Bärenkopf und Kleiner Widderstein Überschreitung


Publiziert von frmat , 7. September 2015 um 17:28. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:27 August 2015
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 5:15
Aufstieg: 1150 m
Abstieg: 1150 m

Der 2536m hohe Widderstein ist der uneingeschränkte Herrscher über dem Kleinwalsertal. Wer sich auf den Weg nach Baad macht dem ist dieser Berg stets präsent. Nur wenige werden aus dieser Perspektive bemerken, dass sich mit Kleinem Widderstein und Bärenkopf zwei weitere Gipfel im nach Norden verlaufenden Grat abheben. Während der Große Widderstein durch die Südschlucht relativ leicht bestiegen werden kann bleibt die Besteigung seines kleinen Bruders eine Herausforderung für Individualisten.


Die von uns begangene und hier vorgestellte Route Bärenkopf - Kleiner Widderstein Nordgipfel - Südgipfel ist eine nicht allzu oft durchgeführte logische Gipfelüberschreitung. Die Schwierigkeiten gehen bei geeigneter Routenwahl (und nur dann!) nicht über den unteren   III. Grad   hinaus (eine Stelle im Aufstieg zum Nordgipfel, durch eine Rinne auch umgehbar, dann II). Der AV-Führer und diverse Internet-Berichte sprechen von mehreren IIIer-Stellen bei der Überschreitung, was definitiv nicht der Fall ist. Die komplette Tour wäre auch ohne eine einzige IIIer Kletterei machbar. Noch ein Wort zur Ausrüstung. Wir hatten das Klettergeraffel dabei, die Gurte auch prophylaktisch angelegt, jedoch nichts dergleichen gebraucht. Das wichtigste Utensil ist der Helm, die Brüchigkeit des Gesteins ist immens.


Nun aber zur Tour selbst. Ausgangspunkt ist der beliebte, heute wenig besuchte Wanderparkplatz in Baad im hintersten Kleinwalsertal. Über den breiten Fahrweg beginnt die Wanderung gemächlich ansteigend ins Bärgunt. An der ersten Verzweigung wählen wir den linken Weg hinauf und passieren zunächst die Äußere, schließlich die bewirtschaftete Innere Widdersteinalpe. Kurz hinter dieser führen Traktorspuren links die Wiese hoch. Wir folgen den Spuren, die bald am Waldrand in einen Pfad übergehen und uns zügig zur unteren Widdersteinhütte führen. An der Quelle der Viehtränke kühlen wir uns mit klarem Wasser ab und sparen die Getränkevorräte für den Tag auf.

Hinter der Hütte gibt es mehrere Varianten für den weiteren Aufstieg. Etwas schwierig zu erkennen führt der direkte Weg gerade hinauf in den Wald. Wir folgen den Spuren nach rechts und steigen nach wenigen Minuten links im Gras steil bergan, um so den Steig zum Bärenkopf wieder zu erreichen. Eine weitere Hütte wird passiert ehe der Pfad über die Baumgrenze ins Grasgelände führt. Gelegentlich verlieren sich die Pfadspuren. Man hält sich grob etwas links, nach oben hin hat es mehrere Alternativen. Wir treffen heute die richtige Route und sparen uns den Umweg über den Sattel zwischen den beiden Gipfelköpfen des Bärenkopfes. Über einen schmalen Graspfad erreichen wir direkt den nördlichen Vorgipfel (Markierungsstange), von dem es nur wenige Schritte zum bekreuzten Hauptgipfel sind.
Gehzeit bis hierher: 1:40h.

Die Gipfelrast findet heute aufgrund einer wahren Insekteninvasion am Vorgipfel statt, der komischerweise vom nervigen Brummzeug gemieden wird. Bis hierher geht der Anspruch der Tour nicht höher als in den oberen T3-Bereich. Wir verlassen den Gipfel über den grünen Grat nach Süden, übersteigen den ein oder anderen Buckel und erreichen bald den südlichen Gipfelpunkt des Bärenkopfes. Ab jetzt ist Schluss mit lustig. Die nächsten zwei Stunden befinden wir uns über weite Strecken im ausgesetzten Kraxelgelände, oft mit viel Luft unterm Hintern und nur selten mit festem Fels unter den Füßen. Über steiles Gras-Schrofengelände ist bald die tiefste Scharte (1980m) erreicht. Die Überschreitung des Kleinen Widdersteins kann beginnen.

Während wir unser Kletterzeug anlegen können wir eine Seilschaft beobachten, die über die 20m hohe Einstiegswand abseilt. Ohren anlegen und los geht's.  An schönen Griffen können wir diesen Abschnitt im ausnahmsweise festen Fels genießen. Für den Abstieg wäre ein Bohrhaken vorhanden. Es folgen abwechselnd leichte Kletter- und Gehpassagen. Die Orientierung ist nicht immer eindeutig. Zunächst leiten Wegspuren etwas rechts des Grates aufwärts zum nächsten Aufschwung, der durch bröselige Rinnen und Absätze erklettert wird. Etwa in der Mitte des Aufstiegs wird nach links gewechselt. Hier trifft man auf die (vermeidbare) Schlüsselstelle. Ein ausgesetztes Wandl im III- Bereich fordert mehr Psyche als Kletterkönnen. Die Umgeheung führt weiter rechts durch eine Rinne. Nun wieder durch Rinnen und über Bänder rechts herum an den Gipfelkopf heran. 20m unter dem Hauptgipfel wartet nochmal eine steile und ausgesetzte Kletterstelle im oberen II Schwierigkeitsgrad ehe der aussichtsreiche kleine Gipfel erreicht ist.
Zeitbedarf ab Bärenkopf: 1:30h.

Wir genießen die Aussicht zum imposanten nahen Widderstein und weit hinaus über den Hauptkamm zu den Lechtaler Klassikern. Auf der anderen Seite präsentieren sich Allgäuer Grasgrate und wecken den Hunger auf pfeilgespitzte Vertikalwiesen. Der Abstieg zurück über das steile Schlusswandl fordert wieder unsere Konzentration. Dank guter Griffe und wiederum festen Fels geht die Sache doch ganz gut von der Hand. Vor uns liegt der Grat zum Südgipfel. Ein einziger Trümmerhaufen bestehend aus brechendem oder bereits abgebrochenem Gestein. Neben der Brüchigkeit dürfte die Orientierung das Hauptproblem darstellen. Glücklicherweise finden wir eine einfache und recht sichere Route, die komplett in der rechten (westlichen) Flanke verläuft und den II Grad nie übersteigt. Zunächst führen Wegspuren über Schrofen in die tiefste Scharte zwischen Nord- und Südgipfel. Wir steigen weiter nach rechts die Flanke hinab und traversieren dabei so gut es geht nach Süden. Eine erste leichte Aufstiegsmöglichkeit zum Grat lassen wir außer Acht und folgen über Bänder und Rinnen, Griffe und Tritte stets sorgfältig prüfend, weiter dem Weg durch die Flanke. Etwa auf Höhe der auffälligen Grattürme steigen wir nach links über zum Teil begrünte Schrofen zurück Richtung Grathöhe. Der Aussage "Am besten immer in Gratnähe bleiben" müssen wir widersprechen, da unsere Route durch die Flanke sowohl klettertechnisch moderat bleibt, als auch vom Sicherheitsaspekt vertretbar ist. Nach 40Min ist der Südgipfel erreicht. Erstes Durchatmen gestattet. Die Überschreitung hat uns weit weniger abverlangt, als angenommen.

Der Abstieg über knapp 100Hm ins Karlstor ist noch einmal spannend. Wir finden die Trittspuren auf der Südseite und arbeiten uns im steilen Gras an den Abbruch heran. Noch einmal müssen wir uns heikle Schuttrinnen unangenehm heruntertasten ehe nach weiteren 25Min die Spannung im Karlstor deutlich nachlässt.

Für den gut einstündigen Rückweg zum Auto liegt noch die gewaltige Trümmerhalde des Karlstor vor uns, auf der ein Helm nicht zum Luxusgegenstand wird. Kurz vor der unteren Widdersteinhütte schließt sich der Kreis und in Baad liegt eine eindrückliche Tour hinter uns, die jedem ans Herz gelegt werden darf, der diesem Gelände gewachsen ist.

Tourengänger: frmat, quacamozza, yuki


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Kommentare (1)


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Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 9. September 2015 um 11:31
Schöne Tour und Fotos.
Der kleine Widderstein hat mir richtig gut gefallen, ist auf jeden Fall ein Gipfel den man jedes Jahr besuchen kann.
VG Andy


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