Tödi-Trilogie: Sandgipfel, Glarner Tödi und Piz Russein - mein Projekt ist abgeschlossen


Publiziert von PStraub , 16. Juli 2015 um 09:57.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:15 Juli 2015
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Mountainbike Schwierigkeit: WS - Gut fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   Tödigruppe   CH-GR 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2700 m
Abstieg: 2700 m
Unterkunftmöglichkeiten:Fridolinshütte SAC
Unter der Woche fast leer und perfekter Service vom Hüttenteam: besser geht es nicht!

Am Morgen des 14. Juli interviewte Irène Raphi, der in HIKR als Amortis eine Reihe eher extremer Begehungen gepostet hat, und seine Freundin Anja. Die beiden betreiben jetzt in Chamonix die Firma Happy Tracks, die Outdoor-Aktivitäten anbietet und chillen gerade ein paar Tage im Glarnerland.
Beim Gespräch fiel fast nebenbei, dass ich jemanden suche, der mit mir den Tödi auf einer eher anstrengenden Variante besteigen wolle. Sie sagten spontan zu - sechs Stunden später sassen wir mit unseren Bikes bereits im Taxi RoMa, das uns nach Hinter Sand brachte.
 
Im Verlauf des Hüttenabends zeigte sich, dass die beiden durch ihre Tätigkeit als Wanderleiter jede Menge diesbezüglicher Erfahrung mitbrachten. Wir haben Kartenspiele gespielt, von denen ich kaum mehr wusste, dass es sie überhaupt gibt.
 
Wie verabredet, zogen wir um rund halb sechs los. 
Eigentlich glaubte ich, meist eher zügig unterwegs zu sein. Aber das Tempo, das die beiden vorlegten, liessen mich noch älter  aussehen, als ich eh schon bin: In gut dreieinhalb Stunden waren wir auf dem Simlergrat.
Über den Aufstieg lässt sich nur sagen, dass die Verhältnisse absolut perfekt sind. Überall liegt gut tragender Schnee, selbst die Spaltenzone auf der Höhe der Gliemserpforte kann mit etwas vorsichtigem Gehen ohne Seil und Steigeisen gequert werden.
 
Beim Simlergrat machte ich den Abstecher zum Glarner Tödi, wo ich feststellte, dass dieser (absolut illegalerweise!) als Heli-Landeplatz benutzt wird.
 
Dann stiegen wir Richtung Sandgipfel ab. Hier oben lag noch schlecht verfestigter Neuschnee, das Gehen wurde etwas mühsam. Deshalb stürzten wir uns in hochalpine Montur und stiegen, immer auf dem Schneegrat bleibend, bis zum Gratabbruch ab, der die Verbindung zum Sandgipfel bildet.
Technisch ist das einfach, aber unheimlich brüchig - siehe Bild. Dafür war, dank Steigeisen, der Gegenanstieg geschenkt. 
 
Den Sandgipfel muss man nicht bestiegen haben. Aber er bildet immerhin einer der drei Punkte, die das bekannte, typische Tödi-Gletscherdreieck formen. Und der Blick auf die Fridolinshütte (sehr) weit unten und in die Brüche des Rötifirns gleich nebenan sind schon eindrücklich.
 
Der Gegenanstieg zum Piz Russein war wenig spektakulär, doch auf dieser Höhe spürte man die Aufstiegsmeter im mittlerweile schweren Schnee.
 
Leider war die Aussicht vom Piz Russein eher enttäuschend. Die Luft war viel feuchter als die Prognose hatte erwarten lassen, viel weiter als zum Rheinwaldhorn sah man nicht. 
Dort war noch eine Seilschaft von der Puntegliashütte eingetroffen. Ihr Führer fragte mich, wie unser Aufstieg via Röticouloir gewesen sei. Wer gesehen hat, in welchem Zustand der Hängegletscher dort ist, dem stellt sich diese Frage kaum: Ich würde diese Route als "mit vertretbarem Risiko derzeit nicht begehbar" bezeichnen.
 
Knapp vor zwölf machten wir uns auf den Abstieg. Auch der war soweit ereignislos, bis auf einen erstaunlich harmlosen Taucher mitten in der Schneerus im mittlerweile pfluderig gewordenen Schnee.
 
Nach den obligaten Umpack- und Aufräumarbeiten in der Hütte gings hinunter zu den Bikes und dann zum eher giftigen Downhill ins Tierfehd. Giftig, weil sich da absurd steile Abfahrten und gemeine Gegenanstiege munter abwechseln. Aber alles besser, als zu Fuss da hinunter zu müssen. 
 
Vier Stunden nach dem Aufbruch vom Russein war ich bereits zu Hause. Was passte, denn damit war mein Tag noch nicht abgeschlossen: Anschliessend waren Irène und ich zu einem Bootstrip auf dem, mit Bad im und Abendessen unmittelbar am Zürichsee eingeladen.
So lässt es sich leben ..
 
Danke Anja und Raphi für diesen aussergewöhnlichen Ausflug und Tildi und Jösi für den wunderbaren Abend! 
 
Geologie
Ich hatte hier schon angedeutet, dass ich im Gebiet der Gelben Wand Flysch vermute. Das hat sich für mich jetzt bestätigt. Unter dem Rötidolomit liegt, invers gelagert, eine wenig mächtige Schicht an rötlichem Quartenschiefer. Man quert dann den gelb anwitternden Dolomit über die in den Fels geschlagenen Tritthilfen. Der schwarz-braune, schieferig-bröckelige Fels darüber ist praktisch sicher Flysch. Also wäre zwischen Dolomit (Trias) und Malm der Gipfelregion eine Schicht extrem jungen Gesteins eingequetscht: Damit wäre die Annahme, das Tödimassiv sei "autochthon", also nicht in die Überschiebungen einbezogen gewesen, definitiv vom Tisch. Und die geologische Karte der Region müsste (endlich) neu gezeichnet werden.
 
Projekt
Fast sieben Jahre stand in meinem HIKR-Benutzerprofil: "Ich möchte, dass mittelfristig für jeden Wegpunkt/Berg aus 'meinem' Gebiet (= Gebiet des SAC-Führers "Glarneralpen") die Beschreibung mindestens einer Route drin ist."
Dieses Projekt habe ich mit der Besteigung des Sandgipfels abgeschlossen.
Gemäss meiner Liste gibt es in HIKR rund 470 Gipfel, Pässe oder ähnliche Wegpunkte, für die als Schlagwort der Name einer der elf Gruppen erfasst ist - eine stolze Menge für ein doch eher kleines und touristisch "abgelegenes" Gebiet. 
 
Ich möchte allen danken, die mir - eventuell unfreiwillig - bei diesem Projekt geholfen haben. Und ich hoffe, dass diese HIKR-Berichte dazu beitragen, unsere vielfältige Region (wieder) etwas mehr in den Fokus alpiner Tätigkeiten zu rücken.

Nachtrag: Gipfeltreffen
Wenige Tage nach dieser Tour bekam Irène ein Mail mit dieser Aufnahme.
Es stellte sich heraus, dass die Piloten-Legende Emil (Migg) Blumer (links im Bild) jener der oben erwähnten Punteglias-Seilschaft war, der mich nach dem Röti-Couloir gefragt hatte und der 55 Jahre nach seiner ersten Tödi-Besteigung wieder einmal dort oben war. 
Natürlich "kannten" wir uns als Flieger, aber keiner wusste vom andern, wie er aussieht.

Tourengänger: PStraub


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Kommentare (6)


Kommentar hinzufügen

Delta Pro hat gesagt:
Gesendet am 16. Juli 2015 um 10:28
Herzliche Gratulation zum Abschluss Deines Projektes und vielen Dank für den grossen Einsatz als Beschreiber!
Gruss Delta

Nicole hat gesagt: ...doch etwas knackier als...
Gesendet am 16. Juli 2015 um 12:49
bei mir am letzten WE - GRATULATON!

PStraub hat gesagt: RE:...doch etwas knackier als...
Gesendet am 16. Juli 2015 um 13:32
Gabi hat uns erzählt, dass Hans mit einer Gruppe droben war. Dass darunter die "Dame in Rot" war, konnten wir natürlich nicht ahnen.

Gruss Peter

Dolmar hat gesagt:
Gesendet am 16. Juli 2015 um 16:33
Gratuliere ,
der Sandgipfel bekommt sicherlich sehr wenig Besuch.
freut mich für dich, das dein Projekt einen guten Abschluss gefunden hat.
Hör jetzt aber blos nicht auf in die Berge zu gehen.

Gruß
Markus

Bergamotte hat gesagt: Gratuliere
Gesendet am 3. August 2015 um 21:56
Hallo Peter

Mit etwas Verspätung - ich Glückspilz hatte 4 Wochen Ferien - auch von meiner Seite herzliche Gratulation zum Abschluss dieses ehrgeizigen Projekts. Deine Berichte sind unverzichtbar geworden für Liebhaber des Glarner Hinterlands. Die Arbeit wird Dir wohl auch in Zukunft nicht ausgehen, wie Dein letzter Bericht beweist.

Beste Grüsse
Gabriel

silberhorn hat gesagt:
Gesendet am 16. November 2015 um 11:35
Sali Peter

Auf der ersten Seite des neu erschienenen Buches "WIR SEHEN UNS AM ENDE DER WELT" von Mieke Zwamborn stellt die Protagonistin des Romans währen der Anreise ins Glarnerland ihr Vorhaben vor. Nämlich die Besteigungen Piz Russein, Glarner Tödi und Sandgipfel.

Meine Hoffnung den Sandgipfel auf Hikr zu finden war eher gering. Doch Bingo!, ein einziger Tourenbericht gibt es. Eigentlich hättest Du mir in den Sinn kommen und die Hoffnung grösser sein müssen.
Nach Bericht, Fotos und den Kommentare kann auch ich guten Gewissens sagen: Herzliche Gratulation!

Sunnige Gruess
maria


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