Wandern im Valle Vigezzo

In meinem Leben bin ich unzählige Male von Domodossola mit der Centovalli-Bahn nach Locarno gefahren und habe mich gewundert über die vielen Ferienhäuser und Hotels mit fast immer geschlossenen Fensterläden, offensichtlich eine riesige selten benutzte touristische Infrastruktur. Ich fuhr immer durch – aber ich war nie da. Marone und Druogno hatte ich schon erwandert, das eigentliche Valle Vigezzo war mir voller Rätsel.
 
In Toceno oberhalb von Santa Maria Maggiore fand ich zufällig das B&B Al Sasso. Von hier aus wollten wir im Hinblick auf allfällige Wandertage mit meiner Seniorenwandergruppe das Val Vigezzo erkunden. Um es vorwegzunehmen: wir kamen hier als Gäste, und wir gingen als Freunde. Wir logierten eher in einem A&A (Appartamento&Amicizia), fürsorglich betreut von Federica und ihrem Mann Gesue.
 
Donnerstag, 17. April - von Toceno auf die Piana di Vigezzo
Am ersten Wandertag wollten wir gleich hoch hinaus. Von Santa Maria Maggiore führt eine meist stillstehende Kabinenbahn hinauf auf die Piana di Vigezza. Im Wissen darum, dass oben auf 1700m noch Schnee liegen könnte, stiegen wir über Mondei in unzähligen Serpentinen den steilen Wald hinauf und stapften bald einmal an schattigen Stellen durch feuchten Schnee. Oben bei der Bergstation mussten wir einsehen, dass eine Alternative für den Abstieg nicht vorhanden war, also zurück auf dem Aufstiegsweg, für die immer noch handicapierte Diapensia stürzen streng verboten. Ende gut, alles gut – aber sicher keine Wanderung für meine Senioren.

Am Abend essen wir im Ristorante Marconi in Vocogno. Es ist schwierig, überhaupt ein Lokal zu finden. Ausserhalb des Ferienmonats in Italien, dem Ferragosto, läuft im Valle Vigezzo touristisch wenig. Gute Cucina Casalinga (Hausmannskost) kommt in üppigen Portionen auf den kleinen Tisch. Wir sitzen in unmittelbarer Nähe des offenen Kamins, später setzt sich an einem grossen Tisch die Familie dazu. Man sieht es den drei erwachsenen Söhnen gut an, dass täglich viel und gut gegessen wird.

Freitag, 18. April - Ausflug nach Domodossola
Heute regnet es in Strömen. Wir fahren deshalb mit der Centovalli-Bahn (Vigezzina) nach Domodossola. Das Schweizer-GA (Generalabonnement) ist im Valle Vigezzo gültig. Die Rückreise geniesse ich im Treno Panoramico vorne direkt neben dem Lokomotivführer.

Samstag, 19. April
Weil in höheren Lagen zu viel Schnee liegt, wandern wir heute von Dorf zu Dorf zum Wallfahrtsort Re. Es gibt die mit M0 bezeichnete Via del Mercato. In Italien einen Wanderweg finden ist schwierig, ihn dann nicht verlieren noch schwieriger. Ich frage mich in den Dörfern einfach durch. Die Menschen hier sind sehr freundlich und hilfsbereit. In Craveggio fährt uns ein älterer Mann mit dem Roller voraus, um uns den Beginn der Via Crucis zu zeigen. Wir erfahren nun auch, warum es in den Dörfern so viele Kamine hat. In den Häusern hat es keine Heizungen. Jede Wohnung hat ein offenes Kamin, wo man sich am Abend vors Feuer setzt.
 
Toceno, Craveggio, Zornasco, Villette, Re. Dörfer, in denen es viel zu beobachten, viel zu fotografieren gibt. Dörfer, mit sehr sympathischen Menschen. Höhepunkt ist natürlich Re mit der gigantischen Wallfahrtskirche. Man mag darüber denken wie man will: eindrücklich ist es allemal. Von der Kirche zur Trattoria ist es jeweils nicht weit – und so beschliessen wir die heutige Wanderung mit Polenta und Funghi Porcini (Steinpilze).

Nachwort
Ich beschreibe hier einfache Wanderungen, von spektakulärem Bergsport kein Wort. Wer die Berge nur als Sportgelände versteht, greift viel zu kurz. In den Bergregionen gibt es reiche Kulturgüter, Kulturlandschaften, Traditionen – und vor allem Menschen, die um ihre Existenz kämpfen. Um diesem Aspekt auf Hikr mehr Gewicht zu geben, überlege ich, eine entsprechende Community zu eröffnen. Dies meine Stellungnahme zu einer ins Leere laufende Diskussion.