In 3 Tagen von der Iffigenalp nach Gsteig


Publiziert von kopfsalat , 12. Juli 2015 um 21:08.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum: 9 Juli 2015
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   CH-BE 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2600 m
Abstieg: 2100 m
Strecke:30km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Lenk i.S. Iffigenalp
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Barrage du Sanetsch
Unterkunftmöglichkeiten:Wildstrubelhütte, Cab. des Audannes, Auberge du Sanetsch
Kartennummer:map.geo.admin.ch

Die Inspiration zur Tour entstammt einem Foto der Grand' Gouilles aus dem Büchlein "Alpinwandern rund um die Berner Alpen von Ueli Mosimann". Das Projekt ist mittlerweile rund 10 Jahre alt und dank unguter Vorzeichen nun endlich machbar geworden.

Donnerstag, 09.07.2015

Anreise nach Lenk und mit dem knallvollen Bus auf holpriger Strasse auf die Iffigenalp 1584m, wo ich mir erst mal ein grosses Bisi, einen fast so grossen Milchkaffee und die grandiose Aussicht auf die, auf den ersten, zweiten und dritten Blick undurchsteigbaren Felsabbrüche gönnen muss.

So gestärkt gehts in angenehmer Steigung auf dem geschickt und kunstvoll angelegten, ehemaligen Saumpfad durch die undurchsteigbaren Felsabbrüche. Der Weg ist immer schön breit und stellenweise sogar (unnötigerweise) mit Drahtseilen gesichert. So kommt trotz jähen Abbrüchen links des Weges nie irgendwelcher Höhenschwindel auf. Fast zu schnell erklimmt man so die Steilstufe und gelangt auf blumige Matten mit aussichtreichen Pic-Nic-Plätzen. (T2)

Bei der Abzweigung im Stiereläger Pt. 2279 nehme ich den linken Weg und gelange schon bald zu den Rawilseeleni, die jedoch definitiv zu kalt sind für ein erfrischendes Bad. Ab Pt. 2552 folgt der Schluss-leider-nicht-Spurt mit dem Ziel auf 2789m immer vor den Augen. Hier treffe ich dann auch auf den obligaten Bergler, welcher sich über mein unpassendes Schuhwerk auslässt. Nichtsdestotrotz bin schliesslich auch oben und geniesse ein feines Milchkaffee auf der noch sonnigen, heute aber arg windigen Terrasse der Wildstrubelhütte. (T3)

Nach dem Anmelden und "Einpuffen" mach ich noch einen kleinen Abstecher via Wisshorelücke auf die Erhebung 2885 mit herrlichem Panorama - unter dem Nebel - auf die Plaine Morte, das Wallis und die - mittlerweile auf der LK eingezeichneten - architektonischen Verschandelungen des Wisshore. Derweil der Rohrbachstein sich die ganze Zeit fast komplett im Nebel verhüllt, womit sich eine Besteigung erübrigt. Auch der Wind erreicht mittlerweile eine unangenehme Geschwindigkeit, weshalb ich zur Hütte zurückkehre und ein kleines Schläfchen mache vor dem Znacht. (T3)

Nach dem Znacht in der für einmal sehr gefühlvoll ausgebauten SAC-hütte können wir gegen halb Zehn den äusserst kitschigen Sonnenuntergang geniessen, bevor es zur wohlverdienten Nachtruhe geht.

Freitag, 10.07. 2015

Gemäss Wegbeschreibung dauert die heutige Etappe nur vier Stunden, so gehe ich erst um halb Acht frühstücken. Ein Fehler. Die kurzen Schneefelder im Abstieg sind noch überfroren, lassen sich aber problemlos umgehen. Statt zum Col du Rawil zu queren, gehe ich weglos durch die eindrückliche Schwemmebene auf 2380m, wo ich ein ausgedehnte Rast mache. Auf den Saumweg geht's zum Seelein bei Plan des Roses Pt. 2367, wo ich abermals eine Pause mache. (T3/2)

Das coupierte Gelände scheint auch vielen Vögeln zu gefallen u.a. sehe ich Hausrotschwänze, Bergpieper, Steinschmätzer und Schneesperlinge. An Erdnussflips erinnernende Kotbällchen stammen von Schneehühnern. Leider kann ich, trotz längeren Beobachtens keins entdecken.

Das Karrengelände bis zum Lac de Ténéhét, welches ich von einer früheren Wanderung her kenne, ist nun nicht mehr blau/weiss, sondern rot/weiss markiert und wurde deshalb wohl stellen-(und unnötiger?)-weise mit Metalltritten und -kabeln versehen. Der Karrsee lädt zu einer kurzen Pause ein, bevor's durch's zweite, wesentlich anspruchsvollere Karrengelände geht. Auch hier sind gewisse Stellen mit Metalltritten entschärft. Trotzdem ist Vorsicht geboten, sind die Karren doch oft messerscharf und ein Fehltritt könnte zu ernsthaften Unfällen führen. (T3)

Weht zu Beginn noch ein angenehm kühles Lüftchen, ist es mittlerweile praktisch windstill. Die zusätzlich vom fast weissen Kalk reflektierte Sonne treibt den Schweiss aus den Poren und dörrt die Kehle aus. Deshalb lege ich am Schmelzwasserbach eine lange Pause ein, fülle die Wasserflasche auf und kühle mir den heissen Kopf mit ein wenig Schnee den ich innen unter den Sonnenhut presse.

Abgekühlt mache ich mich an die letzten rund 200 Hm bis zum Col des Eaux Froides Pt. 2648, auch wenn es oben nichts dergleichen gibt. Dafür spienzeln zwei Hörner keck aus der linken Felswand. Bei genauerem Hinblick gesellen sich noch gut 30 weitere Hörner hinzu. Träge liegen die Steinböcke (alles Männchen) in der schiefrigen Felswand. Einzig ein paar jüngere steigen geschickt den morschen Fels empor und runter. Wohl der Chef liegt keine 30m vom Wanderweg entfernt unter einem Stein im Schatten. (T3)

Möglicherweise handelt es sich aber auch um eine Fata Morgana, denn zig Wanderer die den Pass von beiden Seiten erklimmen, scheinen die Tiere überhaupt nicht wahr zu nehmen. Einer davon nähert sich dem Chef-Steinbock gar bis auf 10m bevor ersterer diesen sieht und zweiterer sich bemüht aufzustehen und einen anderen Platz zu suchen (soviel zur sogenannt "natürlichen" Fluchtdistanz).

Auch wenn der westseitige Abstieg von unten ungeheuer steil aussieht, ist er in erster Line eine gefahrlose staubige Plackerei, sodass ich unten heilfroh bin, mich im herrlichen Lac des Audannes 2453m abkühlen zu können. Bis ich die 50 Hm zur Cabanne des Audannes erklommen habe, sind die Wanderhosen wieder nahezu trocken. (T3)

Nach dem "Ein-Checken" genehmige ich mir einen weiteren Schwumm, bevor es zum Dinner geht. Danach sitze ich mit den anderen Gästen in gemütlicher, quadrilinguer (F/D/I/E) Runde zusammen, bis ich recht müde um halb Zehn zu Bett gehe. Die üblichen Verdächtigen kommen um Zehn, zünden mit ihren 100 Watt Stirnlampen im Dortoir herum und veranstalten mit ihren Raschelsäckchen einen Riesenklamauk. Gewisse lernen's wohl nie!

Samstag, 11.07.2015

Heute will ich den Fehler von gestern nicht wiederholen und stehe - ohne Wecker - um viertel nach Sechs auf. Geräuschlos mache ich das Bett, nehme meine schon gestern gepackte "Westentasche Mk III" und verlasse den Schlafsaal. Vor dem Petit Déjeuner um Sieben habe ich genügend Zeit all die wesentlichen Dinge zu erledigen. Sodass ich die Hütte bereits um 20 nach Sieben hinter mir gelassen habe. Ein kühler Westwind erleichtert den Aufstieg zu La Selle Pt. 2709. (T3)

Hier bläst der Wind aber so arg, dass ich für die Pause hinter einem Fels Schutz suche. Just als ich mich niedersetze, sehe ich aus dem Augenwinkel, wie zwei grosse Vögel über mich hinwegfliegen. Genial! Zwei Bartgeier. Ein Griff (Fronttasche links) und ich habe das Fernglas vor den Augen. Ein zweiter Griff (Fronttasche rechts) und die Kamera ist im Anschlag. Als die riesigen Greifvögel (ca. 3m Spannweite) über dem Mont Pucel kreisen, reicht es gar, das Tele zu montieren. Das absolute Highlight des heutigen Tages.

Mental gestärkt gehe ich das heutige Pièce de Résistance an. Der südostseitige Anstieg zum Col des Audannes Pt. 2886 sieht schwierig aus, ist es aber nicht. Der nordwestseitige Abstieg hat es aber in sich. Zahlreiche Leitern, Metallbügel und Geländerseile entschärfen diese Schlüsselstelle zwar, wurden aber ganz offensichtlich mit dem Auge für den Aufstieg errichtet. (T3)

Da ein taloffenes Absteigen fast nicht praktizierbar ist, muss man sich auf den zuerst stark geneigten Leitern rückwärts, quasi blind den nächsten Tritt unter sich erspüren. Ein doch etwas spezielles Gefühl, wenn man weiss, dass es darunter für die nächsten 500 Hm kein Halten mehr gibt. Auch die oft weiten Abstände der nachfolgenden Metallbügel sind wohl nicht jederman/fraus Sache. Um das ganze abzurunden folgt danach eine feinschuttige abwärtsgeneigte Querung, mit Teils recht locker verankertem Geländerseil. (T4/+)

Wer nun meint, er habe das gröbste überstanden für den gibts noch eine Überraschung. Hinter einer Felswand führt ein feinschuttig, glitschiges Couloir ca. 50 Hm in Falllinie nach unten. Ein grobes Tau bietet dankbaren Halt, erfordert aber auch einiges an Muskelkraft in den Armen. (T3+)

Auf rund 2820m hat man's dann mehr oder weniger geschafft. In zahlreichen Zickzacks oft durch schuttige Gräben führt der Weg weiter auf 2600m, wo er abflacht und in die karge, dank etlicher Seen und Bächlein aber traumhaft schöne Hochebene der Grand' Gouilles auf rund 2470m leitet. Hier gönne ich mir eine lange Pause. (T3)

Das grosse Schneefeld westlich Pt. 2506 umgehe ich angenehm über den Sporn 2580. Hier kommen mir auch zwei grosse Wandergruppen entgegen, welche sich laut schnatternd im Gänselimarsch durch die Schuttflanken winden. Etwas das ich mir wohl nicht freiwillig antun würde.

Der Abstieg über die Arête de l'Arpille gestaltet sich bis auf ein, zwei Stellen problemlos. Vertigo bleibt aus. (T3)

Auf dem Col de Sénin/Col du Sanetsch Pt. 2252 der Kulturschock. Mühsam ziehen sich die letzten rund vier Kilometer bis zur Barrage du Sanetsch dahin. Ein kurzer Sprung in den Pool bringt die nötige Abkühlung bevor ich mit der Werksluftseilbahn knieschonend die letzten 850 Hm vernichte.

An der Talstation Innergsteig Pt. 1209m liegt noch ein weiterer Kilometer Asphaltstrasse an sengender Sonne vor mir, bis ich mir im Lädeli in Gsteig 1184 das wohlverdiente Glacé kaufen kann. (T2/1)

Fazit: Eine grandiose Tour bei bestem Wetter.

  • im Wiederholungsfall würde ich die Tour wohl in entgegengesetzter Richtung machen
  • die rot/weisse Markierung am Col des Audannes ist wohl der Vermarktung der "Tour du Wildstrubel" geschuldet. Blau/weiss wäre hier angebrachter.
  • das Tau weist arge Gebrauchsspuren auf und ist deshalb recht "stachelig". Ein Paar Klettersteighandschuhe wären hier nicht das verkehrteste.
  • es erstaunt mich immer wieder wie "blind" für die Schönheiten der alpinen Flora und Fauna viele Berggänger doch unterwegs sind. Nicht dass es sie nicht interessieren würde, denn weist man sie darauf hin, sind sie meist hell begeistert. Irgendwie scheint das Auge nicht dafür geschult zu sein. Auch befindet sich der Feldstecher meist zuunterst im Rucksack und wird erst am Gipfel hervorgekramt, wo es dann natürlich nicht mehr viel zu sehen gibt.
  • erschreckend hingegen fiel mir auf dieser Tour wieder einmal auf, wie viele Berggänger doch ohne (brauchbares, aktuelles) Kartenmaterial unterwegs sind. Sogar auf den beiden SAC-Hütten fanden sich keine aktuellen 1:25k Karten.

Tourengänger: kopfsalat


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Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

Runner hat gesagt:
Gesendet am 13. Juli 2015 um 10:46
prächtige Tour bei prächtigem Wetter - bravo ! :-)

Gruäss Runner

Felix hat gesagt:
Gesendet am 24. Juli 2015 um 15:34
eine tolle Tour hast da gemacht - macht Spass beim Betrachten!

lg Felix


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