Kurzbericht 

Eine Alternative zur Gehrenspitze: Die Gehrenspitze


Publiziert von ZvB , 16. August 2017 um 20:50.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Wetterstein-Gebirge und Mieminger Kette
Tour Datum:15 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1350 m
Abstieg: 1350 m
Strecke:16,2km

Leider ist der Kamerad am anderen Ende des Bergseils erkrankt und es wird nichts mit einer Tour über den W-Grat dieser Gehrenspitze. Damit ich mich nicht auch noch an einen neuen Namen gewöhnen muss, entscheide ich mich also für die andere Gehrenspitze. Damit es aber nicht zu einfach wird, muss es unbedingt der Aufstieg durch die Nazenlehn sein.

Der Tag beginnt mit einer erfolglosen Parkplatzsuche im Leutascher Ortsteil Gasse. Erst in Puitbach finde ich einen Stellplatz in ungünstiger Lage zum Ausgangspunkt, dafür aber kostenlos im Schatten. Die halbe Stunde bis zum Einstieg in Gasse ist in 30 Minuten erreicht. Auf der Rückseite der geschätzt einzigen Bäckerei steht eine Bank am Waldrand. Dort auf ganz wagen Spuren steil in den Wald und um einen Schutzzaun herum. Links ist in diesem Fall kürzer als rechts. Wer jetzt glaubt, das es sanfter weitergeht, hat sich mächtig getäuscht. Die ersten 400 Hm durch den Wald bleiben meist so steil oder werden noch steiler. Ganz selten gibt es eine kurze Entspannungsstrecke. Der Weg ist nicht leicht zu finden. Mal gibt es einen schwachen Farbtupfer, dann und wann ein Hauch von Steinmännchen oder ab und an den festen Glauben an eine Trittspur.
Die Freude ist dann besonders groß, als mich zwei überdeutliche Steinmänner ostentativ zu einer ca. fünf Meter hohen Felswand führen. Dann nach links. Der Weg sieht gut aus. Der Weg sieht immernoch gut aus. Dann jedoch stellt sich eine Latsche in den Weg und zwingt zum Verlust wertvoller Höhenmeter. Dabei stößt man dann eher überrascht als geplant auf einen deutlichen Weg durch eine Latschengasse und erreicht in 1492m den Einstieg in die Nazenlehn, ein 500m hoher Schlauch aus Schutt.

Anfangs kann man sich rechts haltend unter den Latschen vor der Sonne verstecken. Mit weiter voranschreitender Uhrzeit verschwindet allerdings auch diese Erfrischung. 200Hm weiter trifft man auf einen Riegel mitten durch die Rinne. Ein Loch im Fels blickt düster auf mich hernieder. Ich zwänge mich links am Rand in den Felsen aufwärts, um dann festzustellen, dass nur eine sehr windige Latschenquerung als Rückweg in die Rinne übrig bleibt. So verkratzt und mit offenen Schuhbändern am oberen Ende des Felsriegels angekommen, zeigen ein paar Markierungen, dass es auf der anderen Seite, also rechts, einen Weg durch die Latschen gibt, der sich u.U. erhobenen Hauptes beschreiten lässt. Hätte ich nur Zahels Buch aufmerksamer gelesen. Der beschreibt die Route zwar im Abstieg, aber man hätte nur links und rechts vertauschen ... ach, egal, weiter jetzt!

500Hm Schuttrinne hinterlassen ihre Spuren. Der Griff zur Wasserflasche wird fast so automatisch, wie der des Rauchers alle fünf Minuten zur Kippe. Endlich auf fast 2.000m ist der Ostgrat erreicht. Land in Sicht. Wobei man gestehen muss, dass man hier noch lange nicht oben ist. Die folgende, sehr leichte Schrofenkletterei macht Spass und endet unterhalb eines markanten Kalkriffs. Hier fühlt ein Zing sich wohl. Und siehe da, ein kurzer Schritt und ein tiefer Atemzug und der Gipfel ist in Sichtweite. Merke: Wer nach rechts hinunter schaut, schaut tief!

Hatte ich die sonnendurchflutete Schuttrinne noch ganz für mich alleine, so muss ich nun, gerade auf dem Gipfel angekommen, irritierende Gesprächsfetzen verarbeiten. "Sollen wir da runter wo der Typ gerade rauf ..." "Erna, der hat ja gar kein Seil ..." "Können Sie mal ein Foto von uns ..." "Wie bitte?" "Können Sie bitte mal ein Foto von uns ..." "Geht doch..." "Und was heisst hier eigentlich Typ" "Iss aber ne Nikon, ich weiß nicht, können Sie trotzdem ..." "Bitte zuerst mit meinem Handy" "Wo kommen Sie ..." "Sie können mich Duzen." "Wo kommst Duse denn ..." "Jar Jar Binks? Werse Duse denn???"

Endlich kehrt etwas Ruhe ein. Unter diesen Umständen ist es gar nicht so leicht ein Foto vom Gebirge und ohne Puddinghirne aufzunehmen. Das Stativ hätte ich mir zugunsten eines weiteren Butterbrotes sparen sollen. Vor lauter Nostalgie probiere ich den alten Polfilter aus. Farben gut, Schärfe weniger gut. Das bemerke ich leider erst daheim. Aber bis dahin ist es noch weit. Das Lächeln einer hübschen Frau gibt neue Kraft für den Abstieg. Weniger Worte sind oft mehr.

Der Weg führt nun sehr bequem an der Erinnerungshütte - an was könnt ich mich jetzt bloß erinnern - vorbei zum Scharnitzjoch. Das Gros biegt nach links zur Wangalm ab. Ich selbst steige demgegenüber nach rechts und zu keiner bewirtschafteten Alm ab. Das Puitegg ist Idylle für alles mögliche Weidevieh und auch den Menschen.

Die www.wanderreitkarte.de weist übrigens im Bereich des Puitegg auf "unattended cows and bulls" hin. Es wurde ja schon mit Erfolg praktiziert, den Beruf des Hausmeisters (oder war es doch der Blockwart?), also den Beruf des Hausmeisters durch den Anglizismus Facility Manager aufzuwerten. Könnte man dann nicht auch den des Viehhirten durch Animal Attendant aufwerten? Ich höre Trump schon twittern: "He's a great animal attendant with tremendous experience in great animal attendance. No more great unattended cows and bulls!" Nur so ein Gedanke auf dem langen Abstieg. Hätte ich gewusst, wie zermürbend die anschließende Autofahrt heute werden wird, hätte ich an etwas schöneres gedacht.
Die Gehrenspitze mit ihren hohen Nordabstürzen hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Der verblichene Wegweiser zum Söllerpass zeigt einfach auf die steilen Felsen.

Wie immer gibts auch ein paar Bilder zum Bericht. Die Qualität ist jedoch leider weit entfernt von einer beugungsbegrenzten Abbildung.



Tourengänger: ZvB


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