Eyjafjallajökull (Island Teil 2)


Publiziert von frmat , 31. Mai 2016 um 19:35. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Island
Tour Datum:20 Mai 2016
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS-
Wegpunkte:
Geo-Tags: IS 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 1900 m
Abstieg: 1900 m
Strecke:40km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Per Bus/Mietwagen nach Skogar (teuer) oder per Anhalter
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Nur mit soliden Jeeps erreichbar
Unterkunftmöglichkeiten:Campingplatz in Skogar und an der Thorsmörk, Hütten am Weg (Juni-August)
Kartennummer:Blatt 4, blaue Serie Island

Nach der erfolgreichen Besteigung des *Hvannadalshnukur stand mit dem Eyjafjallajökull die zweite Bergtour an. Überraschenderweise ist der Berg auf Hikr bislang nicht beschrieben, dabei waren wir davon ausgegangen, dass der Vulkan seit 2010 in halb Europa bekannt sein dürfte. Damals gab es am Berg selbst sowie am benachbarten Fimmvordurhals gewaltige Eruptionen, die für tagelange Flugausfälle auf dem Kontinent sorgten. Genaugenommen bezeichnet Eyjafjallajökull garnicht den Berg sondern den Gletscher ("Jökull" ist die isländische Bezeichnung für Gletscher). Der darunter liegende Vulkan ist der Eyjafjöll und der höchste Gipfel wird als Gudnarstein bezeichnet. Mit 1666m (in manchen Quellen 1651m) war dieser Buckel unser Ziel. Unser Plan sah vor, den Sattel zwischen Eyjafjallajökull und Myrdalsjökull als Hochlager zu nutzen, von dort den Gipfel anzusteuern und nach Norden weiter zur Thorsmörk abzusteigen. Zwischen Skogar und Thorsmörk verläuft ein Wanderweg, der bei guten Bedingungen den T3-Bereich nicht überschreitet.

Freitag, 20.05.16: Lager oberhalb Skogafoss - Hochlager Fimmvordurhals
Am Vortag bezogen wir wenig oberhalb des vielbesuchten Skogafoss unser Nachtlager. Von unserem Tagesziel trennen uns noch gut 13km und dank kleinerer Gegensteigungen ca. 900Hm. Klingt nicht nach viel, wird aber dank vollen Rucksäcken und ordentlicher Schneelage doch eine sinnvolle Halbtagesbeschäftigung.
Gegen neun verlassen wir das aufgeräumte Stück Moos und halten uns nordwärts. Vorbei an unzähligen Wasserfällen schrauben wir uns nach oben. Der Weg ist nicht zu verfehlen und bleibt auf der Südseite sogar im T2-Bereich. Wieder liegt die Schneegrenze bei etwa 600mH. Eine Brücke leitet über den Fluss, der ganz unten den Skogafoss ausbildet. Das nächste Zwischenziel ist eine Hütte, ca. 45Min vor dem Pass. Dieser heute unbewirtschaftete Blechcontainer steht offen. Unser Mund auch als wir drinnen lesen, dass die Übernachtung im Matratzenlager (also wirklich NUR das, also quasi eine Biwakschachtel, de facto fast nischt!) 45€ kosten soll. "Frech" wäre noch ein nettes Wort. Dagegen ist die Schweiz ja schon lachhaft billig. Ich kann ja wirklich verstehen, dass die Isländer vom Tourismus profitieren möchten, aber in diesem Falle weiß ich nicht ob ich's noch unter Geschäftsgeist oder unter mieser Abzocke einordnen soll.
Die Entscheidung zur nächsten Hütte am Pass weiterzugehen war folglich schnell gefallen. Was uns wohl dort für Preise blühen? Ha, gar keine. Die Hütte ist nämlich zu, keine Menschenseele weit und breit (5h, T2).
Die Biwakmöglichkeiten rund um die Hütte sind begrenzt, das Gestein sehr scharfkantig und nicht gesund für den Zeltboden. Kurzerhand besiedeln wir die Terrasse. Als das Zelt steht entdecken wir eine Wandergruppe, die sich gerade (17h, schon recht spät) zum Pass hochkämpft, und aus nicht weniger als 29 Personen besteht. Wohl eine geführte Wanderung, die übrigens ca. 200€ (!) (in Worten "zweihundert") kostet. Wenn ich von vier Guides ausgehe komme ich pro Tour auf einen Umsatz von 5000 €. Wir überlegen, kurzerhand einen Ferienjob anzunehmen. Glücklicherweise kommen die nicht auf die Idee die Hütte zu belagern, das Zelt steht vor dem Eingang. Sie marschieren weiter und dürften die Thorsmörk nicht vor 22h erreichen. Uns ist's egal. Wir genießen einen einsamen aber kalten Abend, der großteils mit Kochen vergeht. Wir bereiten sechs Liter Wasser und stellen die Wecker auf 1h nachts.

Samstag, 21.05.16 - Hochlager - Eyjafjallajökull - Thorsmörk
Wie fast immer bei derartigen Unternehmungen verfluche ich mein Hobby sobald der Wecker klingelt. Dementsprechend erleichtert bin ich, als ich um 1h aus dem Zelt gucke. Außer einer grauen Suppe und Schneeflocken ist nämlich nichts zu sehen. Neue Weckzeit 3h. Es sieht nicht so aus als ob wir heute einen Gipfelversuch starten können. Aber wie sooft in diesem Urlaub zahlt sich Geduld aus. Nicht nur beim Trampen, auch beim Wetter.
Um 3h hat es tatsächlich ein wenig aufgemacht und wir beschließen zumindest mal zu kochen. Gegen halb fünf blinzelt die Sonne über den Myrdalsjökull und taucht die Hänge in ein kitschiges Licht. Es ist eiskalt aber es scheint ein weiterer perfekter Gipfeltag zu werden. Der Weg dorthin ist absolut trivial. Man wandert einfach nach Westen die sehr flachen Gletscherhänge hinauf, sollte sich aber von der erwähnenswerten Horizontaldistanz von beinahe 8km nicht täuschen lassen. Nach 3h monotonen Spazierens in faszinierender Umgebung erreichen wir die gewaltige Caldera. Der mehrere Gipfel tragende Kraterrand kulminiert auf seiner Südseite im 1666m hohen Gudnarstein. Es wird ein wenig steiler und wenig später sehen wir vom 1650m hohen Vorgipfel das letzte Hindernis. Auch an diesem Berg ist es erst das Schlussstück, welches Steigeisen fordert. Ohne geht's tatsächlich nicht. Nach rechts fällt die Caldera steil ein und wir halten respektvollen Abstand zur großen Wechte. Wenige Schritte später ist es dann geschafft. 1666m geben heute das Gefühl auf einem exklusiven Gipfel zu stehen (3,5h, WS-). Laut Karte ist diese Route so nicht vorgegeben, stattdessen aber eine aus Nordwesten, welche sich uns aber auch später nicht erschließt. Bei Windstille, was in Island einem 6er im Lotto gleichkommt, bleiben wir eine halbe Stunde oben und genießen die Rundumsicht. Im Süden kann man den Atlantik ausmachen, im Norden die Berge von Landmannalaugar. Im Osten steht die mächtige Katla unter dem Myrdalsjökull und im Westen setzt sich die Caldera fort. Wirklich ein schönes Plätzchen hier oben.
Gegen neun machen wir uns an den Rückweg um das Rennen gegen den faulen Firn nicht ganz zu verlieren. Lediglich die letzte Stunde ist doch mühsam und zum ersten Mal kommen wir so richtig ins Schwitzen, was uns aber sowas von egal ist.
Bei der Hütte füllen wir Flüssigkeitsspeicher und Rucksäcke, essen ausgiebig und machen uns wieder auf den Weg. Wenn möglich würden wir schon gern unten schlafen und beim Kochen nicht mehr frieren. Das bedeutet aber noch einen längeren Fußmarsch wieder mit vollem Gepäck.
Zunächst traversieren wir hinüber zum Pass und überqueren anschließend die Hochfläche, die seit der Eruption von 2010 um einige Krater reicher ist. Die neu entstandenen Magni und Modi werden natürlich auch noch mitgenommen, ein geographischer Leckerbissen jagt den nächsten. Schließlich leiten steile Schneehänge hinab auf eine weite Hochebene. Technisch kommen nun ein paar anspruchsvollere Stellen, bei denen ein Sturz nicht immer glimpflich ausgehen täte. Schließlich wird der Abstieg noch durch eine spektakuläre Schlucht gekrönt, die für sich genommen schon ein Wanderziel darstellt. Kurz vor dem Campingplatz Basar wird das Nachtlager aufgebaut. Cooler Tag, schöner Platz, kein Wind, viel Sonne. Die Whiskyflasche kommt zum Einsatz...

Sonntag, 22.05.16: Thorsmörk - Hveragerdi
Ob's nun am Whisky oder an der Anstrengung vom Vortag lag bleibt ungeklärt. Jedenfalls schliefen wir ein wenig zu lang und mussten mit ansehen, wie unsere potentiellen Taxis vor uns abfuhren. Der Weg von der Thorsmörk zurück in die Zivilisation ist nämlich nur mit seriösen Offroadfahrzeugen der ganz robusten Art zu machen. Oder zu laufen, was angesichts mehrerer Flussquerungen keine leichte Sache darstellt. Wieder ist Geduld gefragt, die Zeit über schon mal gelaufen, ehe ein breiter Fluss den Morgensport unterbricht. Praktischerweise hatte ein Monstertruck noch Platz auf dem Anhänger.
Das Highlight des Tages nähert sich schließlich in Form eines hellblauen Landrovers und seinem Fahrer. Landsmann Wolf zuckelt ein halbes Jahr durch Island und freut sich ebenso wie wir über eine unterhaltsame Fahrt. Wir rumpeln gemeinsam zum Seljalandsfoss und kochen abseits des Trubels Kaffee. Während sich die Masse nur auf den großen Wasserfall stürzt nehmen wir uns den nur wenige 100m links liegenden kleinen Bruder vor. Dieser sitzt hinter einer Felsspalte und man bekommt ordentlich was ab, will man sich das Schauspiel aus nächster Nähe gönnen. Sollte man auch tun, ist wirklich sehr sehenswert. Wir wandern noch über die Klippen und um den großen Wasserfall.
Dank der vielen Touristen müssen wir wieder nicht lange auf ein Shuttle warten. Ein deutsches Pärchen fährt uns netterweise nicht nur zum geplanten Ziel bei Hveragerdi sondern nimmt uns gleich noch mit zum Einkaufen. Hveragerdi ist ein nettes Örtchen und bekannt für sein Geothermalfeld. Statt dem dritten Berg wollen wir uns nun entspannen und machen wieder einen Volltreffer. Ca. 3km oberhalb des Ortes befindet sich ein Wanderparkplatz und nach weiteren 3,5km Fußmarsch ein kleines Badegebiet. Kosten: Niente. Spaßfaktor: Ganz hoch! Wir verstehen wirklich nicht, warum alle Welt zur Blauen Lagune pilgert und für diesen Käse auch noch 50€ zahlt. Wir sind eines von 4 Zelten und baden fast bis Mitternacht.

Montag, 23.05.16: Hveragerdi
Mal was ganz Neues auf unserer Reise: Regen. Ja, zum ersten Mal regnet's so richtig. Daher verlassen wir die Schlafsäcke erst um 14:30h. Da es eh den ganzen Tag hell ist, macht es ja kaum was aus, wann man den Tag beginnt. Daher gibt's heute auch nur Relaxen, Einkaufen und auch eine echte Unterkunft, Frumskogar, sehr empfehlenswert und mit 45€ p.P. auch recht günstig.

Dienstag, 24.05.16: Golden Circle
Das Standardprogramm des Islandreisenden ist der Golden Circle. Keridkrater, Geysir, Gulfoss und Thingvellir sind durchaus schön anzuschauen aber erwartungsgemäß sowas von überlaufen, dass wir wirklich enttäuscht von diesem Tag sind. Der Sturm treibt uns schließlich nach Reykjavik.

Mittwoch, 25.05.16: Reykjavik
Die nördlichste Hauptstadt der Welt ist in einem Tag locker anzuschauen. Neben Touriläden, Kunstgalerien und teuren Restaurants hat es nicht wirklich viel.

Donnerstag, 26.05.16: Reykjanes
Für den letzten Tag gönnen wir uns einen Mietwagen und sehen uns neben einigen Outlets die Halbinsel Reykjanes an. Unter anderem statten wir der blauen Lagune einen Besuch ab, aber nur zum gucken, gebadet sind wir ja schon. Interessant sind noch ein paar Geothermalgebiete sowie die Kontinentbrücke, die  - weitaus schöner als Thingvellir - tatsächlich die eurasische mit der nordamerikanischen Platte verbindet.

Ein paar Eindrücke zum Schluss:
Anreise: Von fast allen deutschen Flughäfen gibt es Direktflüge nach Keflavik Int. Airport. Reykjavik selbst hat nur einen Inlandsflughafen. Die günstigsten Anbieter dürften derzeit Easyjet und Germanwings sein. Flugpreis bei uns: 370€.
Mobilität im Land: Überlandbusse sind eine sinnvolle aber auch teure Variante für alle, die nur ab und an ein wenig herumreisen. Mietwagen sind sagenhaft teuer (65€/Tag für einen Kleinwagen, ab 100€/Tag für 4x4, ab 250€/Tag für einen Camper). Zudem wollen sie einem noch unendlich viele Versicherungen andrehen, die kein Mensch braucht. Auch Fahrradfahrer haben wir gesehen, aber nur recht wenige.
Unterkünfte: Einfache Sachen kosten ab ca. 40€ p.P./Nacht, Hotels mehr. Campingplätze sind ebenfalls nicht günstig. Wildes Biwakieren wird zwar fast überall geduldet, aber ist ja nicht die Lösung, wenn's jeder tut. Dass wir die Plätze in einem Topzustand hinterlassen haben versteht sich von selbst. Die Berghütten sind preislich eine Frechheit.
Wetter: Wechselhaft trifft's wohl am besten. Wir hatten Höchstwerte von ca. 10°C bis Tiefstwerte von -22°C am Hvannadalshnukur. Gutes Equipment ist angebracht. Die beste Reisezeit liegt unserer Meinung nach im Frühsommer, also jetzt. Da ist es zwar etwas kälter, dafür hat man mehr Sonne. Im Hochsommer regnet es mehr.
Preise: Dieser Punkt hat uns durchaus enttäuscht. Dass Island teuer ist war uns klar. Dass Island SO teuer ist nicht. Die Preise reichen von überzogen bis unverschämt. V.a. geführte Ausflüge jedweder Art sind eine absolute Frechheit. Hat teilweise jegliche Realität verloren.

Am Abend fliegen wir zurück und landen am frühen Morgen wieder in Stuttgart. Hinter uns liegt eine eindrücklich Reise, nette Menschen (Danke!), gutes Wetter, tolle Berge, eine Hammerlandschaft.

Tourengänger: frmat, Benniben


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Kommentare (5)


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Sputnik Pro hat gesagt:
Gesendet am 31. Mai 2016 um 20:28
Hallo,

Ich hatte nach dem höchsten Isländer ebenfals eine Besteigung von Eyjafjallajökull geplant, doch wegen Dauerregen und einem Tiefdruckgebiet fiel die Tour wortwörtlich ins Wasser - schade. Schön hbt ihr's geschafft. Gratulation zum eindücklichen Gletschervulkan!

Gruss, Sputnik

frmat hat gesagt: RE:
Gesendet am 31. Mai 2016 um 23:20
Merci, schade dass es bei dir nicht gepasst hat. Aber die Insel ist ja nicht weit weg und bestimmt umso interessanter, wenn mal wieder ein Vulkan ausbricht...

Eszti hat gesagt:
Gesendet am 6. Juni 2016 um 13:50
Hallo,

danke für die super Tourenberichte über Eyjafjallajökull und Hvannadalshnukur!
Helfen sehr viel für die Planung. Wir fliegen im Spätsommer und haben vor genau diese zwei Gipfel zu besteigen! :)
Habt Ihr zufällig GPS-Track aufgezeichnet?
Danke und Grüße,
Eszter

Benniben hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. Juni 2016 um 16:52
Hallo,
jawohl, wir haben für beide Touren die GPS-Tracks aufgezeichnet (und für den Rückweg vom Hvannadalshnukurselbst für den Rückweg im Nebel benötigt :-)).
Ich habe die gpx.-Dateien nun unsren Tourenberichten angehängt (Downloadlink direkt oberhalb der Fotos).
Bitte beachten: Die Route war an UNSERM Gipfeltag nach unserm Empfinden ideal, was nicht heißt, dass dies in ein paar Wochen noch so sein muss. Als Anhaltspunkt kann sie sicher allemal dienen.

Eszti hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. Juni 2016 um 19:15
Hi,
super, vielen Dank! :)
Eszter


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