Brutal


Publiziert von georgb, 30. Oktober 2019 um 14:17. Diese Seite wurde 1803 mal angezeigt.

Innerhalb von 7 Monaten auf allen Achttausendern hier. Der Zweitschnellste hat über 7 Jahre gebraucht!



Kommentare (22)


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Alpin_Rise hat gesagt: Faktor Zeit
Gesendet am 30. Oktober 2019 um 17:25
Abgesehen von des Mannes Leistung am Berg. Was bei solchen Rekorden meist ausgeklammert wird, ist der Stil:

"In Nepal nutzte er Hubschrauber, um die Distanz zwischen den Basislagern zu Füßen der Achttausender möglichst schnell zu überwinden. Zudem stieg er auf den teilweise schon präparierten Normalrouten auf, die auch von den kommerziellen Expeditionsteams genutzt wurden. Oberhalb von 7500 Metern griff Purja zu Flaschensauerstoff. Zudem hatte er bei seinen Aufstiegen stets ein bärenstarkes Sherpa-Team um sich herum."

Für mich sind das nicht die Leistungen, die zukunftsweisend sind, sie erinnern an das national motivierte Expeditionsbergsteigen der 50er und 60er: Viel Geld für viel Infrastuktur, Transporte und Support. Für einen "Sieg". Vielleicht kommt bald jemand, der noch mehr investiert und noch schneller ist; was bringts?

Was mich fasziniert, sind Exploits, die Stil mit Schnelligkeit verbinden: Ein Minimum an Unterstüzung und Material, ein Maximum an körperlichem Einsatz. Das erfordert mehr Bereitschaft zu Scheitern und erfordert hohes Können.

G, Rise

Übrigens stelle ich auch in den Alpen einen zunehmenden Fokus auf die Schnelligkeit fest. Tragisch ist dabei der Zusammenhang zwischen Schnelligkeit und Umweltbelastung: Je weniger Zeit einem bleibt, desto grösser wird der Fussabdruck. So gibt es nicht wenige, bei denen die Reisezeit die Tourenzeit übersteigt. Zusammenfassen lässt sich das in der Gleichung
Mehr Zeit = mehr Erlebnis = weniger Ressourcenverbrauch

georgb hat gesagt: Faktor Zeit
Gesendet am 30. Oktober 2019 um 19:04
Eine seltsame Entwicklung. Alle reden von Entschleunigung und dann rasen sie trotzdem, um schneller zu der Entschleunigung zu kommen?

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Faktor Zeit
Gesendet am 31. Oktober 2019 um 15:50
Exakt: viele rasen, damit mehr Zeit für das Welness-Detox-Entschleunigungs-Retreat bleibt...

Wenn ich schnell unterwegs bin, braucht mein Körper nacher einfach mehr Zeit zur Erholung und der Geist länger zur Verarbeitung. Insgesamt ein Nullsummenspiel. Also lieber mehr Zeit am Berg.

G, Rise


kopfsalat hat gesagt: RE:Faktor Zeit
Gesendet am 31. Oktober 2019 um 23:20
Wenn man, wie ich, von Basel in die Alpen fährt, benötigt man schnell einmal mehr Zeit für die An- und Rückreise, als für die eigentliche Tour.

Solange man aber mit dem ÖV unterwegs ist, ist der Fussabdruck sehr, sehr bescheiden. Zudem fängt für mich die Entschleunigung in dem Moment an, in dem ich in den ÖV einsteige und die Reise geniesse.

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Faktor Zeit
Gesendet am 2. November 2019 um 23:33
Fakt ist: die wenigsten Berggehenden reisen mit ÖV an. Rasende Bergsportler reisen meiner Einschätzung nach fast alle mit dem Auto an: Man könnte ja Zeit im ÖV verlieren.

Ich seh das freilich anders: sobald ich im Zug sitze, kann ich mich meinen Gedanken widmen, Lesen, dösen... die Verantwortung für meinen Transport übernehmen Profis.
Das eigene Auto gibt zwar gefühlte Freiheit und Sicherheit; ich fühl mich jedoch wesentlich freier, wenn nicht irgendwo eine Karosse rumsteht, zu der ich unbedingt zurück muss. Und sicherer bin ich alleweil unterwegs mit dem ÖV.

G, Rise

kopfsalat hat gesagt: RE:Faktor Zeit
Gesendet am 3. November 2019 um 00:56
> Das eigene Auto gibt zwar gefühlte Freiheit und Sicherheit;

Keine Ahnung. Ich habe kein Auto.

mong hat gesagt: RE:Faktor Zeit
Gesendet am 3. November 2019 um 06:13
Also, ich würde hier nicht allzuviel Werbung für den ÖV machen. Im Gotthard Basistunnel zum Beispiel habe ich oft jetzt schon keinen Sitzplatz mehr. Die Leute sollen ruhig weiterhin ihr Auto benutzen.

detlefpalm hat gesagt: Vollkommen unverständlich...
Gesendet am 3. November 2019 um 11:40
... warum der Mann nicht den öffentlichen Nahverkehr (Bahn und Bus) benutzt hat um von einem Achttausender zum nächsten zu kommen.

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Vollkommen unverständlich...
Gesendet am 3. November 2019 um 19:15
Ja, warum hat er das nicht getan?
Weil es beim Bergsteigen keine genormten Wettkämpfe gibt, er hat wohl ziemlich alle ihm zugänglichen Erleichterungen genutzt. Darum müssen immer die Umstände sprich der Stil eines Rekordes mitgeliefert werden.
In anderen Sportarten ist z.B. völlig klar, dass z.B. ein Marathon nicht bergabwärts gelaufen wird sondern Höhenmeterneutral.

Lasse ich mich von Basislager zu Basislager fliegen, ist die Leistung eine ganz andere als wenn ich vom letzten Dorf losgehe. Wieviel muss ich selbst tragen, wieviel meine Sherpas? Dürfen sie mich schieben, ziehen? Wieviel Sauerstoff darf zum Einsatz kommen? Welche Medikamente?

Darum sind die Diskussionen um die nackten Zeiten beim Bergsteigen nutzlos. Und es kommt bestimmt jemand, der schneller auf allen 8000ern sein wird. Mit noch mehr Unterstützung.

G, Rise

Clariden hat gesagt: RE:Vollkommen unverständlich...
Gesendet am 4. November 2019 um 15:00
Moro läßt sich bei seinen Winterbesteigungen auch ins Basislager einfliegen. Er begründet das in seinen Büchern damit, dass das Risiko für seine Porter beim winterlichen Anmarsch zu hoch sei. Früher ist er es anders angegangen.
Im Sommer bzw. Frühjahr ein 8000er Basislager zu erwandern hält sich allerdings bzgl. Beanspruchung ,z.B. Everst Süd in sehr überschaubaren Grenzen.

Clariden hat gesagt: Simone Moro
Gesendet am 3. November 2019 um 18:20
...erkennt Purjas Leistung mit den Worten an, dass er in seinem gesamten Expeditionsleben (also die letzten 30 Jahre mit vielen klangvollen Namen) keine 10 Bergsteiger kennen gelernt hat, denen er zutraut, das zu wiederholen

Schneemann hat gesagt: RE:Simone Moro
Gesendet am 3. November 2019 um 19:37
Angesichts des enormen materiellen und finanziellen Aufwands ist man schnell geneigt die Leistung herabzuwürdigen. Wenn man aber mal seinen Zeitplan anschaut, dann ist das schon sehr beeindruckend. Da ist mehrmals gerademal 1 Tag zwischen den Gipfelbesteigungen - das ist eine unglaubliche Konditionsleistung...

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Simone Moro
Gesendet am 3. November 2019 um 20:31
und äussert sich gleichzeitig sehr kritisch gegenüber dieser Art Bergsteigen:

[/explorersweb.com/2019/11/01/mixed-reviews-himalayan-climber...]

"One of contemporary Himalayan alpinism’s most revered practitioners, Italian climber Simone Moro, has said that although he considers such climbing “high-altitiude tourism,” Purja has eliminated “all those who consider themselves heroes for accumulating 8000’ers with good weather, oxygen, fixed ropes and guides.”

The Italian added that such a “clear worldwide reference” may spell the end of “false heroes” and climbers claiming superficial mountain records.

Moro said that from his own vast Himalayan experience, he could “make a list with less than ten names who, with the same means, could repeat this milestone of climbing the 8,000’ers in six months and six days.”

On the emerging debate around Purja’s style, Moro criticized those purists who dismiss his achievement. Instead, he said, mountaineers should focus on repeating Purja’s project without oxygen or fixed ropes, doing the 8,000’ers in winter, tackling unrepeated routes, high altitude-link ups, or hunting out “exclusive and virgin peaks, or pristine regions.”


Moro suggested that future mountaineers should not “waste” their career collecting 8,000’ers if they wished to become an “adventurer or explorer”.

“Until yesterday, you could have an alibi [for doing] the normal route on the 14 8,000m peaks.” he said. “Now, at least when it comes to sponsors and media attention, Nirmal Purja has put a virtuous and healthy end to this show.” "

Clariden hat gesagt: RE:Simone Moro
Gesendet am 3. November 2019 um 23:04
Genau, das ist der Artikel und er äußert sich kritisch, es ist ja auch nicht Moros Stil. Aber gleichzeitig auch anerkennend. Ähnlich differenziert äußert sich (diesmal) Reinhold M, im gleichen Artikel.
R.M. äußerte unlängst auch, dass er es amüsant findet, dass eine Reihe von Höhenbergsteigern ihre Besteigungen ohne Sauerstoff machen und das sehr herausstellen, gleichzeitig aber nicht einräumen, dass sie in einer von Anderen getretenen Spur laufen und deren Fixseile benutzen. In der Abwägung dieser Hilfen gegeneinander meint er, da sei es schwieriger mit Sauerstoff zu gehen, aber die Tour selber zu eröffnen.
Klar ist es ein noch grösseres Ereignis, wenn diesen oder in einem der nächsten Winter der letzte 8000er seine erste Winterbesteigung erhält oder die Latok I Nordwand begangen wird.
Aber Purjas Marathon ist eben auch eine Leistung, die Moro mit seiner genannten Einschätzung ins rechte Licht setzt.

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Simone Moro
Gesendet am 4. November 2019 um 11:00
Genau. Ich fand die komplette Äusserung von Moro in ihrer ganzen Ausführung sehr erhellend: Dass er die Verklärung dieser Art "Bergsteigen" gerade wegen der Parforceleistung von Purja für tot erklärt. Weil sie, wenn noch mehr gepusht, nirgends hinführt.

G, Rise

evil_horst hat gesagt:
Gesendet am 3. November 2019 um 19:44
Natürlich ist das eine ausergewöhnliche Leistung, keine Frage, aber: Messner würde wohl sagen: er ist bis dato der schnellste und konditionsstärkste... Tourist!... der Welt... ;-)

kopfsalat hat gesagt:
Gesendet am 4. November 2019 um 11:34
> Lasse ich mich von Basislager zu Basislager fliegen

Wieso lässt er sich eigentlich nicht gleich von Gipfel zu Gipfel fliegen?

Sputnik Pro hat gesagt:
Gesendet am 4. November 2019 um 12:57
Ein klein wenig Physik:
- Helikopter können nicht so hoch fliegen.
- Flugzeuge können nicht in der Luft stehen bleiben
- Ballone können ein Ziel nicht genau ansteuern.

Darum kannst du selbst auch nicht den 8000er-Geschwindigkeitsrekord brechen ;-)

Ganz nebenbei, ich finde die Leistung ohne Frage von Nirmal Purja beachtenswert und die sollte man auch respektieren. Nörgeler gibt's halt immer...

kopfsalat hat gesagt: RE:
Gesendet am 4. November 2019 um 13:15
> Helikopter können nicht so hoch fliegen.

/de.wikipedia.org/wiki/Didier_Delsalle

> Darum kannst du selbst auch nicht den 8000er-Geschwindigkeitsrekord brechen

mal schauen ...

Sputnik Pro hat gesagt:
Gesendet am 4. November 2019 um 14:56
Unglaublich, dachte bisher immer so am 6500-7000m ist die Obergrenze für Helikopter! Da wären doch stabile alpine Hütten aus Stahl und Beton mit Heizung, Strom, leichten Überdruckkammern und Halbpension die Zukunft für Bergsteigen an 8000er. Scherpas müssten so weniger Schleppen und können sich voll und ganz aufs Bergführen konzentrieren - und andere haben als Hüttenwarte ein Einkommen.

Clariden hat gesagt: Die bislang puristischste Everest
Gesendet am 4. November 2019 um 15:29
Besteigung war die des Schweden Göran Kropp 1996. Kropp fuhr mit dem Fahrrad hin und zurück, sämtliche Ausrüstung transportierte er auf einem Anhänger. Keine Porter, keine Sherpas. Er ging noch etwas weiter: Eigentlich wollte er am Berg, auch im BC; nur noch die von ihm aus Schweden mitgebrachte gefriergetrocknete Nahrung verwenden. Als sein Gewichtsverlust 10 kg überstieg, hat er davon Abstand genommen "und eine Packung Butter auf einmal verschlungen" schreibt er in seinem Buch.
Auch bzgl. des Khumbueisbruchs hat er Zugeständnisse gemacht: Bei einem Gang ist er ohne die Seile, Leitern etc. zu benutzen durch den Eisbruch geklettert. Ich habe nicht davon gehört, ob das jemals wiederholt wurde.
Aber auch diesbzgl. hatte Kropp einen, ich finde verständlichen, Kompromiss gemacht und nicht bei allen Gängen durch den Eisbruch die Hilfen links liegen lassen.
Eine riesen Sache, absoluter Respekt.
Aber obwohl Kropp kein Leichtgewicht war, hätte auch er nicht genug Unterhautfettgewebe gehabt, um in diesem Sil alle 8000er in 6 Monaten zu machen

georgb hat gesagt: RE:Die bislang puristischste Everest
Gesendet am 7. November 2019 um 09:22
Erwähnenswert find ich, dass er bei seinem ersten Versuch 100! Meter unterhalb des Gipfels abgebrochen hat, nachdem er von Schweden bis dorthin gefahren und gestiegen war.
Weiterhin erwähnenswert ist, dass sich am gleichen und am folgenden Tag zwischen seinem Abbruch und seiner späteren Besteigung eines der größten Dramen am Mount Everest abgespielt hat, mit mehreren Toten (In eisige Höhen, Jon Krakauer).


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