Tschuggen und Gonzen, eine sagenhafte Gegend


Publiziert von Kik , 26. Juni 2015 um 16:01.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:13 Juni 2015
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG   Alvier Gruppe 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m

Vom Talboden der Seez kann man sich kaum vorstellen, dass ein angenehmer Weg die felsgebänderte Flanke des Tschuggen überwindet. In unzähligen Serpentinen mit Mäuerchen führt der Wanderweg von den Reben durch den Hochwald über die Heuwiesen von Hinterspina bis Palfries, wo früher freie Walser siedelten. Der Weg ist nirgends ausgesetzt, auch für Leute mit Höhenangst völlig unproblematisch, geht aber effizient hoch. Ein Fässchen Wein möchte ich in der schwülwarmen Luft jetzt nicht hochtragen müssen.

Starch Lüt sinns gsi, di alta Pilfriiser. A Schuomacheri heg amol a Lägala voll Wy vu Sargaas awägg über  Hällachrütz un dor d Spyna uitrait, uunischt an ainzigs Mol abstella un z ruoba. (1)
 

In Hinterspina setzen wir uns auf ein Bänklein vor dem ersten Haus. Die Wiesen sind voller Akelei. Vis à vis steht ein Pfeiler der Seilbahn Ragnatsch-Palfries, die vermutlich immer noch nicht in Betrieb ist. Die höheren Berge ennet dem Tal stecken in den Wolken. Von Hinterspina an ist der Weg breit ausgebaut worden. An den wenigen Ruinen des alten Kurhauses vorbei führt er zum neuen Berghaus Palfries. Wir zweigen vorher ab auf den direkten Weg zur Alp Tschuggen und zum Chamm, über den ein starker Wind vom Rheintal her bläst.

Dr letscht Walser im Pilfriis ischt der Joas uff am Chamm gsi. Ama gletschchalta Morga im Oogschta ischt zmol a Chinn vom Tränggitrog awägg in d Stuba z springa chu und hät volla Frööda grüeft: "Du Vater, ds Wasser hät gniidlat!" Dr Chammjoas ischt stuchawiss worda un sait: "Soa, gniidlat saischt... dä Nidla känn i... Jetz ischt di guot Zit vorbei, jetz chumm di böasa Joor!" (2)
 

Durch hohe Grasbüschel stapfen wir über den Rücken zum Tschuggen. Senkrecht unter uns liegt Vorderspina. Ein Teil seiner Wiesen wird gemäht, der Rest von Schafen beweidet. Wie eine Haifischflosse imponiert im Westen der Chöpfenberg, daneben verschwimmt im Dunst ein Stück Zürisee. Wir überwinden das mit einem Elektrozaun bewehrte Mäuerchen der Gemeindegrenze Mels-Sargans und steigen über eine Grasrippe zum Stall auf der Folla ab. Am Weg zum Gonzen grüssen die ersten Alpenrosen. Auf der aussichtsreichen Warte rauscht ein Segelflieger, ein Doppelsitzer, über unsere Köpfe und winkt. Wir winken zurück, da beginnt er Loopings zu fliegen. Ich ducke mich unwillkürlich.
 

Gsii seis ä Gwett, hät dr Vater dinn verzellt. Ä Mandli häi gwettet. Äs hett dinn söllä vom Gunze ahä uf än Alpänägelichopf springä. Häts aber nid fertig proucht. Isch z churz chuu, nu bis uf d' Häxäplattä. Häts nid müüga. Dr Vater hät nis dinn dr Abtrugg vo dem Mandli zäiget. Jetz isch er verwaggsä. (3)
 

Das Flugzeug rauscht zum Falknis hinüber. Dafür lässt sich eine Alpenbraunelle am Fluhrand nieder und hüpft ohne Scheu bis in unsere Nähe. Sie interessiert sich weder für unsere Brösmeli noch für ein altes Bütschgi.

Das Wetter wird immer sonniger und heisser. Wir steigen über den Walserberg an alten Ahornbäumen vorbei zum Clubhaus Lanaberg ab. Es ist Sa/So bewirtet und lockt mit seiner prächtigen Lage zu gemütlichem Verweilen. Dann geht es auf dem Rheintaler Höhenweg, einer breiten Wanderautobahn, fast ohne Teer zum Schloss Sargans. Über die steile Schlosstreppe gelangen wir in die kleine Altstadt, wo der Rathausbrunnen für willkommene Abkühlung sorgt.
 

Am Jüngschtä Taag sell dr Gunzä zimmägkeiä. Aber dinn gout jo di ganz Wält under. Das cha üs dinn glych sy. (4)
 

Sagenzitate aus: Alois Senti, Sagen aus dem Sarganserland, 1974, Schriften der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde, Band 56, Verlag G. Krebs AG Basel. (1) p 15, (2) p 18, (3) p 211, (4) p 13.


Tourengänger: Kik


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Kommentare (4)


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johnny68 hat gesagt: Wunderbarer Bericht
Gesendet am 26. Juni 2015 um 22:01
Hallo Kik

Du hast hier einen wunderbaren und lesenswerten Bericht in einem druckreifen erstklassigen Deutsch verfasst, wie man es im HIKR selten findet. Dein Bericht ist sehr poetisch und verdient die Aufmerksamkeit aller. Herzlichen Dank!

Mir gefallen auch die eingestreuten Zitate von Alois Senti. Sie erinnern mich an meine Werdenberger und Sarganserländer Verwandtschaft, die genau so spricht, wie es Alois Senti hier niedergeschrieben hat. Ich höre hier fast die Tanten, Onkel und Cousins meiner Frau sprechen.

Liebe Grüsse
Johnny

Kik hat gesagt: RE:Sagen aus dem Sarganserland
Gesendet am 26. Juni 2015 um 22:22
Sali Johnny,
Danke Dir für die Anerkennung dieses Experiments. Ich habe das Buch beim Aufräumen der Hinterlassenschaft eines Onkels gefunden und bin begeistert von der Originalität dieser Sagen. Viele lassen sich heute noch verorten und kommen mir in den Sinn, wenn wir in der Gegend wandern.
Viele Grüsse
Kik

johnny68 hat gesagt: RE:Sagen aus dem Sarganserland
Gesendet am 1. Juli 2015 um 10:55
Salü Kik
Der Berner Zeitung musste ich entnehmen, dass Alois Senti vor 2 Tagen (am 26. Juni 2015) im Alter von 85 Jahren gestorben ist http://www.bauernzeitung.ch/news-archiv/2015/alois-senti-gestorben/.

Ich behalte ihn auch dank deines Berichtes in guter Erinnerung.
LG
Johnny

Kik hat gesagt: RE:Sagen aus dem Sarganserland
Gesendet am 1. Juli 2015 um 18:42
Oh, danke für Deine Mitteilung! Ich habe ihm gleich nach der Tour einen Entwurf geschickt, ob er etwas dagegen habe, wenn ich ihn zitiere, und deshalb den Bericht erst nach 12 Tagen ohne Reaktion aufgeschaltet.
Seine Sagensammlung bereichert mein Verständnis und meine Wanderungen.
Viele Grüsse Kik


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