Überschreitung Grand Darray


Publiziert von danski , 21. August 2014 um 22:28.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Unterwallis
Tour Datum:17 August 2014
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: 4+ (Französische Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2450 m
Strecke:La Fouly - Cab. de l'A Neuve - Col des Essettes - Grand Darray - Gl. de Darray - Col des Planereuses - Cab. de Saleina - Le Revers

Zum reichlich verspäteten Start der Hochtourensaison wollten wir uns etwas gemütlicherem annehmen. Angenehme Erinnerungen verleiteten uns einmal mehr dazu, im Val Ferret unser Glück zu suchen. Ein guter Ruf eilt dem Grand Darray SE-Grat voraus, was wir zu bestätigen gedachten.

Am späten Samstagnachmittag nahmen wir den kurzweiligen Hüttenweg zu Cab. de l'A Neuve in Angriff. Wenn sich die hartnäckigen Wolken mal etwas lichteten, wurde uns schnell bewusst, dass wir eher mit herbstlichen Verhältnissen zu rechnen hatten, denn die Schneefallgrenze lag bedrohlich tief. Hochwinterlich präsentierte sich Mont Dolents Galletgrat und wir versuchten abzuschätzen, wie viel Schnee uns erwarten würde. Doch erst einmal genossen wir die Wärme und Herzlichkeit in der l'A Neuve Hütte. Immer wieder erstaunlich, wie international es hochalpin zu- und hergeht. Unser Tisch repräsentierte einen Querschnitt von New York via Québec in die Normandie bis hoch zu meiner finnischen Begleitung. Uns kam das Privileg zu, im warmen Essraum zu schlafen, da es im Schlafraum etwas gar eng geworden wäre. Kurz nach 22:00 gesellten sich zwei weitere Gäste hinzu, die sich allerdings auf der Durchreise ins Tal befanden. Die beiden kamen doch tatsächlich zu dieser späten Stunde noch vom Grand Darray herunter. Bereitwillig schilderten sie uns nicht ohne Stolz und Begeisterung von ihrem Abenteuer. Viel Schnee liess die beiden nur sehr langsam vorwärtskommen. Also doch! Aber natürlich wollten wir uns davon selber ein Bild machen. Motiviert tauchten wir bald in einen tiefen und ruhigen Schlaf.

Sonntag 17.08. Grand Darray Überschreitung - Cab. de Saleina - Praz de Fort

Waren die Gipfel am Samstag noch umwölkt, präsentierte sich der frühe Sonntagmorgen nun sternenklar und vom Halbmond erleuchtet. Die Vorzeichen auf einen guten Tag konnten nicht besser sein! Bei Temperaturen leicht unter dem Gefrierpunkt starteten wir vor 5:30 ins Abenteuer. Im Lichtkegel der Stirnlampe war die Wegfindung einfach und nach kurzer Zeit erreichten wir den Col des Essettes, 3108m. Da wir gedachten, in den wärmenden Sonnenstrahlen die erste und zugleich Schlüsselseillänge zu klettern, liessen wir erst einmal die Sonne über den gebirgigen Horziont auftauchen. Immer wieder ein neues, erhabenes und farbenprächtiges Schauspiel. Nun konnte es losgehen! Über eine Platte erreicht man ein Felsband, von wo sich der SE-Grat des Grand Darray senkrecht in den Himmel auftürmt. Zweifellos ist der Fels bombenfest, einzig geschwächt durch wenige schuppige Risse, an denen man sich kraftvoll in die Höhe arbeiten muss. 2 Bohrhaken weisen den Weg am Anfang, dann kommt aber lange nichts mehr. Nach gut 20m hat man die 4b-Schlüsselstelle geknackt. Ein gelungener Auftakt, der Lust auf mehr macht! Die folgende Kletterei ist deutlich einfacher und weniger steil. Zügiges gehen am laufenden oder gar kurzen Seil ist unabdingbar um rasch voranzukommen. Bevor der Grat wieder etwas steiler wird, muss eine Scharte im Grat überwunden werden. Eine Abseilstelle entschärft hier einen doch recht haarsträubenden, dynamischen Spreizschritt mit Pulverschnee-garniertem Absprung und Landung. Der Vorgipfel wartet noch einmal mit  Kletterstellen im Bereich 4b in solidem Granit. Eine weitere Abseilstelle führt in die Scharte zwischen Vor- und Hauptgipfel. Unser 50m Seil wurde bis zum letzten Zentimeter benötigt. Ohne den lockeren Neuschnee in den sonnenabgewandten Flanken, könnte man hier wohl auch abklettern. Ein paar letzte genussreiche Kletterstellen und wir standen auf dem wenig geräumigen Gipfel. 3514m sind zwar nicht berauschend, doch die Aussicht ist es allemal! Die Länge des Grates ist nicht zu unterschätzen, benötigten wir doch satte 6 Stunden von der Hütte bis zum Gipfel. Für Eingespielte und Geübtere ist die Strecke aber bestimmt in 4-5 Stunden zu schaffen.

Hat man die Überschreitung als Ziel, wird jenseits des Gipfels alles ein bisschen komplexer. Hier sind keine Haken mehr anzutreffen, was auf die seltene oder vielleicht auch nicht sehr lohnende Überschreitung hinweist? Noch einmal beanspruchen wir die vollen 50m, bzw. 25m unseres Seils um in die Scharte zwischen dem Grand und Petit Darray zu gelangen. Soweit hat der Abstieg Spass gemacht und wir mussten nun nur noch ca. 80 Höhenmeter bis zum flachen Glacier de Darray hinter uns bringen. Wir dachten uns zumindest, dass der Abstieg vom tiefsten Punkt zwischen den beiden Darrays wohl der logische sein müsste... Aller Anfang war noch vielversprechend, doch nach dem ersten improvisierten Abseilen war der Weiterweg plötzlich nicht mehr ganz so offensichtlich. Mit Müh und Not fanden wir nach etwas suchen, wühlen und hacken zwei verstrauenserweckende Blöcke für einen weiteren Anker. Mühsam querend seilten wir weitere 25m ab, in der Hoffnung auf ein Durchkommen. Natürlich wurde die Felsqualität nicht besser und das improvisieren einer weiteren, einigermassen sicheren Abseilstelle gestaltete sich abermals schwierig. Noch mühsamer mussten wir nun um einen Felsen queren und in extrem brüchiges Gelände ausweichen. Man konnte wirklich nichts berühren, ohne dass man gleich abräumte. Etwas verbleibendes Eis zwischen den losen Blöcken bot den Steigeisen und Pickel etwas Halt. Da wir nach senkrechtem Abseilen wieder horizontal traversieren mussten, verklemmte prompt das Seil beim Versuch es abzuziehen. Als wir schon beinahe aufgaben, oh Wunder, löste es sich doch noch. Ein weiteres Abseilmanöver brachte uns auf das Pulverschnee bedeckte Eis oberhalb des beachtlichen Bergschrundes. Natürlich hatte keiner von uns eine Abalakov dabei und da wir nun wirkliche einfach nur noch unbeschadet über den Schrund wollten, liessen wir zum Schluss auch noch eine Eisschraube zurück. Grosse Erleichterung als wir endlich wieder soliden und flachen Grund unter uns hatten! Geschätzte 2 Stunden hat uns die wohl mühsamste Abseilerei gekostet... Ein vor uns gestarteter Bergführer mit Gast hat übrigens den brüchigen Petit Darray überschritten und ist via eine deutlich einfachere Schneerinne auf den Gletscher gelangt. Sah einiges angenehmer und schneller aus, wenn auch nicht besonders genussvoll, wie uns der Bergführer etwas später berichtete. Tückisch eingeschneit war der nicht sonderlich furchterregend aussehende Glacier de Darray. Gleich mehrmals traten wir ins nichts. Doch die Spalten hatten glücklicherweise keine alpinistenverschluckende Grössenordnung. Über den Col des Planereuses wechselten wir ins Saleina-Becken, das sich zweifellos zu den wilderen Ecken zählen darf. Zügig waren wir bei der Cab. de Saleina, wo wir von der Hüttenwartin mit einem Willkommenstee begrüsst wurde. Sie hatte wohl die Hoffnung, dass wir uns zu den ganz wenigen Übernachtungsgästen gesellen würden. Wir wären der Einladung gerne gefolgt, wären da keine beruflichen Verpflichtungen gewesen... Rasend schnell vernichteten wir nach der kurzen Pause in der fantastisch gelegenen Hütte die verbleibenden 1500 Höhenmeter bis nach Praz de Fort, Le Revers. Nur schon der Hüttenweg ist eine Reise wert! Vorbei an der schwindelerregenden Granitbastion der Clochers des Planeureuses, hoch über dem zerfurchten Glacier de Saleina und durch alpine Blumenwiesen führt der Weg über weite Strecken kettengesichert steil in die Höhe, oder eben für uns in die Tiefe. Nach fast 14 Stunden haben uns unsere mittlerweile etwas gummigen Beine bis nach Le Revers gebracht. Einmal Daumen raus und ein deutsches Ehepaar nahm uns gleich mit zum Ausgangspunkt in La Fouly. Ein erfolgreiches Ende dieses kleinen Bergabenteuers, dass uns manchmal zu unflätigem Fluchen provozierte, aber meistens doch ein zufriedenes Lächeln auf unsere Lippen zauberte!

Epilog

Inspiriert wurden wir zu dieser Tour einmal mehr durch Daniel Sibernagels Topoführer Walliser Alpen. Allerdings kann ich die beschriebene Schwierigkeit von WS+ nicht ganz unterschreiben. Nun gut, ich bin auch nur Hobby-Alpinist und komme sicher sehr viel schneller in Schwierigkeiten als ein Herr Silbernagel. Andere Quellen, wie camp to camp bewerten die Tour mit einem ZS+, 4b, wobei hier die Überschreitung nicht berücksichtigt ist. Jedenfalls scheint mir diese Bewertung als adäquat. Einmal abgesehen von diesen harten Fakten, war das eine Deluxe-Tour, auch wenn man keinen grossen Gipfel mitnehmen kann. Dafür stresst bestimmt keine andere Seilschaft und man darf sich den Weg grösstenteils noch selber suchen, was nicht immer ein Vorteil ist... Im SE-Grat stecken 10 neue Inox Bohrhaken. Gerade genug um auch die schwierigeren Kletterstellen immer noch im Komfortbereich klettern zu können. Der Rest darf je nach Bedarf mit mehr oder weniger Material abgesichert werden.

Topo hier: http://www.camptocamp.org/routes/228437/fr/grand-darrey-arete-se-par-le-col-des-essettes

Tourengänger: danski


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Kommentare (1)


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orome hat gesagt:
Gesendet am 22. August 2014 um 11:04
Servus Dani!
Sauber genutzt das Wetterfenster würde ich sagen! So eine schöne Gegend da hinten. Ein bisschen vermissen tu ichs ja schon ...
Hoffentlich gehen sich Dir noch ein paar andere Berge im Unterwallis aus, Bilder schauen macht nämlich auch Spass ;)

Grüsse aus dem Osten
Manu


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