Berlin - Mauerweg


Publiziert von Max , 24. März 2015 um 17:08.

Region: Welt » Deutschland » Norddeutsches Tiefland
Tour Datum: 6 März 2015
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 3:00
Kartennummer:maps.google.de

Vor 25 Jahren unternahm ich eine beeindruckende Reise. Mit einem Spezl fuhr ich durch den Süden der DDR, wir besuchten Weimar, Erfurt, Dresden, Leipzig, Wittenberg, Potsdam und landeten schließlich in Berlin. Eine Reise zum Mars wäre mir ein halbes Jahr zuvor machbarer erschienen, über diese zwei Wochen im Frühjahr '90 könnte ich Bücher schreiben.

Als Kind des Kalten Krieges war man an gut bewachte Grenzen zwischen Ost und West gewohnt, heute muss man die Überreste derselben suchen. Bevor ich den Mauerweg laufe, erinnere ich mich an diesen Märztag, genau vor 25 Jahren, es war saukalt und wir standen an der Grenze zu den West-Sektoren Berlins.

Ich: "Grüß Gott!"
Grenzer: "Na, wenn ich ihn sehe..."
Schmunzeln, wir überreichen die Papiere
Grenzer: "Sie reisen aus?"
Ich: "Äh, nein, wir wollen rein..."
Grenzer: "Wohin woll'n S'e denn?"
Ich: "Ja, mei, nach Berlin halt!"
Grenzer: "Berlin ist die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, Sie meinen wahrscheinlich West-Berlin, also reisen Sie aus!"
Ich: "Äh, ja wahrscheinlich, Berlin, West-Berlin, Wissen'S, uns is' des egal..."
Grenzer (wird langsam böse): "Also was jetzt, ausreisen, einreisen?"
Ich: "Ja, also gut, West-Berlin, ausreisen, jawoll!"
Grenzer: "Folgen Sie dem Wagen dort rechts, dessen Fahrer hat's schneller begriffen!"


Nach diesem äußerst herzlichen Empfang klopften wir ein paar Brocken aus der Mauer, suchten wie Wim Wenders den Himmel über Berlin und verbrachten nette Tage in einer Wohngemeinschaft von nachtaktiven Langzeitstudenten, wobei die Belegung des Altbaus in Moabit als äußerst dynamisch bezeichnet werden muss.

Meine Wanderung führt zunächst vom Dom an der Spree entlang zur Museumsinsel. Der Trödelmarkt am Kupfergraben bietet neben den üblichen Pelzmützen mit rotem Stern auch antiquarische Bücher und unerwartete Schnäppchen. An der Friedrichstraße biege ich links ab zum S-Bahnhof und zum berühmtesten Grenzübergang neben dem Checkpoint Charlie. Das blaue Gebäude des sogenannten Tränenpalastes beherbergt eine wirklich sehenswerte Ausstellung.

Weiter geht's Richtung Norden, vorbei am Oranienburger Tor bis zum Naturkundemuseum und dann nach rechts zur Bernauer Straße. Dieser Straßenname steht wie kein anderer für den 13. August 1961. Menschen hangeln sich über Fenstersimse und versuchen so in den Westen zu gelangen. Am Beginn der Bernauer Straße befindet sich der Nordbahnhof, ein sogenannter Geisterbahnhof. Die Züge fuhren in West-Berlin, unterquerten dabei aber Ostberlin und hielten nicht an diesen stillgelegten Geisterbahnhöfen. Die Bahnhöfe wurden von den Grenztruppen gesichert, um Fluchtversuche zu unterbinden.

"Det is' ne Baustelle" plärrt mich ein städtischer Bediensteter an, als ich mir den Bahnhof anschaue. "Dann schreibt's des halt hin, ihr Brez'nsalzer!" So entwickelt sich wieder einmal recht zügig ein anregender Nord-Süd-Dialog.

An der Gedenkstätte Berliner Mauer beginnt der Mauerweg, der entlang des ehemaligen Postenweges Richtung Prenzlauer Berg führt. An diversen Abschnitten gibt es Hinweise auf Fluchttunnel, geglückte und missglückte Fluchtversuche, ein kleiner Abschnitt mit Wachturm ist erhalten geblieben, vom Dach des Dokumentationszentrums hat man einen prima Blick darauf, Gedenktafeln erinnern an die 138 Mauertoten. Aus den Überresten der Mauer darf man nichts mehr entfernen, da pappt jetzt das Siegel des Denkmalschutzes drauf.

Vor allem junge Touristen sind fasziniert und wundern sich, die meisten waren zum Zeitpunkt der Wende noch nicht geboren. Die Displays vermitteln die Informationen in Deutsch und Englisch, allerdings kommt mir so vor, dass die überwiegende Mehrheit Spanisch spricht.

Weiter Richtung Osten wächst in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Mauer schmucker Wohnraum, der Zuzug von 50.000 Menschen jährlich in die Stadt muss ja irgendwie verdaut werden. Die Schwedter Straße könnte als Sinnbild für den angrenzenden Stadtteil Prenzlauer Berg stehen. Latte-Macchiato-Muttis besuchen Biorestaurants, mondäne Neubauten stehen neben verfallenden Gebäude, Vegetarier und Discounter schreiten Seit' an Seit', das Arbeitermilieu dagegen muss höheren Einkommensschichten weichen.

Am Senefelderplatz geht's über die Schönhauser Allee wieder nach Mitte, vorbei am Rosa-Luxemburg-Platz mit der Volksbühne und schließlich zum Alexanderplatz.

Die paar Mauerbrocken, die ich damals mühsam aus dem Beton gemeißelt habe, wurden mir abgeschwatzt und zieren jetzt irgendwelche Kaminsimse in den Staaten. Soll mir recht sein. Im Nachhinein betrachtet ist dies das Beste, was diesem Bauwerk passieren konnte.



Tourengänger: Max
Communities: Städtetouren


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