...und der Wald soll möglichst unberührt bleiben!


Publiziert von Henrik , 26. April 2019 um 18:50. Diese Seite wurde 593 mal angezeigt.

Nicht nur bei der Fahrt im eigenen Fahrzeug, auch auf meinen Bahnfahrten ist mir in letzter Zeit aufgefallen, dass sog. Sicherheitsrodungen vermehrt auffallen, nicht nur entlang von Strassen, im Flachland auch entlang der Trasse.
 
Meine Anfrage beim Amt für Wald beider Basel führte  zur nachstehenden ausführlichen Antwort, die ich der Comm. nicht vorenthalten möchte.
 
 
Cari saluti
 
Henrik






Sehr geehrter Herr Silberstein

Ich danke Ihnen für Ihre Mail. Gerne werde ich versuchen, Ihnen die Praxis im Kanton Basel-Landschaft näher zu bringen.
Im Kanton BL wurde die ganze Thematik durch zwei Ereignisse ausgelöst. In den Jahren 2006 und 2008 mussten zahlreiche Kantonsstrassen gesperrt werden, da zahlreiche Bäume wegen Nasschnee auf die Kantonsstrassen stürzten oder brachen und diese Strassen unpassierbar machten. Die Folge davon waren abgeschnittene Orte, Staus und entsprechende Verspätungen auch für den ÖV (Busbetrieb). Die Reaktionen von Teilen der Bevölkerung waren dabei heftig.

Die Problematik war indes nicht neu. Die Waldseite hatte bereits mehrfach auf den Umstand hingewiesen, dass an gewissen Standorten der dringend zu Verjüngung sei. Nun, wie kam es dazu? Während bis ca. 1950 die Wälder noch intensiver genutzt wurden (Stichwort Brennholznutzung) und der Verkehr auf den Strassen noch überschau war, hat sich dies spätestens seit den 80er-Jahren diametral geändert: die Holznutzung ging zurück, der Autoverkehr nahm stark zu. Eine Nutzung der Bäume entlang von stark befahrenen Strassen war plötzlich kaum mehr möglich. Denn die Strasse hätte dafür gesperrt werden müssen oder falls nicht, wären die Kosten für Holznutzung extrem teuer geworden. Nun, die Infrastrukturbetreiber lehnten Strassensperrungen für die Waldpflege ab, ebenso eine Kostenbeteiligung an den Massnahmen im Wald. Die Waldeigentümer ihrerseits waren verständlicherweise nicht bereit, die hohen Kosten der Holznutzung/Waldpflege alleine zu tragen. Schliesslich dienten ja diese Eingriffe in den Wald der Sicherheit der Strasse respektive der Verkehrsteilnehmenden. Und so wurde an zahlreichen Orten während rund 30 Jahren kaum etwas gemacht. Bis dann im 2006 und 2008 der Nassschnee kam und die Natur für eine Bereinigung der Situation an gewissen Orten sorgte.

Nach diesen Nassschneeereignissen haben sich die Beteiligten zusammen gesetzt und eine gemeinsame Planung und Finanzierung beschlossen. Der Infrastrukturbetreiber der Kantonsstrassen, das kantonale Tiefbauamt, ist als Werkeigentümer für die Sicherheit seines Werks "Kantonsstrasse" verantwortlich und beteiligt sich an den Massnahmen, die wir "Sicherheitsholzschläge entlang Kantonsstrassen" nennen. Ziel dieser Sicherheitsholzschläge war und ist es, den Wald zu verjüngen. Mit entsprechender Pflege des Jungwaldes soll erreicht werden, dass entlang der Kantonsstrassen keine instabilen Bäume mehr zu stehen kommen. Stabile Einzelbäume wären das Ziel. Wir sind uns bewusst, dass diese Massnahmen, insbesondere unmittelbar nach einem Holzschlag von alten Bäumen, für die Bevölkerung nicht hübsch anzuschauen sind.

Die vergangenen Naturereignisse wie Stürme und Schneefälle der letzten 5-6 Jahre haben indes gezeigt, dass es auf den Kantonsstrassen in BL kaum mehr zu Sperrungen infolge Baumbruchs gekommen ist. Aus Sicht Strassenbetreiber und Verkehrsteilnehmenden ist dies sicherlich positiv zu bewerten. Aus Sicht Wald und Natur gilt es nun die Chancen, die solche Massnahmen bieten, zu nutzen. So können durch eine zielgerichtete Pflege der verjüngten Bestände auch seltene Baum- und Straucharten gefördert und stabile und vitale Bäume herausgepflegt werden. Unser Ziel ist es, dass in Zukunft keine solch starken Eingriffe mehr notwendig sind, sondern die Sicherheit der Kantonsstrasse durch regelmässige Pflegeingriffe gewährleistet werden kann.

Auch wenn das Klima tendenziell wärmer wird, werden uns Nassschneeereignisse und vor allem Stürme (insbesondere Gewitterstürme) auch in Zukunft immer wiedermal begegnen.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort etwas Licht ins Dunkle gebracht zu haben.

Freundliche Grüsse

Guido Bader
Kreisforstingenieur

Amt für Wald beider Basel



Kommentare (2)


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dominik hat gesagt:
Gesendet am 29. April 2019 um 21:45
Interessant, das erklärt einiges. Thx!

Schneemann hat gesagt:
Gesendet am 29. April 2019 um 21:56
Cool, dass der Förstler so einer detaillierte Antwort gibt.


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