Vrenelisgärtli 2904m via Schwösteren und Furggle - Guppengrat getunt


Publiziert von Mueri , 11. September 2014 um 21:18.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum: 8 September 2014
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   Glärnischgruppe 
Zeitbedarf: 1 Tage
Aufstieg: 2600 m
Abstieg: 2400 m
Strecke:Lassigen - Schwändisienen - Baumgarten - Chuchispitz - Vorchöpf - Schwösteren - Vorder Glärnisch - Furggle - P. 2269 - Chanzle - Vrenelisgärtli - Schwander Grat - Glärnischfirn - Glärnischhütte SAC - Wärben - Chäseren - Plätz
Zufahrt zum Ausgangspunkt:mit PW nach Lassigen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:mit PW ab Plätz
Unterkunftmöglichkeiten:Glärnischhütte SAC

Wo liegt er, der Nabel der Welt? Einst - lang ist's her - lag er in Rom, genauer gesagt mitten im Forum Romanum. Vom Umbilicus Urbis aus wurden sämtliche Meilen der römischen Heerstrassen gezählt, da er als Mittelpunkt der Stadt und des Imperiums galt. Alle Wege, ob von Norden oder Süden, von Westen oder Osten, führen zu ihm hin. Später, im Mittelalter, wurde Jerusalem zum Zentrum der Welt erkoren, wie etwa die Ebstorfer Weltkarte demonstriert. Das Weltbild hat sich gewandelt. Einen Nabel der Welt in der heutigen Zeit festzulegen wäre wohl ein nicht ganz risikoloser politischer Akt. Dennoch wage ich es, einen heissen Anwärter vorzubringen: das Vrenelisgärtli.

Unzählige Wege führen nämlich allesamt nach oben zum Gipfel: einfache Hochtourenrouten (etwa der Normalweg via Glärnischfirn) und anspruchsvolle Frühsommerrouten (etwa das Chalttäli), direkte Routen (etwa der Guppengrat) und langatmige Aufstiege (etwa über den Ruchen Westgrat). Das Vrenelisgärtli weist unzählige Aufstiege auf, deren Zwischenstücke sich noch dazu kombinieren lassen. Und so würde ich denn auch nicht von Verlegenheitstour sprechen, wenn ich nun schon zum x-ten Mal auf diesem Berg war. War auch der Gipfel nichts Neues, so kann dies doch vom Zustieg nicht behauptet werden: nicht der schnellste und nicht der einfachste, nicht der direkteste, aber ein durchaus abwechslungsreicher und spannender, langer und rassiger Zustieg meist dem Grat entlang, mit entsprechender Aussicht. Mehr dazu unten...

Ich bin mir bewusst, dass obige Kriterien wohl nicht ausreichen, das Vrenelisgärtli zum Nabel der Welt zu erküren. Dazu fehlt mir wohl auch eine Lobby. Aber schliesslich geht's beim Postulieren eines Nabels der Welt immer auch um eine Portion Egozentrismus ... und Emotionen ;-)



Wir starten frühmorgens in Lassigen und steigen in der Dunkelheit via Laui und Schwändisienen auf gutem Weg nach Baumgarten auf. Nach der letzten Hütte dort gilt es, erst einige Meter hochzusteigen und dann nach rechts (nordwärts) zu queren. Dabei versperren anfänglich Büsche den Weg. Eine nach Westen aufsteigende Rinne führt sodann auf den Chuchispitz, der auf der höchsten Stelle überschritten werden kann. Nach dieser Miniüberschreitung ist der Weg einfach zu finden und gleichsam vorgegeben. Unterhalb einer Felswand gelangen wir auf einem Band nordwärts schreitend zu den Vorchöpf. Dort steht man vor einer unüberwindbar scheinenden Runse, die jedoch leicht bewältigt werden kann, wenn man den Kopf kurz nach unten streckt und einige Meter dem Einschnitt entlang absteigt. Eine gute Beschreibung zu dieser Schlüsselstelle findet sich bei folgender Tour von Justus.

Nach der Durchquerung dieser Runse gelangt man einfach zur noch verbliebenen Schwöster. Mag sie anfänglich auch ihre kalte Schulter zeigen, so lohnt sich doch deren Besteigung inklusive Eintrag ins gut unter Steinen versteckte Gipfelbuch. Das Drahtseil im unteren Teil ist dabei psychologisch eine Hilfe, beim Kraxeln aber bietet der Fels m. E. ebenso gute Sicherheit.

Nach der Schwöster weichen wir kurz nach links in die Flanke aus und steigen in steilem Schroffengelände auf. Bald wieder zurück auf dem Ostgrat erreichen wir auf diesem über teils brüchiges Gestein den Gipfel des Vorder Glärnisch.

Der Abstieg zur Furggle erfolgt auf einem durchgehend sichtbaren Weg. Die beiden Felsabsätze im anschliessenden Aufstieg bis zum Fuss des Höchtors, die vom Vorder Glärnisch aus senkrecht zu sein scheinen, lassen sich unproblematisch in Couloirs bewältigen. Gelegentlich glauben wir gar, Wegmarkierungen (weisse Punkte mit fast 50cm Durchmesser) und Wegspuren zu erkennen. Wahrscheinlich liessen sich die beiden Absätze auch an anderen Stellen knacken, doch lohnt es sich, nach den beiden Couloirs bzw. Kaminen auf der Klöntalerseite Ausschau zu halten. Sie führen nicht nur erstaunlich einfach zum Fuss des Höchtors, sondern bieten ebenso genüssliche, nicht ausgesetzte Kletterei (mehrheitlich II., kurz III. Grad), wenngleich in teils brüchigem Gestein.

Bei P. 2269 queren wir auf einem Schutt- und Rasenband hinüber zum Guppenfirn. Tendenziell steigt man dabei leicht hinauf und bewegt sich, immer mal wieder auf sichtbaren Gämsspuren, im oberen Teil des Bandes. Kurz vor Erreichen des Guppenfirns wird's etwas enger und steiler, aber keineswegs schwierig im Vergleich zu dem, was man bereits hinter sich gelassen hat.

Auf dem Guppenfirn, der im unteren Teil viel Schutt und danach Spalten aufweist, seilen wir uns an bis zur Chanzle. Steigeisen sind im unteren Teil derzeit ein Muss, da Bergschuhe nicht den nötigen Halt auf der vereisten, mit Steinen besetzten Oberfläche des Firns bieten.

Da der Altschnee auf der Nordseite der Chanzle längst weg ist und diese eine reine Permafrost-Schutthalde ist, verzichten wir darauf, über den Normalweg auf die Chanzle zu steigen. Stattdessen wählen wir als lohnende Alternative einen teilweise recht senkrechten Kamin (Klettern im 3. Grad) auf der Südostseite der Chanzle.

Der Guppengrat selber erweist sich einmal mehr als Genuss: tolle Kletterei im 2. Grad mit unendlich vielen Möglichkeiten, hochzusteigen zum Gipfel des Vrenelisgärtlis. Oben - wie gewohnt, wenn ich mit Justus unterwegs bin zum Vreneli - Nebel. Nabel oder Nebel der Welt, das ist hier die Frage...

Angesichts des Nebels erübrigt sich unser Vorhaben, auf dem Abstieg einen Schlenker zum Bächistock zu machen. So steigen wir auf dem Normalweg via Schwandergrat ab. Auf dem Glärnischfirn, dessen Spalten derzeit gut sichtbar sind, zieht sich der Himmel immer mehr zu - für uns höchst überraschend, haben doch sämtliche Wetterdienste für den besagten Tag (auch im Glarnerland) einen sonnigen und vor allem trockenen Tag angesagt, ohne auch nur das geringste Risiko himmlischen Nasses. Doch damit nicht genug: Es beginnt, immer stärker  zu regnen, ja wie aus Kübeln zu schütten, unten am Glärnischfirn dann Hagel, begleitet von Blitz und Donner. Die Wege runter zur Glärnischhütte werden vom Wasser in Beschlag genommen und gleichen schon bald einem Bachbett. Ja, und wir schreiten zur Glärnischhütte, bald klitschnass und noch immer verwundert über dieses Unwetter. Wenigstens macht die Einkehr in der Glärnischhütte so doppelt Spass. Und rund eine Stunde später zeigt sich dann nicht nur auf den Silberen die Sonne, sondern auch wieder im Rossmatter Tal. Also nichts wie los...

Ob Chäseren dann die freudige Überraschung... Nein, nicht der Pinzgauer ... Justus' Frau kommt uns entgegen und begleitet und bis zum Plätz, wo sie den PW deponiert hat. In diesem Sinne: Danke fürs Abholen und den Taxidienst!

Tour mit Justus und Cornel. Danke an die beiden Herren für die tolle Tour und die zur Verfügung gestellten Fotos. Es war einmal mehr genial mit euch und aufgrund des heftigen Gewitters bestimmt unvergesslich!

Fazit: Sowohl der Aufstieg über Baumgarten und die Schwösteren zum Vorder Glärnisch wie auch der Aufstieg über Furgglen-Höchtor kann ich in Kombination mit dem Guppengrat nur empfehlen. Die Tour beansprucht weit mehr Zeit als der klassische Guppengrat-Aufstieg. Allenfalls könnte man via Chilchli oder Schwändisienen direkt zur Furggle aufsteigen oder eben vom Hinter Saggberg. Der Übergang von der Furggle zum Guppenfirn ist gemäss unserer Meinung mit dem Schwierigkeitsgrad 'S' im Alpinführer Glarner Alpen (Auflage 10) etwas zu grosszügig bewertet. Das Abschreckendste daran bleibt wohl der Blick darauf vom Vorder Glärnisch.



Tourengänger: justus, Mueri


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Kommentare (1)


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justus hat gesagt: weltennebel
Gesendet am 12. September 2014 um 12:16
merci für den bericht vom n(a|e)bel der welt. eine schöne routenkombination, die mir nicht nur dank gewitter noch lange in erinnerung bleiben wird :)

ciao
/justus


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