Nasenlöcher, Öhrli, Hüenerberg Überschreitung und Girenspitz NE-Grat


Publiziert von Chrichen , 18. Juli 2015 um 15:54.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum: 5 Juli 2015
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AR   CH-SG   CH-AI 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 320 m
Strecke:ca. 11 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem ÖV: Zug bis Gossau / Lokalzug bis Urnäsch / Postauto bis Schwägalp, Säntis-Schwebebahn (Talstation)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mit dem ÖV: Mit der Seilbahn vom Säntis zur Schwägalp, dann wie oben in umgekehrter Richtung

Wer regelmässig auf Hikr rumschmöckert, lernt den Alpstein zwangsläufig kennen. Zahlreiche eindrückliche Berichte dokumentieren die Schönheiten und Reize dieses Gebirges. Grund genug für eine persönliche Alpstein-Premiere! Als Hauptziel wählte ich das Öhrli (2193m) via Nasenlöcherroute. Für den Weiterweg zum Säntis drängte sich die Überschreitung des Hüenerbergs in einer schönen Gratwanderung auf. Den Girenspitz Nordostgrat wollte ich mir als Option offen halten.

Nebst zahlreichen Hikr-Berichten findet sich eine Beschreibung der Route auch im SAC Alpinwanderführer Ostschweiz. Ich fand es angenehm zu wissen, dass die Strecke ab der Hinter Öhrligrueb durch Auslassen von Teilzielen abgekürzt werden kann, da ein Tag mit kräftezehrender Hitze und Gewitterneigung vorhergesagt war.

Schwägalp  Einstieg Nasenlöcher-Route (T1)
Vom Parkplatz bei der Schwägalp aus führt ein Weglein, das sich stellenweise in der Wiese verläuft, direkt zu Siebenhütten. Alternativ kann über ein Strässchen gegangen werden. Ab Siebenhütten geht es vorwiegend über breite Natursträsschen mal bergauf mal bergab und in grösseren Bögen vorbei an der Chammhaldenhütte, Schwarzhütte und an Dreihütten. Bei Verzweigungen bleibt man tendenziell auf der oberen Strasse, sofern die grobe Richtung Sinn macht. Der Verzweiger zur Nasenlöcherroute befindet sich ein gutes Stück vor dem Schwizerälpli, markiert mit einem Wegweiser wenige Meter abseits der Strasse. Der Pfad ist auf der LK als Wegspur eingezeichnet. Von der Schwägalp bis zum Abzweiger werden gerade einmal 50 m Höhendifferenz gewonnen. Die kleinen Alpen und Kuhweiden haben eine Romatik für sich, Schotterstrassen liegen mir persönlich aber nicht so sehr...

Nasenlöcher  Hinter Öhrligrueb (T4, I)
Bis auf eine Höhe von ca. 1700 m geht es auf einfachem erdigem Weglein steil und kurvenreich durch Wiesen mit hohem Gras und üppiger Blumenpracht hinauf. Danach werdem einige Felsriegel erreicht, die vom Pfad geschickt umgangen werden. Insgesamt zieht das Gelände etwas an und bisweilen kommen auch die Hände zum Einsatz. Schon bald sind die beiden Felslöcher erreicht, die der Route ihren Namen geben. Ich mache einen kleinen Abstecher zum rechten Nasenloch, das etwas schmal nach links durchstiegen werden kann, und gönne mir im schattigen Gras eine kleine Abkühlpause.

Der Alpinweg führt in Aufstiegsrichtung etwas vor den Nasenlöchern nach links weiter und wird nun definitiv anspruchsvoller mit einigen T4 Passagen. Zunächst geht es kraxelnd steil hinauf, dann folgt eine leicht ausgesetzte aber gut gesicherte Querung. Schlussendlich gilt es eine Felsbarriere mit wenigen kurzen Kletterzügen zu überwinden. Es helfen ein Stahlseil sowie einige Eisenstifte. Da trockene Bedingungen vorherrschen, verzichte ich als Übung so gut wie möglich auf die künstlichen Hilfen.

Nach überwundener Schlüsselstelle geht es wieder um einiges einfacher durch ein kleines Tälchen hinauf. Das Öhrli zeigt sich imposant von hier. Eine einfache Rinne wird noch durchkraxelt, bevor die Hinter Öhrligrueb in greifbare Nähe rückt. Diese lässt sich direkt über den linksseitigen Hang im Gras oder durch einen ausgetrockneten Wasserlauf erreichen, je nach Präferenz.

Hinter Öhrligrueb  Öhrli retour (T4+, I)
Mittlerweile ist es ziemlich heiss in der prallen Sonne, und so verweile ich nicht lange bei der Hinter Öhrligrueb. Der Aufstieg zum Öhrli ist nicht markiert, die Wegfindung ist aber mehr oder weniger offensichtlich. Über eine an eine Wüste erinnernde Halde mit feinem Schutt führt eine klar erkennbare Wegspur im Zickzack hinauf zu einem kleinen Steinriegel. Dieser kann entweder links umgangen oder einfach überklettert werden, um sich Zugang zum kurzen mit Bergblumen übersähten Wiesengrat zu verschaffen, über den man etwas ausgesetzt aber einfach zur Gipfelflanke gelangt.

Nach Überwinden einer kurzen unschwierigen Stufe erreicht man den Gipfelaufbau über eine Wiese mit vielen kleinen Steinen. Links haltend Spuren folgend findet man bald zwei steile Rinnen mit viel lockerem Material, die zum Gipfel führen. Der Alpinwanderführer ist hier unspezifisch darüber, welche zu wählen ist. Das ist insofern sinnvoll, als dass beide zum Ziel führen, und die Wahl wohl eher eine Frage persönlicher Präferenzen ist. Ich entscheide mich für die erste steilere, aber wenigstens ein bisschen stabiler anmutende Rinne rechts hinauf. Damit erspare ich mir auch anderthalb ausgesetzte Meter. Die Rinne lässt sich in etwas brüchigem und scharfkantigem Gestein gut erkraxeln, und viel schneller als erwartet finde ich mich auf dem Gipfelplateau.

Die intensive Sonne und eine Schar von lästigen Insekten (fliegende Ameisen?), die sich partout an mein Brötchen machen wollen, sorgen für eine relativ kurze Gipfelrast. Die Aussicht geniesse ich dennoch gebührlich. Auf (fast) gleichem Weg steige ich anschliessend wieder zur Hinter Öhrligrueb ab.

Höch Nideri  Überschreitung Hüenerberg (T5, I)
Via Öhrlisattel (oberer Weg direkt von der Hinter Öhrligrueb aus, einige Stahlseile) geht es nun weglos hinauf in Richtung Höch Nideri. Der Hang ist nicht allzu steil, und lässt sich mehr oder weniger frei begehen. Einzig auf die tiefen Löcher im Karstgestein ist Acht zu geben. Zum Teil findet man Wegspuren.

Ab P.2247 beginnt nun ein anregender teilweise recht schmaler und ausgesetzter Grat, der auf der Nordseite stellenweise fast senkrecht abfällt. Am besten bleibt man stets möglichst nahe an der Gratkante, wobei tendenziell meist in die sanftere Südflanke und nur manchmal in die Nordflanke ausgewichen wird. Insgesamt ein moderates T5, wobei sich die schwierigen Stellen im ersten Abschnitt vor dem vermutlich höchsten Punkt P.2312 befinden. Hier gibt es auch mehr felsige Passagen als später und der Grat macht einen wilderen Eindruck. An einer Stelle weiche ich einigen grösseren Blöcken einem Grasband folgend in der Südflanke aus, um bei der erstbesten Gelegenheit sogleich wieder die Grathöhe zu gewinnen. Wahrscheinlich hätte man auch hier an der Gratkante bleiben können. Bei meiner Wegwahl bin ich auf keine Kletterstellen im II. Grad gestossen.

Der markante Aufschwung bei P.2312 bietet keine besonderen Probleme und lässt sich im Schrofengelände leicht erklimmen. Danach geht es unschwierig über einige sanftere Erhebungen bis zum Hüenerbergsattel P.2325. Es zieht sich etwas. Der Hüenerbergsattel kann kaum verfehlt werden, denn hier setzt der abweisende Vorgipfel des Girenspitz dem einfachen Gehgelände ein apruptes Ende.

Hüenerbergsattel  Girenspitz NE-Grat (T6, III- oder WS)
Vom Hüenerbergsattel könnte man nun kurz und schmerzlos auf den nahe gelegenen Säntisweg absteigen, der via Blauschnee und Himmelsleiter zu den wunderschönen Überbauungen auf dem Säntis führt. Zur Zeit hat man die Wahl zwischen Abrutschen auf Altschneefeldern oder Geröll. Nach kurzem Zögern entscheide ich mich stattdessen, den Girenspitz Nordostgrat zu versuchen.

Es gibt insgesamt drei Steilstufen zu bewältigen: die erste beim Vorgipfel, die zweite und dritte am Hauptgipfel. Zwischen Vorgipfel und Hauptgipfel sowie zwischen der zweiten und dritten Stufe besteht jeweils die Möglichkeit, über Couloirs zum Blauschnee auszuqueren für einen Rückzug/Abbruch. Zwischen den Kletterstellen, die sich im zweiten bzw. im unteren dritten Grad bewegen, bietet Gehgelände Raum für Verschnaufpausen. Die Route ist spärlich mit verwaschenen grünen Punkten und Strichen markiert. Vom Hüenerbergsattel ist zunächst nur der Vorgipfel einsehbar.

Meine Vorbereitungen sind leider nicht ideal und ich habe keine Ausdrucke der hilfreichen Topos von Mueri dabei (hier und hier). Da ich vage im Kopf habe, dass man beim Einstieg besser in festerem Fels neben der offensichtlichen Idealroute ansetzt, leiste ich mir schon von Beginn an einen kleineren Verhauer: anstatt direkt über eine Stufe auf den begehbaren Sporn aufzusteigen setze ich weiter rechts an, wo der Fels in etwa die Form eines Trichters annimmt und einen kompakteren Eindruck macht. Die Griffe und Tritte sind für meinen Geschmack eher klein und auch hier gilt es dieselben vor Belastung zu prüfen. Mit recht grossem Kraftaufwand schaffe ich den ersten Abschnitt fast in der Fallline, um dann schwach ausgeprägten Bändchen folgend nach rechts, dann zurück nach links und schliesslich über einen letzten steilen Absatz zum Sporn hinauf zu gelangen. Hier treffe ich auf die Markierungen, die über unschwieriges Gelände geführt hätten.

Nach einigen Metern aufrechten Gehens gelange ich an den Fuss eines kleinen Wändchens mit einem grünen Punkt. Die Stelle sieht wenig einladend aus, und da ein Punkt alleine noch nicht allzuviel aussagt, teste ich noch kurz ein Band aus, das nach rechts zu einem Kamin hinaufführt. Hier gibt es keine weiteren Markierungen mehr und wahnsinnig toll sieht es da auch nicht aus. Also nochmals mit etwas Herzflattern über das Band zurück zur Markierung und dort direkt hinauf. Auch diese kurze Stelle fordert Armkraft. Sie wird in einigen Hikr-Berichten als III- bewertet. Beim Ausstieg sind wieder grüne Markierungen zu sehen, was für Seelenfrieden sorgt. Einfach geht es weiter hinauf zum höchsten Punkt des Vorgipfels. Danach wieder hinunter in eine tiefe Scharte über einen recht scharfen und ausgesetzten Gratabschnitt. Dieser lässt sich aber problemlos über- und umkraxeln. Indes hat man auch einen guten Blick auf den Hauptgipfel und die weitere Route.

Am Fuss des Hauptgipfels überlege ich mir ernsthaft über das schneegefüllte Couloir zum Säntisweg auszusteigen, da das ganze Unternehmen doch eher am oberen Limit meiner Fähigkeiten zu sein scheint. Glücklicherweise habe ich einen Pickel dabei, der hier sicherlich geholfen hätte, denn es geht doch recht steil hinunter. Dank viel Zeit, Musse, Handyempfang und kühlem Schatten schaue ich mir jedoch nochmals einige Hikr-Berichte an und verschaffe mir einen Überblick über die weitere Route und deren Schwierigkeiten. Die Recherchen wirken beruhigend und ich entscheide mich, vorerst die nächste Stufe in Angriff zu nehmen.

Es handelt sich um eine leicht nach links führende Kletterstelle im II. Grad. Sie ist dank guter Griffe und Tritte nicht überaus schwierig aber etwas länger, was im oberen Bereich naturgemäss eine gewisse Ausgesetztheit mit sich bringt. Oben angekommen, stelle ich mit Freude fest, dass die folgende und letzte Ausstiegsmöglichkeit aus der Route nicht mehr so steil ist, und hier ein Abbruch relativ bequem möglich wäre.

Die dritte Stufe wird über ein nach links führendes anfangs plattiges und breites Band bewältigt. Haken zum Sichern sind vorhanden. Das Band verengt sich mit zunehmender Höhe und ein leicht herausragender Felsbrocken versperrt schliesslich die Sicht auf den Weiterweg. Hier stellt sich in Anbetracht der bereits beachtlichen Exponiertheit nochmals ein gewisses Unwohlsein ein, und ich denke an einen koordinierten Rückzug. Schlussendlich fasse ich jedoch den Mut, einen Schritt weiterzugehen und provisorisch auf die andere Seite zu "gügseln", wo es dann doch nicht so schlimm aussieht. Das Band bietet weiterhin sicheren Stand und Griffe sind wieder zahlreicher vorhanden. Also turne ich konzentriert an der besagten Stelle vorbei und bewege mich langsam weiter zum Ausstieg direkt nach oben. Ein paar einfache Züge mit mehr Tiefblick als man sich wünscht, und ich stehe wieder im Gehgelände. Laut Führer bewegt sich diese Stelle im unteren dritten Grad, klettertechnisch fand ich aber den Vorgipfel etwas anspruchsvoller.

In T4 Manier geht es nun nordseitig weiter zum Gipfel hoch, nach den bisherigen Erlebnissen schon fast ein Spaziergang. Die Konzentration lasse ich trotzdem nicht fallen. In einem einfachen Kamin kommen nochmals kurz die Hände zum Einsatz, bevor der Girenspitz bezwungen ist.

Girenspitz  Säntis (T3)
Da die Trinkvorräte mittlerweile vollständig aufgebraucht sind, fällt die Gipfelpause auf dem Girenspitz erneut kurz aus. Im T2 Gelände geht es hinunter zum Girensattel und über einen gut befestigten kurzen Wegabschnitt zur Himmelsleiter. Diese ist schnell überwunden, und durch das kühle Dunkel geht es auf ein erfrischendes Bier zu :-)


Fazit: Der Alpstein hat mich schon auf dieser ersten Wanderung in seinen Bann gezogen, und inzwischen war ich schon zweimal wieder in der Region (Berichte folgen noch). Die Wanderung war äusserst abwechslungsreich mit schönen Ausblicken, trotz etwas dunstigen Verhältnissen. Anzeichen von Gewitterbildung gab es schlussendlich keine. Der Girenspitz NE-Grat stellte einen Abschluss mit viel Würze dar, insgesamt recht nahe an der Grenze dessen, was ich mir noch zutraue. Vielleicht kein typischer T6er, da die Schwierigkeiten vor allem im Fels liegen, aber dennoch meine erste "Wanderung" in diesem Schwierigkeitsbereich.

Tourengänger: Chrichen


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