Gamsberg (Goldlochroute) - Scheffloch - Sichelchamm


Publiziert von Silvan# , 2. Januar 2017 um 22:30.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:31 Dezember 2016
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG   Alvier Gruppe 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2200 m
Abstieg: 2200 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:via ÖV nach Tscherlach, Dorf

"Die Goldlochroute ist das Eldorado für T6 Alpinisten!" schreibt Delta trefflich. Jedoch nicht nur die Goldlochroute, das gesamte Gebiet zwischen Sichelchamm und Alvier weist zahlreiche extrem schwere "Wanderungen" auf. Die Goldlochroute führt als bestechende Route im oberen Grad T6 durch die Gamsberg SE-Wand, fast 700m hoch, permanent exponiert und nahezu ohne Sicherungs- und Ruhemöglichkeit. Ansonsten wäre die Route wohl eher mit ZS, III, ähnlich dem Matterhorn, bewertet.

Routenbeschreibungen existieren hier, sowie die Berichte von Delta(1), Delta(2)Alpin Rise, adrian3614, und dani_. Interessant ist, dass einige Berichte (z.B. von dani_, sowie auch die Legende) von einem mehrere zehn Meter langen Tunnel schreiben, dani_ ist sogar 10m in den Tunnel hineingeklettert. Entweder hatte ich den Tunnel übersehen oder war er verschwunden. Ein Grund, nochmal zur Route zurückzukehren.


Lange hatte ich diverse Routenberichte der Goldlochroute studiert obwohl ich eigentlich schon immer mal auf den Sichelchamm wollte. Geplant war eine Silvestertour mit Biwack, irgendwo wo zwischen Sichelchamm und Gamsberg. Mit Biwackausrüstung, Steigeisen und Eispickel war der Rucksack schwer genug; trotzdem packte ich am Morgen dann doch noch ein zweites Eisgerät mit ein. Sicher ist sicher...

Per ÖV nach Tscherlach, Dorf  (7:24h). Kurz in der Dunkelheit orientiert, dann Aufstieg via Verachta Richtung Büchel/Sichelchamm. In Büchel hat mich dann doch die Neugier gepackt, also Planänderung und auf zur sagenumwobenen Goldroute. Um 12:00 am Einstieg, dieser ist einfach zu finden, nur das zweite Band lässt sich ganz gut aufsteigen. Das Gelände ist wie erwartet steil, abschüssig und arm an guten Griffen. Es sind ganze 80 Höhenmeter auf dem Band bis zum Goldloch. Neugierig klettere ich hinein, kann aber keinen Tunnel sehen Hab ich diesen übersehen? War ich im falschen Goldloch? Vielleicht klärt sich diese Frage ja irgendwann.

Dann weiter über den kleinen Grat erblicke ist das Felsenfenster sowie eine sehr exponierte Querung dorthin in steilstem Gras. Mein Eisgerät gibt gewisse Sicherheit. Ein paar Meter später erreiche ich das abschüssige Band welches die Rinne quert. Heieiei. wer hier fällt ist weg - 260m sind es bis zum Wandfuss. Vorsichtig taste ich mich das Band hinab, die etwas brüchigen Felsen so wenig wie möglich belastend, der einzige Tritt scheint lose. An einem Schlaghaken vorbei geht es eine lange plattige Rinne hinauf bis zum Felsenfenster. Anfangs gemütliche Plattenkletterei (II) - inzwischen sind es 350m bis zum Wandfuss - wird das Gras feucht und matschig, teils gefroren, die Felsplatten sind teilweise schneebedeckt. Heilfroh über das zweites Eisgerät nehme ich dieses heraus, dann geht es etwas sicherer bis kurz unterhalb des Felsenfensters.

Adrian3614 weist darauf hin, dass man das Felsenfenster links umgehen kann; Diese Möglichkeit war für mich leider ausgeschlossen, da die abschüssigen Felsplatten - knapp 400 m über dem Wandfuss - mit Schnee bedeckt waren. Also durch's Felsenfenster, wo man sich mit kleinem Rucksack gut festklemmen kann. Es hat einige ganz gute Griffe (III), jedoch machte mir mein sperriger Rucksack mit Biwackausrüstung zu schaffen. Etwas hin und her und mir wurde mehr und mehr klar, dass hier kein Durchkommen war. Nach dem dritten oder vierten Versuch stellte ich fest: ich bin blockiert und stecke fest! Abstieg über die nasse Rinne war mir zu gefährlich, die Traverse um das Fenster links zu umgehen zu heikel, der Weiterweg nach oben mit Rucksack unmöglich. Rucksack zurücklassen und nachziehen mangels Seil ebenfalls nicht möglich. Handyempfang war glücklicherweise vorhanden, aber noch wollte ich nicht per 1414 aufgeben. Kreativität war also gefragt. Aus Stöcken eine Nachziehvorrichtung bauen? Den Rucksack an Schnürsenkeln nachziehen? Das längst Objekt im Rucksack war der Schlafsack: Und so lies sich das Problem schlussendlich lösen: Rucksack abgezogen, in einer Felsrinne auf Kopfhöhe verklemmt und ohne Rucksack problemlos durch das Fenster geklettert. Rucksack von oben geöffnet, Schlafsack rausgezogen, damit hat sich der Rucksack aus seiner Verklemmung gelöst und konnte nachgezogen werden. Manomann, das war nochmal gut gegangen.

Kurz oberhalb des Felsenfensters drängt einen noch eine Latschenkiefer vom Grat ab, hier waren die Eisgeräte zur Sicherung wieder hilfreich. Dann ging's endlich wieder im Fluss die lange Rinne aufwärts, immer auf Reibung über die steiler werdenden abwärtsgeschichteten Felsen bis sich endlich, recht weit oben, eine Chance ergab von der Rinne nach rechts zu queren.

Gämsen hüpfen durch die Wand als wäre es ein Golfplatz und demonstrieren mir ihre Kletterkünste. Vom Gipfelgrat werde ich auch schon vom Gämsen erwartet die mich ungläubig anschauen. Nach einigen weiteren Metern konzentrierter Steilgraskletterei erreiche ich endlich, um 16:00 Uhr den Gipfel. Endlich wieder einige Quadratzentimeter(!) ebenen Boden unter den Füssen. Das Feststecken im Fenster hat mich ganze 40 min gekostet.

Erleichtert mache ich eine Pause und studiere das Gipfelbuch. Offensichtlich hat im Sommer 2014 ein Gewittersturm den Gipfelsteinmann hinweggefegt und ein gewaltiger Blitz ein beachtliches Loch in den Gipfelgrat gesprengt. In diesem Loch ruht nun das neue Gipfelbuch.

Ein Blick zurück in die Südwand entdecke ich kurz über dem Felsenfenster eine Person welche sich gemütlich, wie auf einem Abendspaziergang, umschaut. Potzblitz, bin ich nicht allein? Ist es der "dritte unheimliche Mann"? Ein Wanderstock blitzt auf, und ich akzeptiere nicht allein zu sein. Wenig später entpuppt sich die Erscheinung doch als Gämse oder Steinbock und ich bin froh noch bei allen Sinnen zu sein.

Die Traverse zum Ostgipfel erfordert nochmal Konzentration, da der Weg schmal, schneebedeckt und, wie immer sehr exponiert ist. Mit Steigeisen lässt er sich aber relativ gut gehen. Endlich erblicke ich das Doppelgleis welches, wie erhofft ein gemütliches Schneecouloir ist, der Abstieg ist ein Kinderspiel. Unten angekommen ist es Zeit die Stirnlampe auszupacken und nach einen gemütlichen Biwakplätzchen zu suchen. Unterhalb dem Schiffberg in einer Senke schlage ich mein Lager auf, geniesse mein Fondue und lege ich zur Silversternacht schlafen.

Am Neujahrsmorgen steige ich kurz zum Schiffberg auf, geniesse die Aussicht und die Sonne und entscheide über ein Couloir ins Scheffloch abzusteigen anstatt die  extrem steile T6+ Route über den Grat zu nehmen.
Zurück in der Senke schultere ich meinen Rucksack und steige an einem grossen Block vorbei nach NW ins Scheffloch hinab und zum Einstieg in die "Horrorrinne" (WoPo1961, marmotta). Diese Rinne sieht sehr steil aus und eine Gämse stolziert hindurch um mir zu ein weiteres Mal zu demonstrieren wer hier zuhause ist. Glücklicherweise ist die Rinne schneebedeckt und kann daher nicht allzusteil sein. Der Aufstieg entpuppt sich als Genussschneestapfen, wobei ich jedoch von allerlei Gämsen und Steinböcken ungäubig beäugt werde und mich fühle, als wäre ich den Spott der Gämsen und Steinböcke ausgesetzt.

Angekommen in der Westlichen Schiffloch/Schefflochlücke stellt sich die Sichelchamm Ostflanke als steinhart gefrorenes Steilgras heraus. Mit Steigeisen und beiden Eisgeräten klettert es sich fast wie Blankeis. Weiter oben wird das Gras trockener und weicher und man fühlt sich wie in bestem Firn. Am Nordgrat angekommen geht es weiter über leichte Felsen bis zum Gipfel des Sichelchamm.

Der Abstieg via Chnorren entpuppt sich als eine meiner schönsten Wanderungen überhaupt. Ein gemütliches Wegchen auf der Gratscheide, trotzdem recht exponiert (T5), jedoch im Vergleich zur Goldlochroute Genuss pur.

Eine eindrückliche Tour! Die Goldlochroute ist für mich bis jetzt die schwerste "Wanderung" welche ich gemacht habe. An Exponiertheit und psychischem Anspruch kann sie locker mit der Tödi-Westflanke, der Eiger-Westflanke oder auch mit dem Hausstock Schlössligrat verglichen werden. Im Vergleich zu diesen alpinen Routen gibt es jedoch in der Goldlochroute nahezu keine Sicherungsmöglichkeit. - Ein Eldorado für T6-Alpinisten und Sologänger eben.

Tourengänger: Silvan#


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Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

Zaza hat gesagt:
Gesendet am 3. Januar 2017 um 06:56
Prächtig dokumentiert! Der Jahreswechsel 16/17 wird dir sicher für immer unvergesslich bleiben...

Lg, zaza

Delta Pro hat gesagt:
Gesendet am 3. Januar 2017 um 10:01
Gratulation zu dieser schönen und gut dokumentierten Tour zu einer Jahreszeit, zu der wir früher mit den Skis unterwegs waren...
Gruss Delta

Bombo hat gesagt:
Gesendet am 3. Januar 2017 um 18:58
Salü Silvan

Wie Dir ausserhalb von Hikr bereits mitgeteilt, nochmals ganz herzliche Gratulation zu Deiner Top Tour. Spannend und detailliert der Bericht, eindrücklich (und für den einen oder anderen sicher auch ausladend) die Bilder.

Vielen Dank für Deine Berichterstattung - 5 Sterne deluxe!

Grüsse
Bombo

dani_ hat gesagt:
Gesendet am 11. März 2024 um 16:58
Glückwunsch zu dieser tollen, anspruchsvollen Tour! Ich war nur ein paar Meter im Goldloch, von dessen Innern aus Du ein Foto gepostet hast. Also kein Grund, auf der Suche nach einem Tunnel nochmals ins abschüssige Band einzusteigen :-)

Liebe Grüsse

dani_


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