Bös - Bös - Guet, Gratwanderung vom Bösbächistock zum Guet Fulen (Grisset)


Publiziert von Dolmar , 15. August 2015 um 21:44.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:12 August 2015
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: S
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   CH-SZ   Glärnischgruppe   Ortstockgruppe 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 3000 m
Abstieg: 3000 m

Beginnend am Bösbächistock zieht sich ein langer Grat bis zum Guet Fulen durch. Sozusagen eine Gratwanderung vom Glarnerland ins Schwyz.. Gespickt mit Höhepunkten. Einerseits dem höchsten
Schwyzer Berg, der Bös Fulen, und von seltenst benutzten Routen allesamt in durchaus anspruchsvollem Gelände. Wegen der länge des Vorhabens sollte das Wetter stabil sein.
Letztes Jahr musste ich diese Idee wegen schlechtem Wetter bei der Gassenfurggel beenden. 
Dieses mal hat alles prima geklappt. Somit habe ich nun unter anderem beim 4-ten Anlauf den Bös Fulen erreicht. 
Beim Aufstieg auf den Bösbächistock, dürfte mir vermutlich eine neue Route geglückt sein.
Ostseitig des großen Plattenpanzers in der Südwand ist ein großer Kamin zu sehen. In diesem will ich einen Aufstieg versuchen.

Bösbächistock Südwand/Südkamin (S)
Start um 5:00 Uhr beim alten Schulhaus in Luchsingen, mit einer wieder mal gefühlt zu schweren Tüte auf dem Buckel.
Da lassen wollte ich aber auch nix, ich kann ja nicht in eine unbekannte Linie einsteigen ohne eventl. Rückzugsmaterial dabei zu haben.
Den Schinder hoch nach Brunnenberg rinnt mir das Wasser aus allen Poren, es ist selbst um diese frühe Stund drückend schwülwarm.
1 1/2 Std. später stehe ich bereits bei der Oberen Bösbächistafel und erhasche die ersten Blicke an diesem Tag auf das Projekt.
Einfach geht`s nun mit erfrischender leichter Bise ins Bösbächital hinein. Ich peile die Bösbächirus an.
Die plattigen Wandfluchten der Bösbächisüdwand sind wirklich beeindruckend, sie scheinen von weitem lange nicht so brüchig zu sein wie die Nordseite, welcher ja bekannter Weise ein Bruchhaufen per Excellence ist.

Die ersten Fragezeichen werden beim Anstieg durch die Rus beäugt, wie komm ich überhaupt an den großen Kamin, der Durchschlupf in der unteren Wandstufe ist nicht eindeutig auszumachen. Wie steil sind die Grasplangen únter den Plattenwänden, und wie geht`s über die unteren Platten zu den Grasplangen. Kann ich in den Kamin überhaupt reinqueren ?.

Wie so oft muss das alles Stück für Stück erarbeitet werden, bzw. entweder es schlüsselt sich machbar auf oder der Rückzug steht an.  
In der Rus geht`s teils über steile Schrofen und Felsstufen immer nahe des Bachlaufes hinauf bis Ca. 2000 - 2050 m, Oberhalb der westseitig sichelartig geformten Felswände kann in einem trockenen Bachlauf bequem gegen die Südwand angestiegen werden.
Der Bachlauf führt dann auch gleich an die geeignete Stelle zur Überwindung des unteren Felsriegels,
In einem breiten Kamin geht`s nach oben steiler werdend hinauf.  Ca. im III Grad.
Beim Ausstieg steht man dann bereits in der Südwand, geneigte Platten welche nach oben immer steiler werden, werden in einer rinnenartigen Verschneidung leicht links ansteigend überwunden. Nun rechts haltend sowie senkrecht hinauf über einen kleinen Aufschwung (III) in eine Gufel in Dreiecksform. Hier setzt ein steiles gut gangbares Band nach Osten/rechts an. Am oberen Ende des Bandes nach links unter einen Block vorbei aussteigend auf die Grasplangen. Zunächst hart an der Plattengrenze in sehr steilem Gras / Fels (T6, I-II) aufwärts. weiter in einer schwach ausgeprägten Einbuchtung leicht rechts haltend aufwärts, bis direkt unter die Felsfluchten. (T6, II).
Nun wird die Südwand ziemlich direkt unter den Felswänden nach Westen/links gequert, und siehe Da es wird ganz einfach mit einem Schritt in den Kamin gelangt.  Wichtig ist oben bleiben. Wer hier zu tief ansetzt gelangt an einen Überhang oder kommt noch darunter an den Kamin.
Das Gestein im Kamin ist fest, kein Bruch. Der Weg zunächst logisch.
Gleich zu beginn kommt das erste Testpieces, gut spreizen hilft hier weiter, Aufschwung ca. (-IV / IV),
Eine folgende Engstelle / Aufschwung mit kaum Trittmöglichkeiten, wird durch beherztes durchziehen überwunden (-IV / IV). Der 3 Aufschwung im Kamin wird von rechts umgangen. (hier könnte man über steile Schrofen/Felsen nach rechts zum Grat hochziehen.)
Es ist aber deutlich angenehmer im Kamingrund weiter zu gehen bis unter die große Felsflucht.
Hier nun in Grasplangen 40-50m nach rechts ansteigend queren.
In sehr gutem Fels immer nach leicht rechts ansteigend durch Rinnen und über Aufschwünge (III / -IV) die gegliederte Felsflucht durchstiegen.
Nun über ein Grasband unter der finalen Wandflucht ca 20m zum nahen Grat.
Nun leicht über den Grat zum Gipfel.
Zeitbedarf ab Luchsingen 5:50 Std.
Lt. Gipfelbucheintrag, war seit letztem Jahr im Sept. niemand mehr auf dem Bösbächistock, und dieser letzte Eintrag war von mir. Ich habe im Gipfelbuch eine Skizze der Route hinterlegt.

Rüchigrat (WS)
Der Rüchigrat ist mir bereits bekannt, in teils sehr brüchigen Passagen geht`s in einem kurzweiligen Auf und Ab zur Gassenfurggel. Bei trockenem Wetter ist die Begehung deutlich stressfreier als letztes Jahr.
Die länge dieses Grates ist nicht zu unterschätzen, das zieht sich. Der Gegenanstieg an der Nordostflanke des Bös Fulen in Schutt hinauf zur Grateinsattelung zwischen P.2748 und hinter Gassenstock, zieht regelrecht die Energie aus den Beinen, das Gerutsche und Geschiebe in diesem Bruch stresst wie ... . Nach 2 Std. stehe ich unter dem Nordostgrat zum Bös Fulen.

Bös Fulen, Kubliroute (S)
Das ist nun mein 4-ter Versuch auf den Bös Fulen zu kommen, und diesmal hat es geklappt.
Dem Routenbeschrieb der Kubliroute aus der 9 Auflage habe ich was den Anfang angeht lieber nicht befolgt. Das ist irgendwie Unglücklich beschrieben, wer sich hier in eine offensichtliche Rinne westlich der Schutthalde begibt spiet mit dem Leben, Die Logik lässt einen dort aber eh nicht hin.
Von der Grateinsattelung den Schuttgrat ansteigen bis zu einem Wändchen, westlich davon ist die markante Rinne, nun in brüchigem Gestein auf einen Absatz, hier nach rechts queren an der ersten schwachen Verschneidung vorbei, zu einer geneigteren zweiten Verschneidung.
In dieser senkrecht hinauf (teils brüchig) auf ein breites Schuttband, über das Schuttband um eine
Felskante herum wechselt man auf die Bösbächiseite bis zu einem großen Couloir.
Sehr schöner breiter Quergang mit gigantischem Tiefblick ins Bösbächital, hier fallen die Felsen mehrere 100 Meter senkrecht ins Tal ab.
Das Couloir wird nach oben hin immer steiler, und leider auf den letzten fast senkrechten Ausstiegsmetern extrem brüchig. Hier ist maximale Vorsicht geboten, da ist mir einiges abgegangen.
(Nicht nur Gestein auch Adrenalin). 
Nach dem Couloir steht man auf einem brüchigen Turm, entweder man wagt einen beherzten Sprung
(ca.1,2m) zum daneben liegenden Bruchturm, sonst muß so wie ich kurz heikel abgeklettert werden
und der Übergang ist frei.
Nun noch 10 Meter über ein brüchiges Wändchen und es ist P.2748 erreicht.
Der Weiterweg geht über den Grat leicht zum Gipfel.
Abstieg vom Bös Fulen über die Südwestflanke R303.
Ein wirklicher Weg ist nicht auszumachen es wird teils in sehr schuttigen Rinnen und über schuttbedeckte Felsen abgestiegen. Ich war heilfroh das hier an diesem Tag niemand herauf wollte. Es war mir praktisch unmöglich keinen erheblichen Steinschlag auszulösen.

Guet Fulen / Grisset (S) R304
Beim tiefen Grateinschnitt zwischen Bös Fulen und Grisset beginnt der letzte Teil dieser durchaus langen
Gratwanderung.

Direkt unter den Fenstern geht´s über zwei griffarme Rinnenaufschwünge zu einer gutgriffigen
fast senkrechten Wand, hier in herrlich festem großgriffigem Fels senkrecht hoch. 2 Haken.
Direkt zum rechten Fenster, am Fenster nach rechts zum Grat hinauf. (Sehr schöne Kletterei (IV)).

Nun laut beschrieb auf die Westseite / Dräcklochseite wechseln auf ein schmales Band.
Ich habe dieses Band zur hälfte begangen, danach wurde mir das zu Harakiri.
Das Band ist glitschig, schuttig, und extrem brüchig. Ich meine Finger weg.
Besser ein Stück weiter über den Grat und dann auf der Ostseite unter den Felsen entlang zum
markanten Schlucht-/Kamineinschnitt. Hier 2 m sehr ausgesetzt eine senkrechte Wandstufe auf kleinen aber guten Tritten und an sehr guten Griffen zu einem Schuttplatz queren.
Dann einfach über den Grat zum Gipfel des Grisset.
Nach genau 11 Std. habe ich das Ende des langen Grates erreicht.
Abstieg vom Grisset über die  SW-Flanke (Grissetenchranz), sehr schuttig, in 1 Std. nach Erigsmatt.
Hier konnte ich erstmals Wasser nachfassen.

Eggstöcke
Der weitere Rückweg geht über Bützi hinauf auf den Hinteren Eggstock.
Hier lege ich erstmals mein Gstelli an. Aus dem Klettersteig beschrieb, geht hervor, das es schwer sein soll, also ist Vorsicht geboten, zumal ich nun auch nicht mehr der frischeste bin.
G´hörig luftig geht`s hinab in die Scharte, bin nochmal voll gefordert.
Auf dem mittleren Eggstock biwakiere ich. Ich bin Platt, es ist 19:30 Uhr, habe ca. 3000Hm  und eine für mich sehr lange Felsfahrt hinter mir. Etwas essen, fotografieren, warten auf die Nacht.

Es wird eine leidliche Nacht im Biwak. Keine Matraze, keine Decke, meine mitgebrachte Garderobe
reicht nicht aus gegen die nächtliche Kälte, an Schlaf ist so gut wie gar nicht zu denken, ohne Matratze liegt es sich hart nur auf einem Brett. Eine endlose Nacht mit hüpfen gegen die Kälte, kauern, und Sterne schauen  will nicht vorrüber gehen. Um 6:00 Uhr hat das warten ein Ende.
Um 7:00 Uhr breche ich nach einem herrlichen Sonnenaufgang auf.
es geht über den Grat des mittleren Eggstock zur Charlottenbrücke auf den Vorderen Eggstock, und diesen hinab zur Leiteregg und weiter nach Gumen.
Die Sonne hat mich insoweit wieder komplett aufgetaut, das ich schon wieder schwitzen muß.
Nach einem feinen Kaffee und Nußgipfeli ziehe ich gemütlich weiter zum Seblengrat, hinab nach Obere Bösbächistafel und zum Oberblegisee.
Ein herrliches Plätzchen !
Nach einem Bad für die Füsse, wandere ich gemach hinab nach Luchsingen.
Für heute waren 6 Std. Abstieg genug. Allerdings sehr gemach mit Genusspausen. 







 


Tourengänger: Dolmar


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Kommentare (9)


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justus hat gesagt: eine wahnsinnsfahrt
Gesendet am 16. August 2015 um 08:53
schon die einzelnen routenabschnitte sind eindrückliche begtouren. und dann alles zusammengehängt!

gratulation zu dieser leistung!

weiterhin unfallfrei touren
/justus

Primi59 hat gesagt: RE:eine wahnsinnsfahrt
Gesendet am 16. August 2015 um 12:15
Wieder eine unglaubliche Leistung von dir und alles so haargenau beschrieben !!

Gratulation zu dieser "Runde"

Gruss Priska

Dolmar hat gesagt: RE:eine wahnsinnsfahrt
Gesendet am 16. August 2015 um 16:44
Merci, Justus,
so muss man wenigstens nicht jede Route einzeln anlaufen.
gleichfalls noch einen unfallfreien
Tourensommer/Herbst

Markus

3614adrian hat gesagt: Wow!
Gesendet am 16. August 2015 um 12:48
Sehr eindrücklich!

Gruss Adrian

Dolmar hat gesagt: RE:Wow!
Gesendet am 16. August 2015 um 16:44
Merci, Adrian,


Markus

PStraub hat gesagt: Gratulation ..
Gesendet am 16. August 2015 um 13:29
.. zu dieser eindrücklichen Tour/Leistung!

Der eh schon nicht überlaufene Bösbächistock bekommt eine neue, extrem direkte Route - Chapeau!

Dolmar hat gesagt: RE:Gratulation ..
Gesendet am 16. August 2015 um 16:48
Merci Peter,

und das auch noch mit recht guter Felsqualität, was am Bösbächistock auch eher selten ist.

In dieser Südwand wären noch weitere Routen möglich, aber das müsste dann wohl eingerichtet werden.

Gruß
Markus


Markus

jakobme hat gesagt:
Gesendet am 13. Juli 2020 um 08:00
Hallo Makus

eine steht schöne Route hast du da endeckt und auch vielen Dank für den sehr detalieren Bericht zu der ganzen Gratüberschreitung. Nach DonMiguel's Begehung vor ein Paar Wochen war meine Tour gestern laut dem sehr überschaubaren Gipfebuch erst die dritte Begehung deiner Südwandroute. Hoffentlich sind in Zukunft noch mehr Leute motiviert diese anzugehen.

Dolmar hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Juli 2020 um 08:47
Hallo Jakobme, schön zu hören das wiederholt wurde, und Merci für die Blumen

Gruß
Dolmar


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