Kilimanjaro (5.895m) - unfreiwillig Lemosho-Route


Publiziert von Sidhisch , 5. September 2014 um 08:58.

Region: Welt » Tansania
Tour Datum: 7 Februar 2014
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: EAT 
Zeitbedarf: 7 Tage
Aufstieg: 5590 m

1. Tag - 07.02.2014 : Londorossi Gate - Big Tree Camp
Abfahrt zum Londorossi-Gate. Wir versuchen möglichst früh loszufahren und kommen tatsächlich vor fast allen anderen dort an. Das Schauspiel von Verteilen, Packen, Wiegen, Umverteilen, Neupacken usw. verkürzt uns die lange Wartezeit. Uns beeindruckt, dass die Träger ihre Rucksäcke auspacken und gewisse Sachen vorzeigen müssen (was sich später als eher Pseudokontrolle herausstellen sollte).
Eine gefühlte Stunde später fahren wir dann zu unserem Aussetzpunkt. Irgendwie hatten wir uns das etwas anders vorgestellt…beeindruckender vielleicht. Stattdessen laufen wir ewig durch den „bayrischen Wald“. Immerhin hat der Regen direkt zu Beginn der Tour aufgehört.
Als wir endlich die kultivierte Zone verlassen geht es auch schon den glitschigen Weg bergauf durch den Mountain Forest. Schon jetzt frage ich mich, wie die Träger das mit Schuhen ohne Profil schaffen. Zwei Affen und viel Wald später erreichen wir nach gut 8,5km und 720Hm unser erstes Camp. Das trübe Wetter, der landschaftlich unbefriedigende Beginn und die Konzentration auf den rutschigen Weg haben uns weit weniger die Umgebung genießen lassen, als sich wohl jeder erhofft hat.
Entschädigt wurden wir durch den warmherzigen Empfang und einem Spektakel, welches uns dann doch noch nachhaltig beeindruckt hat: Wir wurden uns gegenseitig vorgestellt und zwar jeder einzelne mit Gesang und Tanz. Das dauerte über eine Stunde und von den umliegenden Gruppen kamen immer mehr staunende Gipfelaspiranten, die gleich mit eingeladen wurden, an dem Singen und Tanzen teilzunehmen. Leadsänger war unser Hauptguide Whitey, der 2012 von irgendeiner englischen Organisation zum weltbesten Guide gewählt worden war. Ein Entertainer in allen Belangen. Kurz bevor uns dann der Magen komplett auf den Füssen hing, gab es dann bei Kerzenschein unser erstes Abendessen. Da uns am nächsten Tag die erste Königsetappe erwartete, verkrochen wir uns schnell in unsere Zelte.

2.Tag - 08.02.2014 : Big Tree Camp - Shira Camp II      
17,3km und 1300Hm zum Shira II Camp. Das morgentliche Ritual mit heißem Wasser und einem für deutsche Verhältnisse gewöhnungsbedürftigen Frühstück durften wir zum ersten Mal erleben, dann ging es auch schon pole pole weiter. Sonne? Neagtiv! Der Regen hatte zum Glück pünktlich vor dem Aufstehen aufgehört. Die Ankündigung, dass wir heute zum ersten Mal den Gipfel sehen würden, quasi wie aus dem nichts, brachte uns die nötige Motivation. Das ständige auf und ab ließ schon erahnen, warum die Route so geeignet zum Akklimatisieren sein soll. So verschwanden irgendwann die Bäume und machten hohen Sträuchern Platz, bis wir schließlich den magischen Punkt erreichten, wo uns der Gipfel anstrahlen sollte. Tja, ihr werdet es erahnen, es gab nur Wolken in allen möglichen Variationen. Zum Glück war die Zwischenetappe schon in Sichtweite und tatsächlich, kurz vor Erreichen des Shira I Camps rissen endlich die Wolken auf und wir konnten das Ziel unserer Begierde endlich sehen. Wenn ich es so im Nachhinein betrachte, war es der einzige Tag mit so viel freiem Gipfel und blauem Himmel.
Nun hatten wir allerdings noch ein paar Kilometer zu laufen, die uns immerhin mit dem besagten  Blick versüßt wurden. Nach knapp 10 Stunden erreichten wir endlich das Camp und nach einer Grundreinigung stürzten wir uns auch schon auf Popcorn und Kekse.

3.Tag - 09.02.2014 : Shira Camp II - Lava Tower Camp     
Erstaunlicherweise war das heute nicht mein bester Tag. Die 700Hm zum Lava-Tower fielen mir zum Ende hin unglaublich schwer. Früh leichte Kopfschmerzen und bleischwere Beine ließen die Etappe zu keinem wirklichen Genuss werden. Die Sonne brannte heute doppelt, denn es hatte nicht nur fleißig geregnet in der Nacht, sondern ab 4.200m lag auch schon Schnee. Wahrscheinlich habe ich einfach zu wenig getrunken, denn am Meru auf über 4.500n ging es mir wesentlich besser. Und die schwere gestrige Etappe steckte natürlich auch in den den Beinen. Durch die heiße Sonne, wurde der Weg allerdings immer schneematschiger und als wir den Lava-Tower erreicht hatten, liefen kleine Bäche durch das Lager. Zum Glück war ich sehr schnell regeneriert und als die Kopfschmerzen endlich weg waren, begann ein scheinbar in uns schlummerndes deutsches Ingenieurswesen aufzuflackern. Wir begannen, ein Grabensystem um die Zelte zu ziehen und die Porter schienen auch Spaß daran zu haben, so buddelten wir gemeinsam im Schlamm und hätten vielleicht noch das ein oder andere Reisfeld angelegt, wenn unsere Ziel nicht ein anderes gewesen wäre.
Am späteren Nachmittag ging es dann noch gut 170Hm nach oben, getreu dem Motto: walk hight, sleep low. Den Lavatower selbst konnten wir nicht besteigen, dafür war es einfach zu schneereich und gefährlich. So ganz konnte ich es allerdings nicht lassen und hätte den Alleingang fast mit einem gebrochenen Bein bezahlt. Nachdem ich etwas 1/3 hoch war und eingesehen hatte, dass es unverantwortlich wäre, weiter zu gehen, trete ich auf einen vermeintlichen Schneehaufen und lande mit dem Bein mehr als knietief zwischen zwei Felsen. Wären diese nicht nach vorne offen gewesen, hätte mir der Schwung nach vorne eine böse Verletzung beschert.
 
Beim weiteren Abstieg sah ich dann 2 Träger mit einem Mann die letztem Meter zum Camp hochkommen, der ungelogen zwischen 130 und 160 kg gewogen haben darf. 3 Schritte – stehen bleiben – 1 Schritt – stehen bleiben – 4 Schritte – länger stehen bleiben. Ein Riesenrespekt vor der Leistung (aller beteiligten). Wir haben später erfahren, dass er nach Anblick der Barrancowall abgestiegen ist. Von meinem erhöhten Punkt am Lavatower konnte ich noch erkennen, dass es Spuren in der Westernbreach gab. Unser Guide war da auch noch frohen Mutes, dass wir am nächsten Tag spät zum Arrow Galcier Camp aufsteigen könnten.
 
Nach Einbruch der Dunkelheit konnten wir rechts und links von Tower das Gewitterleuchten und Blitze sehen. Alles noch weit entfernt dachten wir, Ich habe auch noch ein paar nette Aufnahmen machen können, bevor mich die Kälte ins Zelt trieb. Schon recht früh fing es an zu regnen und es dauerte nicht lang und wir befanden uns Mitten im Unwetter. Blitz – Donner, keine 1 ½ Sekunden auseinander und es kam immer näher. Die Hand meiner Frau zerquetschte meine und in den beiden Einzelzelten wurden bange Stunden verbracht.

4. Tag - 10.02.2014 : Lava Tower Camp - Barranco Camp - Karanga Camp
Irgendwann hatte sich das Gewitter verzogen und es regnete nur noch, wie aus Eimern. Gegen Morgen hörte sich das allerdings etwas anders an und es war auch so komisch dunkel im Zelt. Das Akklimatisierungs-Pinkeln ließ sich auch nicht mehr aufhalten und so öffnete ich das Innenzelt und schaute auf meine Schuhe, die knapp neben dem Schnee standen. Steinmäuerchen von unserer Entwässerungsaktion hatten verhindert, dass die Apsis zugeweht wurde, Andere hatten weniger Glück. Bei mindestens 2 Zelten der Porter war das Gestänge gebrochen und auch unsere Mess-Tent lag zerstört unterm Schnee. Es schneite nach wie vor und mir war gleich klar, dass der Traum vom Crater Camp ausgeträumt war. Später haben wir erfahren, dass die Truppe, die vor uns noch die Passage bewältigt hatten am Crater unter 1m Schnee begraben wurde. Allen soll es gut gehen.
Solange mit Aufräumen und Helfen beschäftigt waren, sank die Stimmung noch nicht, je später es allerdings wurde und der Schnee einfach nicht enden wollte, war klar, dass wir zum Barranco-Camp absteigen müssen. Viele der Porter hatten weder eine Sonnenbrille, was schon am Vortag zu übel aussehenden Augen geführt hatte und auch nicht die Kleidung für eine Schneetour. Zudem hatten mehrere die dünnen Schlafsäcke tropfnass. Whitey hatte schon frühmorgens 10 absteigen lassen, damit sie ins Wärmere kommen. So standen wir also da mit zerstörtem Aufenthaltszelt, zu wenigen und schlecht ausgerüsteten Portern und einer Stimmung die sich noch untern der der Außentemperature befand. Bei dichtem Schneetreiben begannen wir den Abstieg. Ab 4.300m ging der Schnee dann in Regen über und so erreichten wir dann das Barranco-Camp, um zu beratschlagen, was weiter passiert.
Es galt mehrere Fragen zu beantworten: 1. Bekommen wir neue, adäquater ausgerüstete Porter? 2. Wie schaut der Wetterbericht der nächsten Tage aus? Wie entwickeln sich die Magen/Darmprobleme zweier Teilnehmer?
Da wir keine Aussicht auf ein neues Mess-Tent hatten, wurden wir nun das ein oder andere Mal im Hinterzimmer der Ranger-Hütten verköstigt. Draussen schiffte es wie Sau und selbst die beste Gore-Membran kann irgendwann mal aufgeben. Von Schweiß und Regen feucht, vom Windchill gebeutelt tat es den meisten doch gut, einen heißen Becher Tee und ein paar fettige Toasts zu sich zu nehmen. Die erste Stimme über Aufgeben äußerte sich und obwohl die anderen nicht wirklich daran dachten, wurde nur wenig gegengehalten. Zu müde und enttäuscht waren alle. Endlich kam Whitey mit der Nachricht, dass am Karanga-Camp das Wetter besser sein würde und das Zeltteam schon da wäre, also machten wir uns schleunigst auf, da es schon ziemlich spät war.
Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang erreichten wir endlich das Karanga-Camp. Das Zeltteam war allerdings gar nocht vor uns dort gewesen, sondern gerade erst dabei die Zelte aufzustellen und notdürftig innen trocken zu wischen.
Tatsächlich hatte es auch schon auf dem letzten Hügel aufgehört zu regnen, so dass die Stimmung langsam wieder stieg. Was im Hinterkopf allerdings seither rumgeistert ist die Rolle, die wir Berg-Touristen hier einnehmen und welche die Porter.
 
Eine Geschichte, wie schwierig es ist, die kulturellen Unterschiede zu begreifen, will ich hier einschieben. Ein junger Porter saß kurz nach Verlassen der Schneegrenze erschöpft und zitternd am Wegesrand. Keine Regenjacke, dünner Pullover, schlechte Schuhe, ein Bild des Jammers. Whitey, den sie dort oben scheinbar vergöttern, redete ihm zu, er holte daraufhin eine feuchte Jacke aus dem Rucksack. Dann gab er ihm ein Regencape und seine Gamaschen. Der Junge stolperte daraufhin weiter. Später sahen wir ihn noch einmal. Die Gamaschen nach unten gerollt und das Regencape in den Rucksack gesteckt. Ihm war selbst bei dem strömenden Regen in den Sachen zu heiß. Immerhin das Regencape konnte ihm wieder aufgezwungen werden. Vorher hatten wir alle darüber diskutiert, woran es fehlt und was man tuen kann, aber es ist einfach gesagt, dafür zu sorgen, dass alle z.B. Sonnenbrillen haben, wenn die nach der Tour verkauft werden und beim nächsten Mal beginnt das Spiel von vorne. Wir haben schlussendlich nach Gesprächen mit allen möglichen Beteiligten (Portern, Guides, Veranstalter) beschlossen, einen Versuch zu starten. Der Veranstalter (Ahsante Tours) verleiht Die Sachen an die Porter gegen Pfand und der Hauptguide trägt die Verantwortung, dafür, das zu kontrollieren. Wir werden mal schauen, ob sich das bis nächstes Jahr installieren lässt.
Rückblickend muss ich sagen, dass die Etappe landschaftlich bei weitem die schönste und abwechslungsreichste war. Die Barranco-Wall ein Traum, selbst bei Regen und das Karanga-Camp mit einem phantastischen Blick, mittlerweile wieder bis in die Ebene. Zuversichtlich auf einen trockenen nächsten Tag und auf die Aussicht zum Trocknen aller Klamotten verzogen sich alle schnell in die Zelte.
 
5. Tag - 11.02.2014 : Karanga Camp - Barafu Camp
Premiere! Die ganze Nacht kein Tropfen Regen gefallen und am Morgen Sonnenschein. Zwei Teilnehmer hatten sich entschieden, die Tour hier abzubrechen. Nasser Schlafsack und Magenkrämpfe bei einer Teilnehmerin und unklare andere Gründe beim zweiten. So breiteten wir anderen also auf sämtlichen Steinen und Felsen Klamotten aus, damit die Sonne und der Wind alles trocknen konnten. Meine Gore.Jacke war das einzige, was innen und außen feucht war, sonst habe ich noch einiges gelüftet. Es gab auch ein paar Probleme bei Schuhen und ich bin sehr froh, dass ich mich vorher noch zum Kauf von neuen bedingt steigeisenfesten Schuhen entschieden habe. La Sportiva Trango EVO GTX (oder so) kann ich nur wärmstens empfehlen. Leicht, dicht und stabil.
Nun also auf zur vorletzten Etappe. Barafu-Camp auf 4.600 m. Der Weg war sehr angenehm zu laufen, auch die Schlusssteigung machte heute überhaupt keine Probleme, die Begeisterung über die Lemosho-Route steigt. Oben angekommen, erwartete uns schon unserer Zelte, warmes Wasser und die Nachricht, dass wir auch heute in der Hütte essen könnten. Um so schöner, weil von den 3 Geschwistern, heute die jüngste Geburtstag hatte. Ihr Kuchen war allerdings so platt wie das Zelt, unter dem er begraben war. Die Wetteraussichten waren nicht wirklich toll für den Gipfelaufstieg und so beschlossen wir, schon um 22:30 aufzubrechen und den Rest des nachmittags und Abends zum Ausruhen zu nutzen. Das Abendessen in der Hütte gab es zumindest mit Geburtstagskerze.

6. Tag - 12.02.2014 - Gipfelnacht : Barafu Camp - Uhuru Peak - Mweka Camp
Mit der Entscheidung, spät unser Lunch zu essen und uns dann in Ruhe fertig zu machen fand bei allen Anklang. Warten mussten wir lediglich auf heißes Wasser. Das Wetter sah ganz gut aus, es hatte bislang noch keinen Niederschlag gegeben, vorausgesagt war aber welcher für den Morgen. So zogen wir vor allen anderen ganz pole pole um 22:35 in Richtung Gipfel. Eine der Schwestern hatte sich unterdessen auch den Magen verdorben und machte einen recht jämmerlichen Eindruck, trotzdem ging sie tapfer mit. Bis ca. 5100m war es ein besserer Spaziergang, ich fühlte mich unglaublich fit, hatte weder Kopfschmerzen noch Atemprobleme, tatsächlich brauchte ich nicht mal durch den Mund zu Atmen. Das kannte ich vom Aconcagua anders, da war der Weg zum 2. Hochlager in etwas die Gipfeletappe und dort hatte ich schwer geschnauft. Trotzdem gab ich mich nicht der Illusion hin, ich könnte den Rest hochjoggen. Das Gelände wurde langsam steiler und der hartgefrorene Schnee verdeckte manchmal blanke Eisplatten, was das Gehen nicht gerade einfacher machte. Die 3 Geschwister bekamen Probleme und Whitey beschloss, das Tempo weiter zu reduzieren. Der mittlerweile schneidende Wind sorgte aber dafür, dass wir bei dem Tempo gar nicht mehr auf Betriebstemperatur kamen und so schickte er uns mit 3 Guides vor.
Immer noch langsam genug, aber trotzdem so schnell, dass sich der Körper nach und nach hätte erwärmen können. Bevor das gelang setzte der Schnee ein und der Wind wurde stärker. Wir waren jetzt bei ungefähr 5400m und hatten alles an, was wir mit hatten. Mein Körper hatte nun mit der Kälte und der Höhe zu tun, aber das war noch nicht alles. Das Schneetreiben entwickelte sich mehr und mehr zum Schneesturm, die meist vorne gehende Leistungssportlerin (Rudern) ließ sich nach hinten fallen und direkt hinter mir gab es die ersten Fragen, ob es bei dem Wetter Sinn macht, weiter zu gehen. Auch die Guides, die vorher noch aufmunternde Sprüche hatten wurden zunehmend stiller. Sie tapsten etwas hilflos in dem steilen Schnee umher und sprachen dann irgendwann nur noch davon, den Stallapoint zu erreichen. Einem, der immer weder ausrutschte gab ich einen Treckingstock mit Schneeteller (für dich ich vorher immer belächelt worden war). Das Pärchen hinter mir war bisher nur auf Klettersteigen und bei schönstem Wetter auf dem Allalinhorn gewesen und sie bekam langsam Angst. Während Ina vorne mit den Guides beschäftigt war, redete ich meinen 3 nachfolgenden gut zu. Die Optionen waren ziemlich klar. Im Dunkeln Absteigen unmöglich, weil viel zu gefährlich, den Stellapoint erreichen zunächst oberste Priorität.
Eine gefühlte Ewigkeit später hatten wir es dann bis dort geschafft. Einer der Guides hatte starke Kopfschmerzen, was er aber erst später erzählte und so wollten sie schnell gratulieren und gleich wieder runter. Da es aber nach wie vor stockfinster war und das erklärte Ziel Uhuru-Peak hieß, sagten wir ihnen, dass das gar nicht in Frage kommt und wir jetzt weiter gehen würden. Die anderen Teilnehmer sahen das genauso und damit stapften wir die letzten 150Hm weiter. Angesagt waren -12°C gewesen, was ja nicht so wahnsinnig viel ist, aber durch den Windchill hatten wir sicher mehr als 10 Grad weniger. Kleine Eiskristalle wurden uns weiter ins Gesicht geweht und meine Nase fühlte sich schon wie ein Eiszapfen an (auf dem Gipfelfoto leuchtet sie einem quasi entgegen). Warum meine Herzfrequenz nicht höher als 130 Schläge kam, weiß ich nicht, jedenfalls hätte ich hier ein bisschen mehr Sauerstoff gut gebrauchen können. Wahrscheinlich war aber das Erreichen des Stella-Pointes und der damit abfallende Adrenalinspiegel der Hauptgrund. Der Weg kam zwar nur noch sporadisch zum Vorscheinaber die Guides hatten hier genug Ortskenntnis, um die Richtung zu halten.
Um 5:50 erreichten wir dann überglücklich das Dach Afrikas. Auch hier drängten die Guides uns schnell ein Foto zu machen und dann umzukehren und erst jetzt rückte er mit den Kopfschmerzen mit er Sprache raus. Mit steifgefrorenen Fingern zu fotografieren stellte sich dann als nächste Schwierigkeit heraus und so toll ja die Aqua-Zoom von Ortlieb als Wasser- und Staubschutz taugt, in der Höhe lässt sich das Teil quasi nicht mehr öffnen und die Kamera kaum heraus nehmen. Da war dann unsere G12 viel besser am Start.
So langsam graute der Morgen, aber die Sonne war hinter Wolken verborgen, sodass es nur wenig wärmer wurde, Zum Glück hatte jetzt der Sturm aufgehört und die Schneeflocken fielen nur noch sporadisch. Nach und nach trudelten die nächsten Gipfelstürmer – hauptsächlich über die Marango-Route – ein und es begann ein unschönes Gedränge am Schild. Ich kann dazu leider nur sagen „ Im Osten nichts neues…“ Flegelhaftes, rücksichtsloses Verhalten gehört scheinbar bei vielen Russen zum guten Ton. Immerhin haben sie es geschafft, anders als Herr Abramovic mit seinen 113 Trägern und 5 Leibwächtern.
So richtig tolle Bilder vom Gipfel haben wir dann gar nicht mitgebracht. Die Kontraste waren auch recht bescheiden. Grau und weiß dominiert :D . Irgendwann beschlossen wir dann, dass es langsam wieder zurück gehen müsse und wir hatten auch nicht mehr daran gedacht, dass unsere 3 Geschwister noch den Gipfel erreichen könnten, da wurden wir aber eines besseren belehrt.
Vor dem kleinen Absatz, wo man um den Felsen steigt, hatten wir noch eine Fotopaiuse angesetzt, als wir die drei samt Bergführer gaaaaanz pole pole heranschleichen sahen. Diese Willenskraft kannten wir von zweien schon vom Mont Blanc, aber das war sicher eine ganz besondere mentale Leistung. Wir entschlossen uns, nicht mehr alle zum Gipfel zu gehen, sondern das gemeinsame Foto hier zu machen. Am Uhuru-Peak waren mittlerweile auch schon weitere Heerscharen angelangt. Besonders über die Marango-Route kamen Gruppen, wo 10 von 15 grau im Gesicht waren und nur stumpf vor sich hin stierten. Der ein oder andere torkelte auch bedenklich. Diamox macht´s möglich?
Ich hatte heute ein Gespräch mit einem jungen kanadischen Pärchen, die morgen aufbrechen und denen empfohlen wurde, ab dem 2. Tag Diamox zu nehmen. Insgesamt ein Beispiel von unglaublicher Unbedarftheit. Keine wasserdichten Packsäcke, keine Ahnung vom Berg…in den nächsten Tagen sind weitere 30-50cm Schnee angesagt…Leichtsinn hoch 3!
Am Stella-Point gab es dann die nächste Begegnung der anderen Art. 3 Aktivisten, religiöse Eiferer,..(?) entfalteten verschieden bemalte Stoffe und fotografierten sich fleißig gegebseitig. Ob es nun Jesus oder ein anderes Bildnis war, ich konnte es nicht genau erkennen, es entlockte mir jedenfalls ein Schmunzeln und jeder der da oben hingekommen ist verdient zunächst mal Respekt. Beim Abstieg kam dann die alpine Erfahrung erst so richtig zum Zug.
Obwohl es sehr viel verpressten Schnee gab, bot sich trotzdem immer wieder die Gelegenheit auf den Bergstiefeln „abzufahren“. Zwischendurch Luft schnappen und das zum Forografieren und Filmen genutzt, lag ich knapp 2 ½ Stunden später im Zelt und konnte das Erlebte nachverarbeiten.
„Es ist immer gut, wenn im Gipfelbuch genauso viele Aufstiegs- wie Abstiegsmeter stehen!“ – das wäre für also geschafft. Es kommen verschiedene Gefühle hoch, wenn man alleine im Zelt liegt und darüber nachdenkt, was man gerade geleistet hat. Stolz, Erleichterung, Freude wechseln sich ab. Natürlich geht man immer davon aus, den Gipfel zu erreichen, „Die 30%, die es nicht schaffen, waren natürlich mental und physisch nicht gut vorbereitet, hatten die falsche Ausrüstung oder gehören sowieso nicht in die Berge und einige hatten einfach Pech und du hast schließlich schon 1000m höher auf dem Aconcagua gestanden.“, sind so typische Parolen, die ein eigenes Scheitern in weite Ferne rücken sollen, aber wie schnell hat man sich den Fuß vertreten, wird doch Höhenkrank oder die Verhältnisse graben einem die Moral soweit ab, dass der Fokus nicht mehr beim nächsten Schritt liegt. Ich bin nach 1300 Hm Aufstieg schon 250 Meter unterm Gipfel umgekehrt, weil es vernünftig war, aber die Alpen sind so nah, da hat man nicht die Stange Geld hingeblättert und versucht es einfach nochmal. Die Sorge, zu scheitern war immer da, nur verdrängt und all das fällt jetzt von mir ab. Langsam fährt das Stresssystem wieder runter und die Müdigkeit breitet sich aus. Ina, die noch mit den Geschwistern zum Uhuru-Peak gegangen war, kommt nach einem rasanten Bergablauf – nicht von Fotostops unterbrochen – eine halbe Stunde später an. Nach einer kurzen Unterhaltung fallen wir in einen 2-stündigen Schlaf.
Es ist erstaunlich, welche Regenerationsfähigkeit der Körper noch mit 46 hat. Der Schlaf war wie ein Jungbrunnen. Die Klamotten werden in Ruhe zusammengepackt und nach einem kurzen Lunch beginnt der Abstieg zur Mweka-Hut. Das Gelände läd zu einem raschen Abstieg ein und ziemlich rasch haben wir das Millenium-Camp erreicht. Auf dem Weg fallen uns die komischen 1-Rad-Tragen auf, wobei wir erst am Hubschrauberlandeplatz die Erleuchtung haben, dass es sich hierbei nicht um Tragehilfen für die Porter handelt, sondern um Vehikel zum Abtransport von Verletzten und Kranken.
Der zweite Abschnitt gestaltet sich mühsamer. Dicke Steine und hohe Absätze später immer glitschiger werdender Boden machen nicht wirklich Spaß und ich bin sehr froh, endlich am Camp angekommen zu sein. Hier treffen wir einige der Porter und unseren eigentlichen Koch wieder, die vom Lava-Tower direkt abgestiegen waren. „Jambo“ – „Jambo Mambo“ – „Congratulations“ usw. ruft es aus allen Richtungen. Das gegenseitige MAXIMUM RESPECT welches schon beim ersten Abend eingeschworen wurde, ist nicht nur eine Worthülse. Ohne die Träger, Guides und Koch kämen wir ganz anders auf den Berg (was natürlich auch sehr spannend wäre) und ohne die Touristen würde ein ganzer Einkommenszweig für die Menschen um den Kilimanjaro wegfallen. Ich habe große Hochachtung vor diesen Leuten!
Nach einer halben Stunde sind alle eingetrudelt und wir beziehen zum letzten Mal unsere Zelte, Das Dinner nehmen wir wieder in der Hütte ein und dürfen uns ½ Stunde den Weckton des schnarchenden Rangers anhören, der hinter dem Tresen auf der Pritsche liegt. 
Das Essen ist wie immer viel zu üppig und irgendwie steht auch jedem der Sinn nach einem anderen Essen. Zucchinisuppe, Reis/Kartoffeln/Nudeln mit Chicken reicht auch langsam. Beim Obst ist es andersrum, Orange, Ananas oder Melone, wir lieben es. Wir vereinbaren für morgen noch einen frühen Abmarsch um 8 Uhr und dann liegen auch schon alle im Zelt.
 
7. Tag - 13.02.2014 : Mweka Camp - Mweka Gate
Kein Regen, wenig Wolken…warum heute und nicht gestern? Was soll’s, der Rheinländer in mir sagt sich „Et is, wie et is, et kütt, wie et kütt, und et hätt noch immer jot jejange“. Der Weg ist nun so breit, dass Gespräche mit Whitey und Jasper, dem 2. Guide entstehen, natürlich immer wieder unterbrochen von vorbeieilenden Portern. Whitey fliegt im März nach London und wir laden ihn an den Thunersee ein, damit er sich auch mal andere Berge anschauen kann. Mal schauen, ob sich das ergibt, für ihn sicher auch eine Frage des Geldes. Pläne für nächstes Jahr werden geschmiedet. Statt die Akklimatisierung am Mt. Meru zu machen, könnte man doch auch den Trekkinggipfel vom Mount Kenia machen und dann erst nach Tansania reisen. Außerdem wäre es eine Überlegung wert, statt im Februar auf den (Nord)Sommer zu gehen. Sicher ist der Februar untypisch und frustrierend für uns gewesen, aber das ist nicht der Hauptgrund. Anfang des Jahres stecken viele Firmen noch im Jahresabschluss oder anderen Planungen. Mindestens zwei Interessenten haben deshalb keinen Urlaub bekommen. Wäre da nicht noch die Rechnung mit Westernbreach und Krater-Camp offen, würden wir die Gäste danach alleine auf den Kili schicken und selbst die beiden Klettergipfel am Mt. Kenia versuchen. ´Nach dem Berg ist vor dem Berg´ - Pläne schmieden macht Spaß, außerdem geht die Zeit auch schneller rum, denn mittlerweile denken alle immer mehr an Dusche und richtige Toilette.
Das einzige was etwas nervt, sind die vielen Treppenstufen. Das kennen wir noch von der Etappe Saddle Hut – Miriakamba Hut am Meru. Da kommen Erinnerungen an den größten Muskelkater aller Zeiten in den Waden hoch.
Plötzlich endet der Waldweg auf einer Fahrstrasse und von dort ist es nicht mehr weit bis zum Ende. Schon von weitem sieht man die vielen wartenden Busse und Land Cruiser. Das übliche Auschecken und die unvermeidlichen Verkäufer von Getränken, und Kilimanjaro-Nippes, selbst ein Schuhputzer bietet seine Dienste an. Nachdem wir alle Formalitäten erledigt haben, werden noch alle verbliebenen Porter und Guides zusammengerufen für ein letztes Gruppenfoto, dann geht es ab zur Lodge.

Tourengänger: Sidhisch


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Kommentare (1)


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WoPo1961 hat gesagt:
Gesendet am 5. September 2014 um 13:16
Wow, was für ein Bericht!! Spannend und unterhaltsam geschrieben. Und auch eine Portion Humor fehlt nicht. Deshalb mein allerherzlichen Glückwunsch zum Gipfel!
Willkommen bei Hikr (ich weiß, es ist dein 3. Bericht. Aber für mich, der 1. den ich gelesen hab)
Grüße aus Flachlandhausen
WoPo


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