Sturz mit Pickel auffangen?


Publiziert von Basileus, 17. August 2020 um 17:51. Diese Seite wurde 2538 mal angezeigt.

Hallo zusammen

Ich habe mir gerade die Routen zum Mönch angesehen (hätte mir das aufgrund der Beschreibungen zugetraut, allerdings schreckt mich die Einstufung ab) und bin dabei auch auf die "vielen" Unfälle und Todesfälle aufmerksam geworden.

"Viele" weil das rein die absoluten Zahlen sind. Ich vermute der Berg wird relativ oft begangen, kommt man doch mit der Bahn bequem auf die letzten 600hm heran. Entsprechend vermute ich wagen sich Berggänger an den Gipfel, die def. nicht fähig dazu sind bzw. das Equipment dazu gar nicht haben. Wie gesagt, Vermutungen, ich möchte auf keinen Fall ein Urteil über die Opfer fällen oder sogar sagen "selbst" Schuld. Das steht mir nicht zu.

Statistiken aus dem Jahre 2011 haben aber gezeigt dass die Opfer alles Ausländer waren (selbstverständlich ist ein schweizer Bergsteiger nicht per se besser) und am späten Nachmittag und/oder bei schlechtem Wetter verunglückt sind, was man als erfahrener Bergsteiger beides eher vermeidet. Leider gab es in der Statistik aber keinen Hinweis auf das Material, ob Pickel und Steigeisen benutzt wurden. Lediglich wurde festgestellt, dass die Opfer nicht angeseilt waren. Allerdings gibt es dazu ja genügend Diskussionen, das möchte ich hier nicht lostreten.

Sei's drum, soweit die Einleitung was ich mir überlegt habe :-)

Da stellte sich mir die Frage, könnte man sich eigentlich in einer Firn/Schnee-Flanke bei einem Sturz mit dem Pickel auffangen? Also selbstverständlich kann man, die Frage wäre eher, bis zu welcher Neigung geht das? Und was für einen Einfluss hat die Unterlage? Eis? Firn? Weicher Schnee? Sulziger Schnee?
Gibt es da Studien, Versuche oder Erfahrungen?

Ich habe Rutschen und Auffangen mit dem Pickel auch schon geübt. Das ging relativ gut, aber ich habe keine Ahnung welche Hangneigung dies war, vermutlich eher nicht so steil. Und in einer Übung weiss man ja auch was kommt, ein Ausrutscher am Berg kommt ja überraschend.

Vielleicht noch eine Klarstellung: Ich frage rein aus Interesse, es geht hier nicht um meine Tourenplanung. Es geht auch nicht um eine konkrete Flanke oder einen konkreten Berg. Der Mönch war nur quasi die Herleitung.

Vielen Dank für jegliche Hinweise und Inputs, ich bin gespannt :-)
Schönen Abend noch und liebe Grüsse



Kommentare (21)


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Alpin_Rise hat gesagt: Konkrete Aussagen...
Gesendet am 17. August 2020 um 19:10
... zu diesem Thema gibts wohl kaum. Je flacher und bis zu einem gewissen Grad weicher der Hang und je kontrolliert stürzend und geübter der/die Pickelhaltende desto besser.

Studien und profundes zu diesem Thema gibts im berg und steigen, z.B. diesen Artikel.

Gut brems und
G, Rise

Nyn hat gesagt: RE:Konkrete Aussagen...
Gesendet am 18. August 2020 um 12:34
Danke f die Links

wildchip hat gesagt:
Gesendet am 18. August 2020 um 01:23
Hauptfaktoren können sein:
- Hangneigung
- Härte der Oberfläche
- Glitschigkeit der Oberfläche
- Dicke einer weichen Firnauflage
- Erfahrung, Reaktionsgeschwindigkeit, Technik, Erschöpfung
- Handschuhe ja/nein, Steigeisen ja/nein

Wenn sich wer die Mühe machte, ließe sich vermutlich eine Funktion und Relationen beschreiben, welche auf Wahrscheinlichkeitskorridore, einen Abrutscher zu halten, hindeuten würden.

Es ist was ganz anderes, bei einer weichen Auflage ohne Beteiligung von hartem Firn oder bei moderater Steilheit 30 - 35° Grad bei griffiger Oberfläche Rutscher abzufangen.

Auf glashartem Eis schätze ich man hält einen Sturz nicht mehr bei 10 - 15° Steigung.

Auf hartem, gefrorenem Firn schätze ich man hält bei 30° gar nichts mehr.

mong hat gesagt:
Gesendet am 18. August 2020 um 02:34
Der Pickel spielt wahrscheinlich auch ein Rolle. Form, Material, Gewicht.

dominik hat gesagt:
Gesendet am 18. August 2020 um 07:34
Tönt abgedroschen, aber: Nicht stürzen! Bei harter Oberfläche (Überfrorener Firn, Blankeis) müsste man sehr schnell und entschlossen handeln, um die Beschleunigung zu unterbrechen. Ich versuche beispielsweis auf solchen Oberflächen meine Wegwahl möglichst im Bereich von raueren Oberflächen oder eingefrorenen Steinen zu wählen, in der Hoffnung, dass jene bremsend wirken.

Gesendet am 28. Januar 2021 um 12:17
Genau, mach ich auch!

kopfsalat hat gesagt:
Gesendet am 18. August 2020 um 08:00
In Pit Schubert's "Sicherheit und Risiko in Fels und Eis, Band I" gibts ein paar Versuchsreihen zum Abstürzen.

"Auf harten Firnhängen liegt die Fallgeschwindigkeit in der Grössenordnung der des Freien Falls(!) ..."

Kris hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. August 2020 um 09:18
Für mich auch die beste Quelle, da relativ repräsentativ und da hier mit hohem Aufwand Versuchsreihen betrieben werden! Auch zu anderen Themen sehr relevant + interessant!

Stefan_F hat gesagt:
Gesendet am 19. August 2020 um 16:18
Ganz grundlegend ist doch hier festzuhalten: Auf Firngraten kann nun mal nicht effektiv gesichert werden. Also ist stürzen, die dominik schon sagt, schlicht verboten. Klingt platt, bedeutet aber nichts anders als die Route zu meiden wenn man unsicher ist und es zeigt, dass die Aussage des Themenerstellers: " Lediglich wurde festgestellt, dass die Opfer nicht angeseilt waren." in die Irre führt. Zur Minimierung des Unfallrisikos sollte man unangeseilt gehen, wenn die üblichen Faktoren zu diesem Thema nicht zutreffen. (Führerseilschaft, Seilschaft steigt auf verschiedenen Hangseiten, aktive Seilsicherung, genügend große Seilschaft...).

Selbst wenn man im Affekt den Pickelrettungsgriff anwendet, so ist doch die Wahrscheinlichkeit groß, aus Instinkt mit den Füßen bremsen zu wollen. Sobald man sich so aus dem Hang heraus katapultiert hat ist klar wohin die Reise geht. Pit Schubert bemerkte ja auch treffend: "Die Gefahr eines Spaltensturzes wird generell überschätzt, die eines Mitreißunfalls generell unterschätzt."

Ich wünsche allen Bergsteigern niemals in diese Situation zu kommen oder das mit ansehen zu müssen!

Stefan

Clariden hat gesagt: Mönch SO Grat
Gesendet am 24. August 2020 um 22:32
Anlass zu den Überlegungen war der Mönch SO-Grat.
Die Einstufung als WS+ oder ZS- trägt der Exposition des Grates kaum Rechnung. Meines Erachtens ist das aber häufig bei der Hochtourenbewertung so. Da wird die technische Schwierigkeit im Fels und Firn, bzw. deren Steilheit bewertet. Ein exponierter waagerechter Grat fällt nicht oder kaum ins Gewicht.
Finde ich durchaus problematisch. Ich spüre auch deutlich mehr "Anspannung" auf solchen exponierten Graten, als in steilen Flanken.
Die Chance einen Sturz auf dem Mönch SO Grat mit Pickelbremse aufzufangen halte ich für nicht sehr hoch, auch auf der Südseite zu steil, auf der Nordseite sowieso.
Habe den mal an einem Mittag Ende Juli gemacht, was mir in diesem Fall lieber als der Morgen war. Gegenverkehr stelle ich mir da ausgesprochen unangenehm vor. Der Schnee war da noch o.k.
Bis zu Beginn des Firngrates zu gehen ist unproblematisch,
dann muss man sich nüchtern die Frage stellen, ob man weiter geht. Ist wahrscheinlich auch von Jahr zu Jahr verschieden, wie exponiert er ist, zumindest manchmal ziemlich exponiert.
Und Seil macht allenfalls in der Führer-Kunde Konstellation Sinn, da schließe ich mich Stefan_F an.
Die Stangen enden da, wo man sie (als Seilschaft) gerne hätte. Aber auf dem Firngrat, jedenfalls da, wo er exponiert, aber fast waagerecht ist, fehlt offenbar der Untergrund, um sie zu verankern


Basileus hat gesagt: RE:Mönch SO Grat
Gesendet am 25. August 2020 um 01:55
Hallo Clariden

Danke für den Input.

Wie erwähnt war die Route auf den Mönch nir Ausgangspunkt der Überlegungen, nicht aber ein konkretes Beispiel.

Denke wir sind uns einig dass es dort nicht viel zu halten gibt, auf beiden Seiten des Grates. Vielleicht mit bestem Schnee, perfekter Pickelform und sofortiger, perfekter Ausführung der Pickelbremse hätte man eine Chance. Vielleicht. Sowieso unwahrscheinlich dass die Bedingungen allesamt zutreffen.

Ob gehen am kurzen Seil sinnvoll ist, wird ja generell immer heiss diskutiert. Wichtig ist die Erwartung an das kurze Seil. Man kann damit nicht einen Sturz halten oder danach abbremsen. Das kurze Seil ist dazu da einen Rutscher aufzufangen und den Sturz zu verhindern. Stürzt man ist es zu spät.

Auf einem Grat kann das kurze Seil oder vielleicht eher halblange Seil je nach Bedingungen auch helfen, um auf die andere Seite des Grats zu springen als der Stürzende. In Theorie natürlich. Es muss dann auch die richtige Person stürzen, man muss die sofortige Reaktion haben, nicht Zögern den Abgang herunter zu springen und der Grat muss die richtigen Bedingungen liefern. Hat es Wechten und man muss in die Flanke ausweichen geht die Methode gar nicht. Ist der Grat vereist würde ich mir gut überlegen das Risiko zu nehmen. Ohne Wechten, mit Schnee/Firn und Spur mitten auf dem Grat hat man eine Chance.

Ich finde das kurze Seil auch sinnvoll unter Partnern. Entweder ist das Niveau unterschiedlich oder man hat je nach Unterlage halt mal Stärken und Schwächen. Wichtig ist eben die Erwartungshaltung.

kopfsalat hat gesagt: Gehen am kurzen Seil
Gesendet am 25. August 2020 um 11:04
> um auf die andere Seite des Grats zu springen als der Stürzende.

Das lese ich zwar immer wieder aber gibts wirklich dokumentierte Fälle (mit Quellenangabe), wo das in der Praxis funktioniert hat oder ist das nur Theorie, Wunschdenken oder bestenfalls Hörensagen?

Stefan_F hat gesagt: RE:Gehen am kurzen Seil
Gesendet am 25. August 2020 um 13:21
Interessant wird es wenn z.B. der Seilzweite meint, der Seilerste würde stürzen und sich auf die andere Seite des Grates wirft, der Seilerste aber gar nicht stürzt... Schnell zu reagieren ist ja hier das A und O. Je mehr Gedanken ich mir darüber mache, desto gruseliger wird es.

Ich kenne selbst keine dokumentierten Fälle, wohl aber die Praxis gleich von Anfang an auf verschiedenen Seiten des Grates mit dem Seil verbunden zu steigen. Z.B. an der Aiguille de Bionnassay (Grat zum Piton de Italien) wird das ab und an so gemacht.

mong hat gesagt: RE:Gehen am kurzen Seil
Gesendet am 26. August 2020 um 22:26
Bei uns hat es damals funktioniert.
Beim Abstieg vom Schärhorn (Klausen).

jimmy hat gesagt: RE:Mönch SO Grat
Gesendet am 25. August 2020 um 23:06
Zum Thema Gehen am kurzen Seil:
Da erinnere ich mich an einen tödlichen Absturz am Bietschhorn, weil das Seil anlässlich eines banalen Ausrutschers in einer Felsspalte glatt durchtrennt wurde.

Clariden hat gesagt: Unfall am kurzen Seil
Gesendet am 26. August 2020 um 09:16
https://www.hikr.org/tour/post8572.html
von Bombo un Schlumpf so berichtet, lesenswert!

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Unfall am kurzen Seil
Gesendet am 26. August 2020 um 15:50
Pickelbremse ja, aber nicht kurzes Seil (soweit das aus dem Bericht rauszulesen ist).

G, Rise

Basileus hat gesagt: RE:Unfall am kurzen Seil
Gesendet am 10. Februar 2021 um 13:33
Danke für den Link!

Eins vorneweg, ich möchte niemanden kritisieren. Vor dem Computerbildschirm steht es mir nicht zu über Situationen vor Ort zu urteilen.

Mir ist im Bericht folgender Satz ins Auge gefallen:
"- Trotz Spaltensturz-Gefahr am Kurzzeil gehen - die Gefahr eines Ausrutschers ist dort grösser"

Da ich erst mässig erfahrener Berggänger bin halte ich mich vermutlich noch mehr an die gelernte Theorie (SAC). Diese empfiehlt dass wenn beide Gefahren nicht vernachlässigbar sind, man in Seillängen sichern muss.

Leider benötigt dies Zeit und ein aufziehendes Gewitter wiederum limitiert den Faktor Zeit. Da ist man dann im Dilemma.

Clariden hat gesagt: Dreier-Seilschaft am kurzen Seil
Gesendet am 27. August 2020 um 18:49
Vor 2 Jahren am Weisshorn Ostgrat beobachtet. Ich war am Ende des Firngrates vor den Gipfelfelsen angelangt, die Dreierseilschaft hatte den Nordgrat gemacht und befand sich im Abstieg von den Gipfelfelsen. (In Abstiegsrichtung wäre es einfacher gewesen etwas weiter nach rechts auszuholen, das sieht man aber von unten besser als von oben)
Sie sind ziemlich in der Mitte abgestiegen und somit direkt auf den Firngrat, der da insgesamt sehr flach ist.
2 Bergsteiger waren bereits unten, der letzte hatte auf der unangenehm nassen und mit Geröll bedeckten Felsplatte etwas Schwierigkeiten.
Und jetzt kommt es: Der Mittlere rammt seinen Pickel auf die Schneide, der Vorderste stellt sich sprungbereit, wenn der Letzte stürzt und sich nicht fangen würde, könnte er zur entgegengesetzten Seite springen.
Der Letzte stürzt nicht, die anderen bzw. alle drei setzten sofort den Abstieg fort.
Bzw. halten derweil einen kleinen Plausch mit mir. Ihre Handlungen erforderten kein einziges Wort.
Hat mich sehr beeindruckt. Die waren jung, offenbar aber sehr erfahren und vor Allem bestens auf einander eingespielt.


Gesendet am 28. Januar 2021 um 12:25
Ich bin ein paar wenige mal aus Leichtsinn (ohne Steigeisen) an 35-38° steilen, nicht ganz harten Firnhängen abgerutscht, wobei nichts Schlimmes passiert ist. Ich schaffte es auch zweimal nicht, mich auf den Bauch zu drehen, um mit dem Pickel zu bremsen. Eine Üben vor Jahrzehnten (1982) war einfach zu wenig! Jedenfalls kann daher einschätzen, wie das Abrutschen abläuft. Da nicht zu erwarten ist, dass es immer so harmlos ausgeht, vor allem nicht, wenn sich Felsabstürze in Falllinie befinden, werde ich eben in Zukunft eher Steigeisen anlegen!

sniks hat gesagt: Nicht immer einfach
Gesendet am 9. Februar 2021 um 08:21
Vor ein paar Jahren bin ich beim Abstieg ausgerutscht. Der Schnee war nass und ich erschöpft von der Tour. Ich bin auf dem schmierigen Schnee ausgerutscht, schaffte es nicht, mich auf den Bauch zu drehen da zu erschöpft, den Pickel konnte ich jedoch in den Schnee schlagen. Der war aber zu sulzig um überhaupt etwas auszurichten. Ich hätte mich voller Wucht auf den Pickel drücken müssen, um ev etwas bewirken zu können. Aufgefangen wurde ich dann durch die Kameradin direkt unter mir. Der kurze Schreckmoment zeigte mir klar, dass man den Berg und Touren nie unterschätzen darf. Berichte hier zeigen das auch deutlich, besonders der von Bombo. Auch wenn ausrutschen verboten ist, passieren kann immer etwas.


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