Chapelle de Saint-Michel de Cousson (1460m)

Es gibt da die besonderen Touren, die einen bewegen und berühren. Wie ein guter Wein, der durch Farbe, Geruch und Geschmack überzeugt, bei dem dann der Ton des Glases auch noch das Gehör erfreut. Diese hier ist auch so eine. Man kann sich einfach nicht satt sehen auf dieser Tour. Im Aufstieg ist man der Natur am Wege ganz nahe, im Mittelteil, dann etwas Beruhigung im Wald und dann das große Finale - und der Rückweg zeigt einem die Natur in der Ferne. Doch lesen Sie selber, oder noch besser erwandern Sie sich diese Tour.
 
Los geht's auf dem überraschend großen Wanderparkplatz des kleinen Ortes Entrages. Um den zu erreichen fährt man von Digne-Les-Bain die D20 nehmend an den Kuranlagen ("Thermes") vorbei und zweigt dann auf die kurvige D120 ab. Schon hier packt einen das "Landschaftsfieber". Die Durchfahrt im Ort zum Parkplatz ist eng und nichts für Wohnmobile.
 
Einen, der schon bekannten Wegweiser mit Name, GPS-Position, Höhe (960m) und den Richtungszeigern mit Entfernung- und Zeitangaben, findet sich auch am Parkplatz. Die Zeitangaben sind wie immer was für sportliche, sollen doch 4 km mit einer Steigung von 300m in einer Stunde bewältigt werden. So steht für das erste Zwischenziel "Pas d'Entranges" 40 Minuten Gehzeit auf dem Ziel. Nach meiner Bummelrechnung, 3 km in einer Stunde plus je 300 Höhenmeter eine Stunde extra, würde da 90 Minuten stehen, wir sind ja nicht auf der Autobahn.
 
So geht's also um kurz vor eins endlich los. Zunächst auf einem geschotterten Fahrweg, dann, später, auf einem feinen Wanderweg immer am Hang entlang aufwärts. Mit jedem Schritt gibt es etwas zu sehen, wahlweise in der Ferne die sich streckenden Gipfel, oder ganz Nahe die Blumen und Schmetterlinge. Die Nase ist gefüllt mit wildem Thymian und die letzten Reste des wilden Lavendels erinnern uns an den schon fast vergangenen Sommer. Das zunächst dominante Dorf wird immer kleiner und duckt sich in das Tal, die Straße wird erkenntlich, "schau mal an den schwarzen Hängen sind wir gerade vorbeigefahren".
Weder das Zwischenziel "Pas d'Entrages", noch die in der Karte verzeichnete Spitzkehre ist im Gelände zu erkennen, es heißt einfach gehen. Unter einer kleinen Klippe wird der Weg einmal ein bisschen felsiger, aber nichts stört den gemächlichen Höhengewinn. Dann die Spitzkehre und bald schon umfängt uns das erste Gebüsch, ein Blick zurück auf die beherrschende "Barre de Dourbes" und dann sind wir auf dem "Pas d'Entranges". Ein Blick zur Uhr 1 Stunde 20 Minuten, das könnte schneller gehen, muss es aber auch nicht.
Jetzt geht es auf dem Grat entlang. Die Flanken sind bewachsen aber doch steil, man wandelt quasi auf dem "Kirchdach" aber ganz sicher und bequem. Bald wird der Weg deutlich steiler, ich spotte, dass es jetzt auf den "Kirchturm" geht. Als der Wald dann auch auf der rechten Seite dicht wird, schwenkt der Weg an den Hang und belohnt die Plackerei mit einem wunderbaren sanft steigenden Weg im kühlen Walde. Zwischen den Bäumen kann man den einen Gipfel des Cousson sehen, mit Zufahrtsstraße und Sendemast. Dann endet der Wald und man betritt einen grasigen, leicht verbuschten Hang und wir erreichen bald den Pass "Le Merle" in 1395m Höhe. Der Blick zur Uhr, für die knapp 200 Höhenmeter und 1,5km waren wir eine Stunde unterwegs, ach ist das schön. Jetzt geht's noch mal tüchtig rauf auf das Obergeschoss des Cousson, 160 Höhenmeter in 300m Strecke. Und dann fällt alle Last von einem ab. Eine Gämse oder Mufflon flitzt in den Steilhang, nur gut das unser Hund Leo es nicht gesehen hat, die grasige Ebene liegt wie ausgerollt vor uns.
Nicht weit sehen wir die kleine Kappelle "Saint Michel de Cousson" auf einem Sporn über dem Abgrund. Die Weite der Provence streckt sich bis zum Horizont. Es ist jetzt kurz vor Vier am Nachmittag, man könnte noch auf den Gipfel des Cousson steigen, wo bei guter Fernsicht der weite Blick in die Provence u.a. zum Mont Ventoux lockt. Wir entscheiden uns aber dafür, es für heute gut sein zu lassen. Packen unser Essen und Trinken aus und genießen diesen unglaubliche Flecken Erde.
Ich denke an die Menschen die das Baumaterial hier hoch gebuckelt haben, im Glauben an ein besseres Leben, sei es im Diesseits oder im Jenseits. Unten im Tal herrscht das betriebsame Leben, große Straßen, die Eisenbahn, ein Tunnel auf dem Weg in die Berge. Hier oben herrscht Ruhe, Erholung, hier ist das ruhige Leben. Trotz der Prominenz des Platzes, sehen wir kaum andere Menschen, niemand stört, alles ist ruhig. So langsam müssen wir wieder los, der Tag neigt sich dem Ende und wir wollen ja nicht hetzen.
Zum Abschied schickt der Himmel ein Klecks Sonne auf das Kirchlein um mir ein schönen Foto zu erlauben. Dann steigen wir ab. Die "Barre de Dourbes" die den Vorgipfel des Cousson überragt verschwindet beim Abstieg, die Wiese und der Wald lassen jetzt bei tiefstehender Sonne schon den Herbst erahnen. Über "Kirchturm" und "Kirchdach" erreichen wir bald den Hang den es jetzt zum Auto abzusteigen gilt. Alles ist jetzt milder und wir können bei jeden Schritt genießen, wie sich die Kulissen verschieben, die Schatten wachsen. Das Dorf, erst winzig klein, wird nach und nach größer.
Es ist sechs Uhr als wir wieder am Auto sind. Ach war das schön!
 
Karte: IGN 3440 ET, 1:25000 für die übersichtliche Wegführung eigentlich nicht nötig.
Alternativ, Karte mit Wandertouren: "Alpes de Haute-Provence Carte de randonnée pédestre" 1:50000 mit 21 Tourenvorschlägen rund um Degne-les-Bains, erhältlich für 2 Euro in der Touristeninformation in Digne-Les-Bains
Reiseführer von Ralf Nestmeyer "Haute-Provence, Haute-Alpes" mit 14 Wanderungen und Touren, ISBN 987-3-89953-687-4