niederseidewitz
Kartennummer:1:20.000, SK Nr. 119 Pirna und Umgebung

Bergbauspuren rund um das Schupprichtloch
 
Meine Betrachtung des Berggießhübeler Eisenerzbergbaues erstreckt sich mittlerweile auf weniger bekannte Fund- und Abbauorte in der weiteren Umgebung. Bei Niederseidewitz wurde um 1820 die König Anton Fundgrube aufgeschlossen. Der insgesamt wenig ertragreiche Bergbauversuch auf Braun- und Roteisenerze bestand aus einem Tagesschacht mit einigen Abbauen und einem zur Wasserlösung aus dem Schupprichtloch/Schubschlucht aufgefahrenen Erbstolln. Von diesen Anlagen sind heute nur noch wenige Spuren erhalten geblieben. Weiter abwärts befand sich am rechten Hang des Schupprichtlochs noch ein Stollen über den Schwefelkies (Eisenkies/Pyrit/Katzengold) abgebaut wurde. Dieses wurde um die genannte Zeit im Berggießhübeler Vitriolwerk durch rösten in Schwefel und Eisen(III)-Oxid getrennt. Der Schwefel wurde vor Ort zu Vitriolöl (Schwefelsäure) verarbeitet und das Eisenoxid an den Hochofen des Hammerwerkes abgegeben. Im, dem Schupprichtloch benachbarten Graben befindet sich ein weiterer Stollen eines Kleinbergwerkes, der in den heute bekannten Bergakten nicht verzeichnet ist. Dieser ist etwa 60 m lang und problemlos (hüstel, Ausnahmen folgen) befahrbar.
 
Mein recht ungeplanter Erstbesuch der Lokation am 17.09.2017 diente dem Vertrautmachen mit dem Gelände und verfehlte die wichtigsten Bergbauspuren. Den jetzigen Zweitbesuch beging ich daher besser vorbereitet. Ich fuhr bis zum Agrarbetrieb Niederseidewitz und parkte an der Einmündung. Dann nahm ich einen Flurweg entlang des Steinbergs/Ziegenrückens Richtung Osten. Hier schien die Sonne und beleuchtete die von Westen vorrückende drohende Wolkenkulisse. An der nächsten Kreuzung bog ich links und lief aussichtreich nach Niederseidewitz. Am Rande der Ortslage bog ich nach links und ging am Straßenrand entlang. Eine Gebüschgruppe links der Straße markierte in etwa den einstigen Standort der Tagesanlagen der König Anton Fundgrube. Ich hielt leicht fallend auf eine Waldzunge zu, die den Anriss des Schupprichtlochs darstellt. Der obere Teil des Einschnitts war mit Haldenmaterial und Unrat jeglichen Couleurs gefüllt. Auf einem kleinen Stück war der Boden des tiefen Einschnittes leidlich begehbar, bis ich über einen Wildwechsel auf den linken Hang ausweichen musste. Im unteren flacheren Bereich entdeckte ich rechts des Grabens die Haldenreste des Stollens zum Schwefelkiesabbau. Später erreichte ich den Rand des Talbodens des Seidewitztales. Dort bog ich nach links in die tiefe Hohle des einstigen Fahrweges hinein, der wie früher üblich nicht am sumpfigen, hochwassergefährdeten Talboden sondern etwas in Hanglage verlief. Entlang des nächsten anzutreffenden Grabens stieg ich bergwärts und entdeckte schließlich das gesuchte unbekannte Kleinbergwerk. Beim Fertigmachen zur Befahrung stellte ich fest, dass meine Stirnlampe vom Helm ihren Dienst quittierte. Eine genauere Betrachtung ergab, dass eine der Batterien ausgelaufen war. So geht es mir in letzter Zeit gefühlt bei jeder zweiten Batterie, die innerhalb des Verbrauchszeitraumes im Gerät ausläuft. Offenbar können nicht einmal seit Jahrzehnten bekannte Technologien verwendungssicher produziert werden - und wir wollen demnächst mit Elektroautos fahren??? Sei es drum, ich hatte heute noch eine funktionierende Handlampe dabei. Deren ausschließliche Benutzung schränkte natürlich den Bewegungsspielraum etwas ein. Ich begab mich zum Eingang des im Inneren angenehm trockenen Stollens, dies ist eigentlich eher selten. Etwa 10 m nach dem Eingang befand sich ein Gesenk. Meine verschnupfte Nase meldete Alarm. Richtig, in diese Vertiefung war vor einiger Zeit ein Fuchs hineingefallen. Schwamm er zunächst am Stück im relativ bewegungslosen Wasser, hat er sich nun verflüssigt. Das Gesenk hat eine unbekannte Tiefe und diente womöglich zur Erschließung einer tieferliegenden Strecke, die wegen des vorbeistreichenden Grabens nicht bis ans Tageslicht fortgesetzt werden konnte. Den Gedanken an ein Ausloten verwarf ich gleich wieder. Während ich mit Fotografieren beschäftigt war, flog aus dem hinteren Teil des Stollens immer wieder eine Fledermaus heran, um jedesmal kurz vor mir abzudrehen. Die tat mir zwar nichts, aber das Flattern, die hohen Pieptöne und das fehlende Licht raubten mir den Nerv, so dass ich für heute umkehrte. Aber das mustergültige, gut zu befahrende Kleinbergwerk hat sicher einen weiteren Besuch verdient. Wieder draußen, folgte ich dem Graben bis zum Feldrand und hielt dann auf die Autobahnbrücke zu. Unterhalb der Brücke befanden sich Regenwassersammelbecken. Ich hörte Geräusche und sah einen Rehbock innerhalb der Umzäunung. Während ich darüber nachdachte die Autobahnmeisterei anzurufen, verschwand er plötzlich. Ich ging auf Nachschau und fand einen Graben, wo unter dem Drahtzaun 30 cm Luft waren, hier findet offenbar ein reger Wildwechsel statt. Beruhigt ging ich auf dem Flurweg an der Autobahn zurück zum Ausgangspunkt am Steinberg/Ziegenrücken.
 
Die pausenbereinigte Erkundungszeit betrug 2 h 15 min. Die Tour ist als T3 zu bewerten.
Etwaige Nachahmer sollten unbedingt folgendes mitbringen: Kenntnisse über die Gefahren des Altbergbaues und über die Standsicherheit des Gebirges, gutes räumliches Beobachtungsvermögen sowie Helm und Geleucht!

Tourengänger: lainari


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