Ungeheuersee, Teufelsbank, Liebesbriefkasten: Sagen am Historischen Rundweg Leistadt


Publiziert von Nik Brückner , 6. September 2019 um 11:27. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Westliche Mittelgebirge » Pfälzerwald
Tour Datum:25 August 2019
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 2:45
Aufstieg: 400 m
Abstieg: 400 m
Strecke:11,5km

Warum in die Ferne schweifen, wenn ... - es dort gewittert und schneit!

Bei einem frustbedingten Waldspaziergang stießen die Waldelfe und ich neulich auf eine Beschilderung: „Historischer Rundwanderweg“. Ein unbekannter Weg in bekanntem Terrain? Da müssen wir nochmal hin! Und so gugelten wir erst einmal....

Der „Historische Rundwanderweg Leistadt“ führt im nördlichen Pfälzerwald zu zehn historischen, geheimnisvollen, und nicht zuletzt einfach sehr schönen Orten in der Natur westlich von Leistadt. Baut man den Ungeheursee noch mit ein, sind's elf - genau die richtige Zahl, um die Waldelfe in die Wanderschuhe zu locken. Einkehren könnt man - und sogar reich werden! Aber den Trick muss man kennen....

Es klingt zunächst recht gemütlich: Ein Kanapee gibt es, eine Suppenschüssel, und eine Bank - allerdings ist die Bank eine Teufelsbank, und eine Teufelsmauer gibt es sogar auch! Nur gut, dass der Liebesbriefkasten für einen gewissen Ausgleich sorgt.

Unser Weg führte zudem vorbei an einem Felsen in Form einer Geldbörse – die Münzen eingeschlossen - und es gibt so rätselhafte Orte wie den Krummholzer Stuhl und den Ungeheuersee. Dazu gibt es 2.000 Jahre alte Wagenspuren der Römer, und Grenzsteine aus dem 16. Jahrhundert. Wenn das nicht verlockend klingt!



Gemütlich fuhren wir an einem nicht allzu frühen Morgen nach Leistadt, Kotebels "Cosmology" im Player. Start ist am Parkplatz „Felsenberg-Berntal“ (213m) am nördlichen Orzausgang von Leistadt. Weil man von dort aus immer der Beschilderung „Historischer Rundwanderweg“ folgen kann, muss ich die Tour hier gar nicht so ganz genau beschreiben. Einige Hinweise dürften reichen.

Man wandert zunächst in den Ort hinein, und zweigt dann nach rechts in die Pochelstraße hinein. Man pochelt nun hinauf und hinaus aus dem Ort. Es geht stracks durch eine Ansiedlung von Wochenendhäuschen hindurch, an deren westlichem Ende der Historische Rundwanderweg am Waldrand rechts abbiegt. Leicht zu finden, weil Schild. Wir ignorierten das aber prompt, und wanderten noch ein Stückchen geradeaus in den Wald hinein. An der nächsten Wegkreuzung halb rechts hinauf, und weiter bis zu einer Weggabelung. Hier steht einer der Grenzsteine der Leininger (366m), aus dem Jahr 1595.

Dieser Stein gehört zu einer Reihe von fast 450 Jahre alten Grenzsteinen der Grafen zu Leiningen-Hardenburg hier im Wald (das war ein Adelsgeschlecht aus der Gegend, tschegge z. B. hier). Der Grenzstein trägt das Wappen der Leininger Grafen, und ist mit "1595" bezeichnet.

Hier am Grenzstein nahmen wir den unteren, rot-weiß markierten Weg. Er führt hinein in einen Tobel. Dort befindet sich die Luisenruhe (393m).

Das ist ein eingeebneter Platz, auf dem ein Sandsteinquader steht, der mit "Luisenruhe" beschriftet ist. Mehr weiß ich leider nicht zu sagen.

Der untere der beiden Wege führt nun hinüber zu der schon sichtbaren Laurahütte (357m).

Die Laurahütte ist eine neoklassizistische Jagd- und Schutzhütte aus dem Jahr 1845. Erbaut hat sie Wilhelm Retzer, damals Bezirksrichter im Ruhestand und angesehener Bürger der Stadt Freinsheim, in seinem Waldgebiet. Ihren Namen erhielt die Hütte zu Ehren seiner Frau Laura, geb. Schleicher. Sehr romantisch!

Retzer verstarb 1856. Sein Wald wurde daraufhin im Auftrag seiner Erben versteigert. Er ging an nicht weniger als dreißig Leistadter Bürger. Die Laurahütte selbst wurde
vermutlich um 1875 der Obhut des Drachenfels-Clubs übergeben, der sie seither in Stand hält. Von der aufwändigen, durch die drei Säulen am Eingang fast ein wenig tempelartigen Jagdhütte aus hat man eine schöne Aussicht ins Rheintal.

Ein Abstecher (wohl eher ein Aufstecher) führt hinter der Laurahütte geradewegs den Bergrücken hinauf. Nach etwa 150 Metern steht man am Sophiensitz (416m).

Auch der Sophiensitz ist nicht mehr als ein eingeebneter Platz, auf dem ein Sandsteinquader steht, der mit "Sophien-Sitz" beschriftet ist. Auch darüber weiß ich leider kaum etwas zu sagen. 

Wir stachen nun wieder zurück zur Laurahütte, und setzten den Historischen Rundweg fort. Kurz nach der Laurahütte quert man einige tiefe Furchen im Waldboden: ehemalige, heute nicht mehr genutzte Hohlwege, die vom Tal aus auf die Höhe führten. In einem davon geht es nun hinauf zum Krummholzer Stuhl (425m).

Keine Angst, hier hat niemand hingestuhlt. Der Krummholzer Stuhl ist der Rest eines römischen Steinbruchs, der im 2. und 3. Jahrhundert genutzt wurde. Er wurde unter anderem für Teile der römischen Stadtmauer in Worms und für Steinsärge ausgebeutet.

Allerdings ist der Krummholzer Stuhl für einen Steinbruch nicht besonders groß, erst recht nicht im Vergleich zum nahe gelegenen Kriemhildenstuhl bei Bad Dürkheim. Man muss wohl annehmen, dass die Römer einfach alle groß genugen Steine, die hier am Weilerskopf zutage lagen, nutzten. Vielleicht erklären sich so die vielen bank- oder stufenförmigen Einschnitte in zahlreichen Felsen hier oben.


Noch ein Individualistenschlenker: Die Waldelfe und ich zwogen hier vom Historischen Rundweg ab, stiegen also nicht hinauf auf den Stuhl, sondern hielten uns geradeaus. Ein leicht absteigender Weg führt zu einer Wegspinne, von der aus nicht einer, sondern gleich zwei Wege links hinunter zum Ungeheuersee (365m) führen.

Der Ungeheuersee ist ein flacher (maximal 1,80 Meter tiefer) Teich, der durch den Krumbach gespeist wird. Er steht seit den 1930er Jahren unter Naturschutz: Hier wachsen verschiedene seltene Wasserpflanzen (z. B. der Kleine Wasserschlauch, eine fleischfressende Pflanze), es gibt Amphibien wie den Fadenmolch, den Bergmolch und Grünfrösche, und man beobachtet bisweilen die Ringelnatter und den Zwergtaucher. Das ist ein Typ, der nach Zwergen taucht.

Der Ungeheuersee ist, wie viele Seen im Pfälzerwald, künstlich: Er wurde am Wechsel vom Mittelalter zur frühen Neuzeit als Viehtränke angelegt, und 1599 erstmals urkundlich erwähnt. Einen Staudamm gibt es nicht, offenbar wurde also eine natürliche Senke des Krumbachtals genutzt. Vielleicht hatte sich hier bereits zuvor ein Sumpf befunden.

Der Wasserstand, und damit die Größe des Ungeheuersees, ist stark von den Niederschlägen abhängig. Er ist maximal 140 Meter lang und 40 Meter breit. Zu manchen Zeiten fällt er allerdings komplett trocken.

Seinen Namen hat der See nicht von Ungeheuern, er leitet sich vielmehr her von den Wörtern „Unger“ für Waldweide und „Heyer“ für Gehege. Man hat hier also früher Tiere gehalten.


Eine Sage widerspricht dem allerdings...:

Früher, als der See noch eher ein Sumpf und daher morastig war, ging niemand gerne ins Krumbachtal. Es hieß, um Mitternacht würden hier Waldgeister ihr Unwesen treiben! Angeblich lebte auch ein Waldweib am See, das aus dem Ort schon so manches Kind geraubt hatte...

Eine andere Geschichte erzählt davon, wie die Bürger von Weisenheim während des Dreißigjährigen Krieges ihre Kirchenglocken im Ungeheuersee versteckt haben. Allerdings sind beim Kampf um das Dorf - das schließlich niedergebrannt wurde - alle Einwohner umgekommen, die das Versteck gekannt hatten. Deshalb liegen die Weisenheimer Glocken bis heute auf dem Grund des Sees!


Wir umrundeten den See, der zu diesem Zeitpunkt fast ausgetrocknet war. Die Weisenheimer Glocken haben wir allerdings nicht gefunden...

Immerhin steht am Seeufer die Weisenheimer Hütte (auch: Ungeheuersee-Hütte) des Pfälzerwald-Vereins. Im Sommerhalbjahr ist sie an Sonntagen bewirtschaftet, und dann ein beliebtes Ausfugsziel.

Wir verließen den See und machten uns wieder auf zur Wegspinne. Von dort aus kehrten wir zurück zum Krummholzer Stuhl (425m). Hier bogen wir nun rechts ab, womit wir wieder auf dem Historischen Rundwanderweg waren. Nur ein kurzes Stück westlich des Stuhls befindet sich die Suppenschüssel (435m).

Die Suppenschüssel ist ein mittelalterliches Rechts- und Grenzdenkmal, das wohl vom 12. bis 18. Jahrhundert in Benutzung war. Der Stein besitzt oben eine nahezu quadratische Vertiefung, angeblich hat man hier nach Beendigung der Grenzbegehungen gemeinsam angestoßen. Der Grenzstein ist bezeichnet: "1826" und "H / N. 2" .

Von hier aus ist der Verlauf des Historischen Rundwanderwegs kurz nicht ganz übersichtlich. Aber wenn man der Beschilderung des neu angelegten Ganerbenwegs folgt, bassd des scho: An einer Abzweigung geht es links, dann folgt einem Linksbogen eine Rechtskehre. Dass man richtig ist, erkennt man am Leininger Grenzstein (460m) rechts des Wegs.

Der Leininger Grenzstein ist ein weiterer Grenzstein der Grafen zu Leiningen-Hardenburg aus dem Jahr 1595. Der schön hergerichtete Grenzstein trägt das Wappen der Leininger Grafen, und ist mit "1595" bezeichnet. Daneben befindet sich ein kleiner Loogfels mit Kreuz.

Das Grafen- bzw. Fürstengeschlecht Leiningen bekam den Ort Leistadt um 1237 vom Abt des Klosters Morbach in der Schweiz, dem der Ort gehörte, als Lehen.
Leistadt blieb bis zum Ende der französischen Revolution im Besitz der Leininger.

Kurz nach dem Grenzstein sollte man den beschilderten Abzweig zum Kanapee (450m) nicht auslassen. Es befindet sich ein Stück links abseits des Hauptwegs.

Die "Kanapee" genannte Felsgruppe soll angeblich eine mittelalterliche Einsiedelei gewesen sein, bewohnt zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert. Nach der Überlieferung mussten die Bürger von Leistadt für die Verpflegung des Einsiedlers aufkommen.

Das Kanapee heißt auch "Wilhelmshöh", nach einer Inschrift, die sich auf einem der Felsen befindet.


Wieder zurück auf dem Hauptweg, geht es nun weiter zum nächsten Abstecher: Ein weiterer Linksabzweig führt erneut an die Bergkante, zur Teufelsbank (458m).

Die Teufelsbank! Oh je! Die Teufelsbank sieht, dem Kanapee nicht unähnlich, aus wie eine in den Fels gehauene Sitzbank. Ein paar Meter unterhalb befindet sich ein weiterer Grenzstein der Leininger. Und auch nach einer Teufelsfratze kann man Ausschau halten...

Hier wendet sich der Historische Rundwanderweg in rechtem Winkel nach rechts, und folgt weiter der nun zunehmend felsigen Bergkante. Dabei überschreitet man unbemerkt auch den Gipfel des 469 Meter hohen Weilerskopfs. Ein Stück weiter bricht die Bergkante dann links des Wegs eine Meter senkrecht ab - wir stehen an der Teufelsmauer (458m)

Noch mehr Teufel! Da wird man ja ganz hysterisch! Die Teufelsmauer ist ausnahmsweise eine natürliche Erscheinung, ein Felsenriff aus Bundsandstein (Hauptkonglomerat). Hier liegen zudem viele moosige Felsbrocken im Wald, eine recht romantische Szenerie. Oder hat sie der Teufel hier zurückgelassen...?!?

Ein paar Meter weiter macht der Hysterische Rundwanderweg einen scharfen Zwack nach links, in die Bergflanke hinunter.

Wer hier pausen möchte, kann aber auch geradeaus weiterwandern, man gelangt nach etwa zehn Minuten an eine Straße (Parkplatz), und gegenüber an das Forsthaus Lindemannsruhe, wo man gut einkehren kann. Von dort aus wären auch ein Bismarckturm, ein Schillerfelsen und die Aussichtskanzel Heidenfels erreichbar.

Die nächste Station auf dem Historischen Rundwanderweg sind römische Wagenspuren (ca. 448m, circa, weil's mehrere Stellen gibt).

Über diese Straße wurden die behauenen Steine und die Särge von den Römern aus dem Wald abgefahren. In den Fels gefahrene Wagenspuren sind heute noch sichtbar. Abgefahren!

Ein Stück weiter unten befindet sich links direkt am Weg der Liebesbriefkasten (431m) .

So Mädels, jetzt aufgepasst: Als "Liebesbriefkasten" wird ein Stein bezeichnet, der der Sage nach Jungfrauen helfen kann, die keinen Mann finden: Wer hier in einen deutlichen Schlitz ein Laubblatt einwirft, wird bald einen hübschen Burschen finden. Man kann aber auch unten im Ort suchen, dort gibt's mehr davon, weil, die wohnen da. Ab März stehen die sogar auf offener Straße herum, Riesling süffelnd, weil, in der Pfalz ist das so.

Liebe abgehakt - fehlt nur noch das Geld. Aber auch diesem Problem wird hier, auf dem Historischen Rundwanderweg, abgeholfen: am Portemonnaie (396m).

Das Portemonnaie ist ein in zwei Teile geborstener Fels, von dem es heißt: Wer in den Spalt einen Stein einwirft, der wird reich werden. Entsprechend voll ist der Fels mit lauter kleinen Steinen. In der Umgebung des Portemonnaies liegen also natürlich keine Steine mehr herum. Die Waldelfe will aber auch reich werden, und klappt einen Stein hoch, um drunter nachzusehen, ob dort noch welche liegen...

Nun geht es wieder zurück nach Leistadt. Der Weg führt geradewegs zurück zu der Siedlung mit den Wochenendhäuschen. Man gelangt an genau der Stelle dort an, wo man zuvor auch durch die Siedlung heraufgekommen war. Deshalb geht es hier nun kurz nach rechts, und dann einen Parallelweg weiter südlich zurück in den Ort.

Auf dem Rotsteiger Weg geht es nach Leistadt hinein, im Ort linkst man dann auf die Waldstraße ab. Ist man auf der Hauptstraße angekommen, sollte man unbedingt noch das Wahrzeichen Leistadts bewundern: Das Rathaus.

Das auf den ersten Blick kirchenähnliche Rathaus Leistadts stammt aus dem Jahr 1750. Es ist vor allem der Turm, der an eine Kirche denken lässt. In diesem Turm befinden sich auch tatsächlich zwei geweihte Glocken: Es sind die der evangelischen Kirche. Eine dritte Glocke, die sogenannte politische Glocke, wird noch heute für das Totengeläut genutzt. Sehenswert ist auch die frei zugängliche Außentreppe, deren Stufen auf eine überdachte Plattform mit einer Balustrade aus gelbem Sandstein führen.

Auf der Hauptstraße geht es dann nordwärts aus dem Ort hinaus, dann steht man wieder am Parkplatz „Felsenberg-Berntal“ (213m).


Das war's! Der
"Historische Rundwanderweg Leistadt". Eine kurze Runde, für die man sich aber trotzdem mehr als nur die reine Gehzeit nehmen sollte, weil es am Weg vieles zu entdecken gibt. Manchmal braucht es keinen Premiumweg, manchmal überraschen einen auch Wege in Ortsnähe, mit braunen Wegweisern....


Tipp:

Wer am Ende dieser Tour noch Zeit und Lust hat, kann eine kleine Runde durch das Naturschutzgebiet Felsberg Berntal dranhängen (auf den Wegen bleiben!) Die Gegend ist durch ihre verkarsteten Kalksteinfelsen sehenswert.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

T4
1 Mär 22
Der - ähem - "Bad Dürkheimer Grat" · Nik Brückner

Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

Schubi hat gesagt:
Gesendet am 7. September 2019 um 06:49
Servus Nik.

Da habt ihr ja eine anekdotenreiche Runde gedreht. Schon schräg, was früher die Leute an Geschichten und Fantasien entwickelten, weil’s halt (wie heute) keine Zudröhnung durch elektronische Medien gab ...

Viele Grüße, Frank

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. September 2019 um 10:20
Hi Schubi!

Haha! Thanos ist nix gegen das Waldweib am Ungeheuersee!

Lieben Gruß an euch beide,

Nik



Kommentar hinzufügen»