Mount Whitney im Winter – mein 1000. Hikr Bericht


Publiziert von Delta Pro , 20. Dezember 2014 um 20:11.

Region: Welt » United States » California
Tour Datum:10 Dezember 2014
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Wegpunkte:
Geo-Tags: USA   US-CA 
Zeitbedarf: 11:45
Aufstieg: 2050 m
Strecke:36 km

Ungestümer Sturm auf den höchsten Berg der USA (ausser Alaska) – ein eindrückliches Bergerlebnis
 
Hier ist nun mein Hikr Bericht Nr. 1000. Ich hatte mir zum Ziel gesetzt dafür eine spezielle Tour zu finden, was zur Übergangsjahreszeit Anfang Dezember nicht ganz einfach ist. Mit der Besteigung des fast 4500 Meter hohen Mount Whitney als Winter-Tour und dies direkt, quasi ohne Pause, ab Zürich Flughafen ist dieses gewisse Etwas wohl gefunden – eine unvergessliche, aber in dieser Ausführung auch ziemlich harte Tour.
 
Der Mount Whitney ist auf Hikr schon sehr gut dokumentiert (siehe z.B. hier oder da). Der Normalweg ist im Sommer überlaufen – per Lotterie werden 100 (!) Besteigungen pro Tag vergeben (Interesse für mehr wäre offenbar vorhanden). Obwohl technisch einfach – die Schwierigkeit des ausgebauten Trails übersteigt T3 nirgends – ist die Länge der Tour und vor allem die Höhe nicht zu unterschätzen. Ab dem Whitney Portal überwindet der Aufstieg rund 2000 Höhenmeter, verteilt auf eine Strecke für den Hin und Rückweg von fast 40 Kilometern. Probleme mit der dünnen Luft sind vorprogrammiert, da man kaum akklimatisiert auf über 4000 Meter steigt und dort relativ lange bleibt um den Gipfel zu erreichen. Normalerweise wird der Mount Whitney als 2-Tages Tour mit Biwak im Trail Camp auf ca. 3600 m.ü.M. gemacht. Wenn man sportlich unterwegs ist, kann man es aber durchaus auch in einem Tag schaffen. Die auf Hikr angegebenen Zeiten dafür liegen bei 12 bis 15 Stunden.
 
Im Winter sind die Bedingungen grundlegend anders als im Sommer. Es ist kaum ein Mensch in der Region unterwegs. Permits braucht es nicht. Das Ausfüllen eines Formulars (ohne Gebühr) beim Visitor-Center in Lone Pine reicht. Aufgrund der grossen Höhe muss mit sehr kalten Temperaturen gerechnet werden und Wetterumschwünge im Gipfelbereich können sehr heikel werden, da man nicht schnell absteigen kann. Mit geringer Schneeauflage – wie bei unserer Besteigung – ist der Normalweg als „Wanderung“ möglich, aber natürlich wegen Spurarbeit deutlich kraftraubender als im Sommer. Ein weiteres Problem sind die kurzen Tage. Man muss also zwingend damit rechnen einen grossen Teil des Weges in der Dunkelheit zurücklegen zu müssen. In unserem Fall kam noch ein weiteres Hindernis hinzu: Unser Flug würde San Francisco am Dienstag Abend erreichen (Strassendistanz zum Whitney Portal: 800 km). Auf Donnerstag waren starke Stürme und Schneefälle angesagt. Der Mittwoch wäre also unsere einzige Möglichkeit für einen Gipfelerfolg…
 
Mit der Kombination all dieser Killer-Faktoren waren wir uns also schon in Schweiz bewusst, dass die Besteigung des Mount Whitney unter diesen Umständen alles andere als ein Spaziergang, ja eigentlich ein ziemlich hirnverbranntes und aussichtsloses Unternehmen werden würde. Entsprechend mussten wir alles geben. Doch es hat gereicht und nach 35 Stunden ab Zürich Flughafen, mit knapp drei Stunden Schlaf dazwischen, erreichten wir im Abendlicht eines langen Dezembertages den komplett einsamen Gipfel – was für ein unvergesslicher Berg-Moment!

 
 
Nach einem langen Flug hat man normalerweise im Sinn, sich erst einmal vom Jetlag zu erholen. Dafür blieb uns aber keine Zeit und nach ein paar Einkäufen verlassen wir die Region San Francisco und rollen auf dem Freeway nach Süden. Nach rund 5 Stunden Fahrt mahnt uns die komplette Ermüdung zu einer kurzen Rast und ein paar Stunden unruhigem Schlaf. Vor Sonnenaufgang fahren wir weiter und erreichen bei kaltem aber klarem Wetter Lone Pine. Nach einem stärkenden Frühstück in der Sonne starten wir um 8.45 Uhr ca. 150 Höhenmeter unter dem Parkplatz des Whitney Portals (der oberste Teil der Strasse ist vereist) auf die lange Tour. Es liegt eine geschlossene Schneedecke im schattigen Tal, doch der Weg ist schon gespurt und die rund 20 cm Schnee stören nicht weiter. Mit einer teilweise grauenhaft schwachen Neigung führt der sorgfältig ausgebaute Trail in die Höhe. Vor dem Trail Camp verlieren wir die spärlicher werdenden Spuren und suchen uns einen logischeren Weg in die Höhe. Während die Felsrücken schneefrei sind, muss dazwischen teilweise schon kräftig gespurt werden. Nicht weiter erstaunlich nach zwei Tagen mit kaum Schlaf und dem viel zu schnellen Aufstieg macht sich schon jetzt die Höhe mit Kophweh bemerkbar.
 
Ab dem Trail Camp enden die Spuren und wir suchen uns den eigenen Weg entlang der unzähligen Switch Backs, die eingeschneit sind. Mit kurzen Kraxeleinlagen in schneefreiem Fels arbeiten wir uns langsam aufwärts. Das Erklimmen des Whitney Passes verlangt uns alles ab, da die Spurarbeit immer strenger wird und wir die dünne Luft jetzt deutlich spüren. Die Temperaturen sind kalt (geschätzt -15°C) und der Wind ist zeitweise stark. Trotzdem blickt immer wieder die Sonne durch die hohe Wolkendecke. Der Aufstieg in der Westflanke bis zum Gipfel des Mount Whitney will nicht enden. Obwohl der Schnee auf den Rücken oft abgeblasen ist, müssen wir uns immer wieder durch tiefen Schnee wühlen. Langsam aber regelmässig kämpfen wir uns weiter und um 15.20, nicht ganz 6.5 Stunden ab dem Trailhead, haben wir es geschafft. Eine unglaubliche Erleichterung und Freude setzt ein, dass es trotz all den widrigen Umständen und vor allem trotz der grossen Müdigkeit geklappt hat. Genau richtig schickt uns die Sonne wärmendes Abendlicht und taucht die Granitwände der Sierra Nevada und die endlosen Ebenen der Halbwüste in ein unwirkliches Licht.
 
Lange Zeit können wir nicht hier verweilen. Die Temperaturen sind wenig angenehm und wir möchten mit dem letzten Tageslicht noch so weit wie möglich kommen. Ein Eintrag im Gipfelbuch zeigt, dass im Dezember noch niemand auf dem Gipfel war. Mit grosser Wahrscheinlichkeit dürften wir auch die letzten im 2014 gewesen sein. Der Rückweg zum Pass dauert auch im Abstieg unglaublich lange und ist wegen einigen Gegensteigungen streng. Wir entscheiden uns für einen direkten Weiterweg durch eine steile Schneerinne direkt hinunter auf den Blockgletscher, anstatt dem umständlichen Trail zu folgen. Das ist zwar unter dem Strich schneller, lohnt sich aber nur bedingt, da die Rinne mit hüfttiefem Triebschnee gefüllt ist, bei dem uns nicht ganz wohl ist. Mit dem allerletzten Licht der Dämmerung können wir uns durch teils tiefen, sehr mühsamen Schnee im Blockgelände bis zum Trail Camp vorarbeiten. Dann herrscht die totale Dunkelheit.

Aufgrund des unübersichtlichen Geländes und der nicht offensichtlichen Wegführung kommen wir nur noch langsam weiter, da wir ab und zu die Idealroute verlieren. Während dies bei Tageslicht kein Problem wäre, müssen wir Acht geben, da es zwischen den Felswänden nicht überall einen Durchschlupf gibt. Schliesslich finden wir aber wieder Trittspuren und folgen dem Trail weiter abwärts. Zu unserem Erstaunen blitzt ca. eine Marschstunde vor uns eine Stirnlampe auf. Der Kampf gegen die Müdigkeit wird jetzt immer brutaler, mittlerweile sind wir seit fast 48 Stunden ohne richtigen Schlaf unterwegs. So lässt die Konzentration nach und wir verlieren den eigentlich offensichtlichen Weg auf einer Höhe von 2900 m.ü.M. ein weiteres Mal, da wir falschen Trittspuren im Schnee folgen. Viel zu spät merken wir, dass wir an einem uns unbekannten Ort gelandet sind. Wir kreisen und suchen bekannte Punkte und finden – ein eilig aufgestelltes Zelt mit Licht. Irgendwie komplett absurd. Den ganzen Tag keine Menschenseele erblickt und nun, abseits des Weges, in der Nacht, stehen wir plötzlich vor einem Biwak. Der Alleingänger im Zelt ist aber gerade so miserabel dran wie wir: Er ist nach einem erfolglosen Gipfelversuch erschöpft, hat den Weg auch verloren und hat sich deshalb entschieden, die Nacht im Freien zu verbringen um aufs Tageslicht zu warten. Für uns ist das keine Option, dafür hat uns das Erlebnis wieder wachgerüttelt. Nach Gefühl navigieren wir durch unwegsames, steiles Gelände und finden nach rund einer halben Stunde den Weg wieder. Dann legen wir ohne Probleme die immer noch recht lange Distanz zum Auto zurück. Für den Abstieg brauchen wir fünf Stunden vom Gipfel, wobei einige Zeit für die Wegsuche draufging. Erschöpft aber zufrieden können wir die Mount Whitney Besteigung im Winter abschliessen.

Tourengänger: Delta


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Kommentare (9)


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Mo6451 hat gesagt:
Gesendet am 20. Dezember 2014 um 20:28
Herzlichen Glückwunsch, eine Meisterleistung. Wenn auch ein bißchen verrückt.
Aber sind wir das nicht Alle, mit unserer Liebe zu den Bergen? :-)

VG und allzeit unfallfreie Touren
Monika

Alpin_Rise hat gesagt: Potz Tausend...
Gesendet am 20. Dezember 2014 um 21:31
... Einträge! Wenn einer das schafft, dann der Tausendsassa Delta - und mit dieser Murkstour auch ein gebührender Milleniumsreport. Man sagt ja, mit dem Alter werde Mann vernünftiger...?

Ein kleines Gedankenspiel: hast du für jeden Bericht im Schnitt anderhtalb Stunden investeriert, dann hast du rein dafür knapp 190 Arbeitstage à 8 Stunden oder fast ein Arbeitsjahr investiert - cheers!

Herzlichen Dank für all deine Beiträge hier und
G, Rise

maawaa hat gesagt:
Gesendet am 20. Dezember 2014 um 21:32
Wow, eine verrückte Tour in einer wirklich eindrücklichen Landschaft ! Toll !

Herzlichen Glückwunsch zum Mt. Whitney und natürlich auch zum 1000. Bericht ! Auf die nächsten Tausend... :)

Gruss, Marco

mde hat gesagt: Super!
Gesendet am 20. Dezember 2014 um 21:57
Ich ziehe den Hut vor der Leistung, Motivation und Hartnäckigkeit am Mt. Whitney und danke herzlich für die 1000 Berichte!

Gruss, Marcel

Henrik hat gesagt: Was schon 1000!
Gesendet am 20. Dezember 2014 um 22:29
Seid ihr auf Dichtestress gestossen, hat so viele Steine!

What a wonderful stone-scape.

Cheers

silberquäki

83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 21. Dezember 2014 um 10:32
1000 HIKR-Berichte - was für eine Vorlage! Ich gratuliere dir herzlich! Auf die nächsten 1000 ;-) !

Vauacht hat gesagt:
Gesendet am 21. Dezember 2014 um 21:10
Auf so eine Idee muss man erst mal kommen :) Super umgesetzt, Gratualtion zum Whitney!

"Mit einer teilweise grauenhaft schwachen Neigung führt der sorgfältig ausgebaute Trail in die Höhe"...endlich hats mal jemand gesagt :) Dieser Abschnitt des Weges wurde für Tagesausflügler gebaut, und nicht für Wanderer die möglichst schnell auf den Berg hinauf oder von ihm hinunter wollen. Grauenhaft!

Felix hat gesagt: Gratulation!...
Gesendet am 25. Dezember 2014 um 16:24
und: Chapeau!

unglaubliche Leistung und Erlebnis!

lg Felix

Dino hat gesagt:
Gesendet am 14. Januar 2015 um 13:11
Auch von mir herzlichen Glückwunsch zu dieser fantastischen Tour! Wirklich ein würdiger 1000. Bericht!


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