Schöllenen und die Tanzenden Vögel


Publiziert von rojosuiza , 19. Dezember 2014 um 12:06.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:15 Dezember 2014
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Zeitbedarf: 3:00
Aufstieg: 400 m
Abstieg: 100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Göschenen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Andermatt
Unterkunftmöglichkeiten:Göschenen und Andermatt, im Sommer die historische Gaststätte in der Haarnadelkurve bei der Teufelsbrücke besuchen!

 
Hinfahrt mit dem Zug: drei Stunden; Wanderung: drei Stunden; Rückfahrt mit dem Zug: drei Stunden. – Stimmt das Verhältnis da?
Beim Durchfahren der Schlucht nach der Gotthard-Wanderung bewundere ich die Schönheit der Teufelsbrücke am Anfang der Schöllenenschlucht. Etwas Schnee, viel Grau, und doch ein gewaltiger Kontrast zwischen Bauwerken und Natur. Dieses Bild will ich noch einmal sehen, und die Schlucht wird auch ganz leicht begehbar sein, da in diesem Jahr nur so wenig Schnee und Eis liegt.
Drei Stunden nach Abfahrt steht rojosuiza vor dem Bahnhof in Göschenen und macht sich auf den Weg. Nur wenig Eis und Schnee? – Ganz und gar kein Eis und Schnee mehr, denn in den wenigen Tage seit seiner letzten Passage ist alles aufgetaut und verschwunden. Es ist, als ob es ein milder Spätherbsttag wäre, oder ein früher, schneeloser Frühling. Der Fussweg teilt sich den engen Raum in der Schlucht mit der Passstrasse, verläuft teilweise auf  Teilen der alten Passstrasse, etwa bei der Teufelsbrücke. 
rojosuiza gelangt im unteren Teilstück zuerst zu der neuen alten Brücke. Die letzte Version ist vom Unwetter hinweggerissen worden, die neue alte Brücke ist noch ganz neu: aus dem Jahre 1991 stammt sie. Sie ist von Lehrlingen des Baugewerbes gebaut worden. Die früheren Erbauer  aber sind von besserer Güte gewesen, hat ihr Werk es doch Hunderte von Jahren überdauert; an der Brücke der Heutigen fehlt bereits am Hauptpfeiler der oberste Stein, der Stein, der in den Augen des Laien rojosuiza das ganze Bauwerk schützt und zusammenhält, sozusagen. Der heutige Mörtel ist nicht mehr, was der frühere einmal war, will es scheinen, wenn schon nach 25 Jahren der 'Stirnstein' weggeschlagen ist.
Kurz darauf werde ich unterwiesen vom Bauamt, dass die Schutzabschrankungen des Wanderweges zum Winter entfernt worden sind, und ich deshalb in eigener Verantwortung wandere. Das lässt mich wieder einmal darüber nachdenken, in welcher Verantwortung rojosuiza denn sonst wandert. 
Nach einer amtlich verordneten Abkürzung querfeldein öffnet sich rojosuiza der Blick auf das Suwarow-Denkmal, das die Schlucht aus diesem Blickwinkel von der alten Passstrasse aus  dominiert. Danach folgt die Passage über die alte Teufelsbrücke. Wie schmal die Platten sind, die das Geländer bilden! Wie luftig man schon dahinwandert, wenn man sich noch ganz auf Felsen wähnt! Wie köstlich das alte Rasthaus in der abschliessenden Kurve liegt! – nur dass es leider für rojosuiza geschlossen ist.
Ein Wanderer hat Zeit, die der Autofahrer nicht hat. Rojosuiza macht den kleinen Abstecher zum Denkmal. Erst bewundert er das mächige, alte Suwarow-Denkmal und kurz darüber liest er gerührt die Gedenktafel, die zweihunder Jahre später auf der Place de France angebracht worden ist. Hier sind nun die Gedenksteine der beiden einander bekämpfenden Armeen einträchtig zusammen, etwa in dem selben Abstand voneinander wie damals die Vorhut der feindlichen Truppen.
Ein leichtes wäre es nun, die wenigen Schritte auf der Passstrasse hinauf zu tun, und schon nach zwanzig Minuten wäre man in Andermatt. Allein hat rojosuiza auf der Karte und im Gelände einen Fahrweg entdeckt, der noch viel höher hinaufführt, noch vor der Teufelsbrücke, und auf dem die Schlucht hier vielleicht gänzlich zu umgehen wäre.
rojosuiza geht auf der heutigen Passstrasse etwa hundert Meter zurück, und nimmt dann diesen Weg (Richtung Rossmettlen) unter die Füsse. Das Strässchen führt zuerst zum Ventilationsschacht des Gotthardtunnels und dann zu einem Abbruch auf 1500 Metern, wovon aus man die Teufelsbrücke von oben aus übersehen kann. Dort ist eine verlassene militärische Anlage, und von dieser aus führt ein halb-aufgegebener Weg hinunter in die Felswand, die sich weiter unten schräg in die Reuss stürzt. Es geht über eine Steilstufe hinunter auf Eisenspangen im Fels, schräg durch einen winzigen Durchschlupf hinab zu einem Steg, gesichert mit alten Stahlseilen und -Geländern. Da und dort ist etwas gerissen, hier etwas aus dem Leim gegangen, als ein Felsblock oder ähnliches darauf gelandet ist, aber der alte Weg der wacheschiebenden Festungswärter – so denke ich es mir – ist so weit intakt, dass rojosuiza wohlbehalten unten ankommt.
Ist der Anfang der Wanderung sozusagen die ‚Pflicht‘, so ist diese Exkursion die ‚Kür‘. Von hier aus hat man einen fabelhaften Blick auf die Technik unter einem, auf die zwei Teufelsbrücken und auf die Bahnanlagen. Während rojosuiza ungeschickt an der Kamera hantiert, öffnet sich vor seinen erstaunten Augen der Vorhang zu einem ganz besonderen Gastspiel. Ein Schwarm Krähen oder Dohlen fliegt in Formation unter der neuen und der alten Brücke hindurch, dreht sich dann als Schwarm wie in einem Strudel ein paar Mal um sich selber, steigt höher, sinkt wieder herab, wohl zwei, drei Minuten lang. Es ist, als ob  die Dohlen sich der Luftströmungen erfreuten, die hier gewiss herrschen, und sie damit spielten. Wahrlich, die Schöllenen und die Tanzenden Vögel.
Es ist meistens bedeckt an diesem Tag. Aber als rojosuiza in Andermatt aus der letzten Galerie tritt, öffnet sich der Himmel. Die Sonne beleuchtet just den Teil des Tales, wo unser Bergheld erscheint,  und so wandert er beglückt dahin, auf dem Weg zu seinem Zug…
Stimmt das Verhältnis da? – Das Verhältnis stimmt, voll und ganz!
 
Schöllenenschlucht von Göschenen nach Andermatt. Abstand nur etwa  6 km, Höhenunterschied 400 Hm (mit Umwegen). Eine enge Schlucht, voll mit Verkehrswegen und voll von Historie. T1. Exkursion T3, wegen der Resten von Eis und Schnee.

Tourengänger: rojosuiza


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