Frontier Peak (5438) - Abenteuer-Bergsteigen im Pamir


Publiziert von Delta Pro , 7. September 2015 um 20:34.

Region: Welt » Kirgisistan
Tour Datum:21 August 2015
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1300 m

Ein unberührter 5000er in Kirgistan - das ist der Stoff, aus dem Träume sind

Viele Bergsteiger in den Alpen suchen Gipfel, die nicht von Menschenmassen überlaufen sind, freuen sich selten begangene Routen zu erkunden, oder neu zu entdecken. Doch wäre es nicht das grösste - ein richtiges Abenteuer - seinen "eigenen", hohen Berg zu finden und ihn ganz ohne Informationen als erster zu besteigen? Ganz offensichtlich muss man etwas weiter weg um einen solchen Gipfel zu finden. Doch mit Sicherheit gibt es sie, die noch unbestiegenen Fünf- und Sechstausender in Zentralasien, zum Beispiel im Pamir. Unser Ziel hiess also: Finde ein abgelegenes Tal, suche den schönsten Gipfel aus, und besteige ihn!

Wir entschieden uns für die Kurumdy Range eine Bergkette im Dreiländereck zwischen Kirgistan, Tadschikistan und China. Der höchste Punkt, Gora Kurumdy (6614 m.ü.M.), ist Ziel von Expeditionen und wäre in unserem Zeithorizont von nur 6 Tagen nicht erreichbar. Der westliche Bereich des Gebirges scheint gemäss Google Earth jedoch einen spannenden Charakter zu zeigen, ist komplett unerschlossen und weist eine ansehnliche Zahl von 5000ern auf. Informationen zum bergsteigerischen Potential sind kaum zu finden. Einzig ein paar Fotos auf Panoramio weisen darauf hin, dass sich schon einmal Leute dorthin verirrt haben und den einfachsten Gipfel des Talkessels erstiegen haben. Eher dürftiges russisches Kartenmaterial, sowie eine englische Aufbereitung davon, lässt sich auftreiben. Während rund eine Handvoll der Gipfel im ausgewählten Tal kotiert sind, hat nur gerade einer - dieser aber zurecht! - einen Namen erhalten: Der Frontier Peak (ich verwende hier den englischen), eine fantastische, aus allen Richtungen ebenmässig geformte Pyramide aus Fels und Eis. Was für ein Traumgipfel! Ob er schon je erreicht wurde? Es ist anzunehmen, doch es fühlt sich wie eine Erstbesteigung an.

Der Frontier Peak ist die dritte und letzte 5000er Tour im "unserem" Tal der Kurumdy Range. Nachdem wir nach drei Tagen Anmarsch durch die Wildnis mit schwerem Gepäck und Akklimatisierung das Basecamp aufgeschlagen hatten, lösten sich unsere Träume vom Frontier Peak allmählich in Luft auf: Zu abweisend, steil und brüchig sahen seine Flanken aus. Am Tag unserer geplanten Abreise wollten wir eigentlich nur einen Augenschein am Fuss des Berges nehmen (und hatten "per Zufall" die ganze Ausrüstung im Rucksack). Ein Hindernis nach dem anderen fiel, und plötzlich war die Route zum Gipfel glasklar und offen - und umso grösser die Freude die letzten Meter über die unberührte Firnschneide zum höchsten Punkt zu steigen! 


Start um 6.15 bei unserem Basecamp (4230 m.ü.M.) in der Geröllwüste an der Gletscherzunge. Da wir erst drei Tage auf 4000-5000 Metern unterwegs sind, ist die Akklimatisation noch nicht perfekt und die strengen Touren der Tage zuvor haben ihre Spuren hinterlassen. Langsam steigen wir über Moränenschutt seitlich des Gletschers bergauf. Trotz der Höhe ist die Luft schon morgens relativ mild. Es ist windstill, die Bedingungen sind perfekt. Bei einer ersten Pause in der Morgensonne fällt die Entscheidung. Wir wollen immerhin einmal versuchen, die 700 Meter hohe Steilflanke zur vollendet schönen Spitze des Frontier Peak anzupacken.

Während die erste Stufe aus der Ferne noch sehr mühsam aussah, sticht nun plötzlich eine Umgehung ins Auge. Über einen angenehmen Lawinenkegel und nach kraftraubender Wühlerei im losen, feinkörnigen Geröll erreichen wir ein kleines Plateau an der 5000m-Marke. Von hier geht es mit Steigeisen und Pickel über die Eisflanke weiter. Diese ist anfangs gut mit Zastrugis strukturiert und das harte, alte Eis, welches der offenbar über die Massen heisse Sommer zutage gefördert hat, lässt sich gut umgehen. Weiter oben wird der Aufstieg zusehends mühsamer und heikler. Für eine direkte Begehung der Eisflanke fehlt uns die Ausrüstung (Steileisgeräte, Helm => Steinschlag). Somit weichen wir in die Felsen aus und gelangen auf eine Schulter im hier wenig ausgeprägten Südgrat des Frontier Peak. Eine exponierte Querung im harten Eis bringt uns auf eine Rippe mit sehr brüchigem Gestein und Unmengen von Geröll. Auf dieser steigen wir mit grandiosen Tiefblicken weiter auf und sind erstaunt wie effizient wir der eigentlichen Krux, der Wächte zum Gipfelgrat näher kommen. Vor dieser steilt die Rippe auf. Seilsicherung ist nun möglich und bietet zumindest für den Nachsteigenden etwas Sicherheit. Durch brüchiges, aber nicht eigentlich schwieriges Gelände (II) gelangen wir in zwei Seillängen zur 2-3m hohen Wächte, welche sich genau dort als gutmütig erweist und mit einem beherzten Zug geknackt werden kann. Was für ein Glücksgefühl! Vor uns nur noch die geniale Eisschneide zum höchsten Punkt. Diese erfordert nochmals Konzentration, doch ist erstaunlich einfach zu begehen. Nach etwas mehr als 4 Stunden stehen wir überglücklich auf dem Frontier Peak und geniessen die unglaublichen Tiefblicke.

Abstieg auf derselben Route. Bei der Querung der Eisflanke sichern wir nochmals zwei Seillängen, schnallen die Steigeisen aber nachher ab und suchen uns einen Weg seitlich der Eisrinne, durch welche der Aufstieg führte, da die dünne Schneeauflage über dem Blankeis mittlerweile weich geworden ist. Durch ein Labyrinth von Geröllcouloirs, die im Abstieg erstaunlich gut begehbar sind, finden wir zügig nach unten und können uns nach der letzten Stufe über eine rasante "Talfahrt" in endlosen Hängen aus feinem Schutt freuen. Bald sind wir beim Basecamp angelangt. Nach einer kurzen Pause packen wir zusammen und ziehen mit schweren Rucksäcken sofort weiter hinunter durch die an den Kräftereserven zehrenden Geröllwüsten zu Camp 2 (3720 m.ü.M.). Am nächsten Morgen früh nehmen wir die letzten gut 20 Kilometer der Strecke (vorbei an Camp 1) zurück zu Strasse in einem Eilmarsch in Angriff um rechtzeitig am Treffpunkt mit unseren Kollegen zu sein. 



Hätte mir jemand nach meiner ersten Krücken-Tour auf den Dägelsberg Ende Mai - nach 3-monatiger vollständiger Laufabstinenz - gesagt, dass ich am 21. August einen solch traumhaften 5000er besteigen würde, hätte ich wohl gelacht. Doch schlussendlich hat sich mein Aufbautraining und die Schmerzen im Fels und Eis des Frontier Peaks gelohnt.


Tourengänger: Delta


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Kommentare (5)


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Alpin_Rise hat gesagt: Was für ein Abenteuer
Gesendet am 8. September 2015 um 11:05
und Krönung des Bergsteigerlebens - schön, hats trotz heilender Verletzung doch noch geklappt!

Neid und G ;-)
Rise

dominik hat gesagt: RE:Was für ein Abenteuer
Gesendet am 8. September 2015 um 11:57
Gratulation zu der tollen Tour!!!

3614adrian hat gesagt: Wow!
Gesendet am 8. September 2015 um 23:15
Freue mich riesig für dich, dass deine Pläne trotz des lädierten Fusses realisiert werden konnten. Das hast du aber sicher nur dank viel Geduld und Willenskraft geschafft! Bravo und mögen dich deine Füsse noch über viele weitere Giofel tragen!

Gruss
Adrian

Eszti hat gesagt: Cool! :)
Gesendet am 15. September 2015 um 10:55
Super, ich finde dein Ehrgeiz super, Gipfel ohne viele Info auszuwählen und besteigen!!
Grüße,
Eszter

Nitt Gashi hat gesagt: Super
Gesendet am 23. Juni 2017 um 11:55
Tolle Tour. Die unbekannten Orte sind meistens die Besten für eine Tour.

Gruß aus Kosovo


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