Herbstbedingungen kurz vor Weihnachten - der Anstieg von Morteratsch zur Bovalhütte 2495m


Publiziert von alpensucht , 25. Dezember 2014 um 13:31.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Berninagebiet
Tour Datum:19 Dezember 2014
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT4 - Schneeschuhtour
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Bernina-Gruppe 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 600 m
Abstieg: 20 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Per Rhätische Bahn (Bernina-Express-Linie) bis Station Morteratsch (Bedarfshalt)
Unterkunftmöglichkeiten:Pensionen in Samedan, Hotel in Pontresina, Winterraum (WR) der Chamana da Boval

Eine Woche zuvor haben wir mit Spannung die Entwicklung der Verhältnisse im gesamten Ostalpenraum verfolgt, endlos gesurft auf den Meteo- und Lawinenseiten und sind letztendlich auf das Berninagebiet gekommen. Dabei müssen wir als Flachländer immer auch die sehr langen Anfahrtswege beachten und somit fällt leider häufig alles südlich des Hauptkamms heraus, weil die Anreisezeit nicht mehr im Verhältnis zur Tourenzeit steht (bzw. die entsprechenden Kosten). Als die freien Tage vor Weihnachten näher rückten, konnten wir uns über gute Prognosen und akzeptable Bedingungen freuen. Spannend blieb nur die Realität vor Ort, die uns zunächst nicht unerheblich beeindruckte. Was wir eigentlich wollen? Einfach die wunderschöne Stille der Berge in der Vorweihnachtszeit genießen und vielleicht die eine oder andere Tour über 3000m mit Schneeschuhen versuchen.

Schon bei der Anreise per Fernbus und SBB beobachten wir im Vor- und Nordalpenraum viele linsenförmige Wolken (zeigen Föhn an) und die wirklich geringe Schneelage bis 2000m. Auf der echt schönen Linie der Rhätischen Bahnen von Chur nach Morteratsch sind wir zunehmend bestürzt über die miserable Schneelage selbst bis hinauf nach Pontresina.

16:30 Uhr beginnen wir beim letzten Tageslicht unseren Aufstieg von Morteratsch zur Bovalhütte. Durch Wegweiser direkt an der Bahnstation finden wir schnell den richtigen Abzweig rechts von der Loipe (Richtung Morteratschgletscher) in den Wald hinein. Eine kleine Einkaufstüte mit wenigen unnötigen Utensilien deponiere ich nahe des Wegs am Waldrand - und schon steigen wir den steilen Weg mit schweren Mehrtagegepäck (inkl. Winterhochtourenausrüstung) hinauf. Zu Beginn hat es etwa 20cm Schnee, der Weg ist ausgetreten und teils etwas vereist. Die Schneeschuhe bleiben zunächst noch am Rucksack.

Da ich in den vorigen Tagen noch nicht vollständig von einem heftigen Infekt genesen war, huste ich gerade bei den ersten anstrengenden Schritten sehr viel und gehe deshalb relativ langsam und mache immer wieder Pausen. Es hat knapp unter 0°C, die Sonne geht gerade unter und vor uns liegt ein abenteuerlicher, unbekannter Zustieg. An mehreren Stellen müssen wir weiter oben kurz halten und abwägen, wo die Trasse unter dem Schnee verborgen liegt. Der Schnee wird allmählig tiefer, das Licht schwindet, kein Mond scheint uns auf die weiße Pracht. Auch die vielen Bänke wirken kaum verlockend für uns wohl wissend, dass unsere morgige Tour auch davon abhängt, wie gut wir heute Abend zur Hütte gelangen!

Langsam lichtet sich der Wald, das Gelände lehnt sich zurück und weiter gehen wir in südwestliche Richtung. Inzwischen zeichnet sich links von uns immer deutlicher die Moräne ab, an der wir uns bis kurz vor die Hütte gut orientieren können. Wir überqueren den Holzsteg im Moränental und legen kurz danach die Schneeschuhe an. 17:45 Uhr. Zeitweise sehen wir sogar Skipuren, die rechts knapp über dem Moränental den Hang queren. Wir halten uns jedoch häufiger direkt im Tal, am rechten Hang der Moräne, oder sogar direkt auf deren Schneide. Mit Spuren wechseln wir uns regelmäßig ab.

Ab 2200m liegen inzwischen bereits 30-50cm Schnee, z.T. mit dünnem Harschdeckel. Gegen 19:30 Uhr erreichen wir den Chamin, wo zwei kurze Serpentinen den inzwischen ziemlich steilen Hang rechts der Moräne einen Felsriegel umgeht. Erst scheint es, als führten Spuren mitten in diesen hinein, doch entscheiden wir uns für den steilen Aufstieg durch die sicher über 40° steile Stelle (ca. 20m). Die Geländegegebenheiten nutzend, wühle ich mich in engen Serpentinen hinauf, mein Tourenpartner wartet unten, die Pieps-Geräte sind längst eingeschaltet und auf Funktion geprüft. Glücklicherweise finde ich oben auf einem Band einen Fels mit einer Markierung, die uns sehr erleichtert. Mein Tourenpartner ist ohne Stöcke unterwegs und schluckt sich nun erstmals gewaltig die häufig nachrutschenden Tritte hinauf. Sein Eispickel versinkt meistens im Bodenlosen Schnee.

Im weiteren Routenverlauf passieren wir noch ein bis zwei heiklere Rinnen, oder Steihänge und wundern uns nicht schlecht über die seltsamen Reflektoren in den Felsen über uns. Weisen die uns den Weg zur Hütte? Einige Minuten halten wir inne und starren mit unseren Stirnlampen in die vage beleuchteten Felsen. Schlussendlich offenbaren sich die wegweisenden Reflektoren als Augenpaaren von Gämsen, die sich auf den Felsbändern ein veritables Winterquartier eingerichtet haben.

Der Munt Pers liegt nun genau westlich von uns. Laut Karte müssen wir nur wenige Hundert Meter "danach" rechts steil den Hang hinauf zur Hütte. Ich glaube schon längst mehrmals die Hütte oben gesehen zu haben, doch jedesmal erweisen sich die gesichteten Objekte als Felsblöcke. Wieder einmal einen von den sehr auffällig regelmäßig wirkenden Blöcken über uns erspähend, glaubt mein Tourenpartner nicht, dass dort die Hütte sei. Selbstbewusst steige ich rechts durch den tiefen Pulverschnee steil in den Hang ein und wühle mich langsam in nordwestliche Richtung. Nach wenigen Schritten sehe ich die Ecke de Terrasse und das Hüttendach. Mein Spezi glaubt mir immer noch nicht und sucht noch das Gelände um das Campingverbotsschild ab.

Kurz nach 20 Uhr erreiche ich die Hütte und freue mich riesig über eine aufgeschlossene Haupttür und einen WR mit Ofen. Nach zehnminütigen Erkunden des Hütteninneren schaue ich draußen, wo mein Seilpartner bleibt. Ein weit entferntes Stirnlampenlicht wundert mich etwas, doch gehe ich wieder in die Hütte, nachdem wir uns durch Zurufe verständigt haben. Gegen 20:30 Uhr trifft dann endlich mein stockloser Gefährte auf der Terrasse ein. Er beschwert sich über die häufig nachgebenden Spuren.

Gemütlich legen wir uns auf Liegestühlen in die Sonne und genießen den herrlichen Blick auf die Gletscher und Gipfel der Berninagruppe... ni! 

Da unsere netten Vorgänger uns ganze drei winzige Holzscheite übrig gelassen haben, müssen wir zunächst den Eingang des kleinen Schuppens von einem Meter Schnee befreien und zwei der großen Holzklotze zersägen und zerhacken - für uns Städter selbstverständlich ein Hochgenuss, welcher uns an unsere Kindheit erinnert. Wir finden genau alles, was wir brauchen - eine funktionstüchtige Axt, ein Beil, eine große Schneeschaufel und eine große Säge. Auch der WR ist gut ausgestattet. Etwas geärgert haben wir uns nur über eine Metallkiste, in der wir Asche und allerlei Kunststoffabfall fanden.

Uns stehen bei den momentanen Prognosen vier grandiose Tage in majestätischer Bergwelt im Herzen der Berninagruppe bevor. Fröhlich sitzen wir also bis spät abends im Winterraum und beziehen erst gegen 23 Uhr unser Nachtlager.

Als realistisches Maximalziel haben wir uns den Piz Morteratsch vorgenommen. Dafür wollen wir morgen eine Spur bis mindestens in die Bovalscharte legen. Wir haben keine Ahnung, was uns erwartet. Aufstehen wollen wir gegen 6 uhr, um nach einem gemütlichen Frühstück 7 Uhr starten zu können...

Hinweis: Meine Schneeschuh-Erfahrung hält sich noch sehr in Grenzen, deshalb fällt mir eine objektive Schwierigkeitsbewertung nach der WT-Skala noch etwas schwer! 


Tourengänger: alpensucht


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