Margherita Peak (5109 m), Albert Peak (5087 m) und Edward Peak (4843 m) im Ruwenzori


Publiziert von Sarmiento , 28. September 2014 um 21:50.

Region: Welt » Uganda
Tour Datum:24 Februar 2012
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: EAU   CGO 
Zeitbedarf: 10 Tage
Aufstieg: 5500 m
Abstieg: 5500 m
Strecke:ca. 110 km
Unterkunftmöglichkeiten:Kasese Kilembe

Eine Tour im vielleicht schönsten Gebirge der Welt, dem Ruwenzori in Ostafrika

Die meisten kennen den höchsten Berg Afrikas, den Kilimanjaro. Manche auch noch den Zweithöchsten, den Mount Kenya. Aber wer kennt - mal ganz ehrlich - schon den Dritthöchsten, das Ruwenzori-Gebirge? Eben, ich zuvor auch nicht.

Wir entschlossen uns schon ein Jahr zuvor, mal etwas ganz anderes als die Alpen zu machen. Nur wo? Es gibt ja viele Möglichkeiten für etwas ambitionierte Hochtourengeher, die auch vorm Fliegen nicht zurückschrecken: Allen voran die hohen asiatischen Gebirge wie Himalaya, Pamir etc., auch die südamerikanischen Anden bieten sich an. Vielleicht noch etwas näher der Hohe Atlas in Nordafrika. Wie genau wir schließlich auf das Herzen Ostafrikas kamen, weiß ich gar nicht mehr. Es muss an der Faszination meines Kletterpartners für Afrika ganz allgemein gelegen haben - er schwärmte mir schon viel vor, dass ich eigentlich auch recht alternativlos dort mal hin wollte.

"Afrika, seid ihr verrückt?"

Da ich sehr sehr häufig zu hören bekommen habe "Afrika? Bist du verrückt? Da unten herrscht Krieg und Terror, du wirst überall ausgenommen, das ist gefährlich!" muss ich hier ein bisschen ausholen:
Afrika ist nicht gleich Afrika! Es gibt fraglos Länder mit Konflikten und Kriegen, mit Terror. Aber das sind andere Länder, die teils tausende Kilometer entfernt von unserem Ziel lagen, dazwischen viele weitere Länder. Umgekehrt gefragt: Wer würde momentan Deutschland meiden, weil in der Ukraine ein Konflikt ist? NIemand, eben - so differenziert sollte man über Afrika auch denken. Zweifelsohne geht es alltäglich in Afrika anders zu als in Europa, das war uns jedoch sehr wohl bewusst. Das sind aber andere "Gefahrenquellen" als echter Krieg.
In Uganda speziell ist es auch noch nicht allzu lange her, dass dort ein Bürgerkrieg tobte - vor ca. 15 Jahren duellierte sich hier die ugandische Armee mit Rebellen aus dem benachbarten Kongo. Und im Nachbarland Ruanda fand ein grausamer Völkermord statt. Aber auch hier - es ist nicht lange her, aber es ist vorbei! Vor 20 Jahren wäre zwar auch keiner auf die Idee gekommen nach Bosnien oder Kroaten zu fahren, aber heute? Auch hier herrscht meist ein sehr indifferenziertes Bild von Afrika vor: Hat man von einem Land mal etwas schlechtes gehört, ist das für alle Zeiten im Hirn so verankert. Für die meisten überträgt sich das dann auch noch auf den gesamten Kontinent - und fertig ist das Vorurteil von der No-Go-Area. Vielleicht mit Ausnahmen wie Südafrika (Fußball-WM, war doch gut, oder?), Tunesien (da kann man schön Urlaub machen) oder Marrokko (alte Städte, hübsche Frauen, gar nicht so übel dort)
Auch daher möchte ich mit diesen Bericht hier zeigen, dass es gar nicht so ist - man muss eigentlich nur kurz suchen.

Die Anreise

Für uns gings von Brüssel aus per Direktflug nach Entebbe, der alten Hauptstadt und gleichzeitig dem internationalen Flughafen von Uganda. Sie liegt wunderschön auf einer Halbinsel, die in den riesigen Victoria-See hinausragt - den drittgrößten See der Erde. Es ist außerdem - für afrikanische Verhältnisse - eine ungewöhnlich grüne, ruhige Stadt, in der wir auch unseren ersten Tag zur Akklimtisation ans tropisch heiße Klima verbrachten. Von hier aus sind es ca. 35 km bis zur neuen Hauptstadt Kampala. Am nächsten Tag fuhren wir mit einem Taxi dorthin um uns mit einem der zahlreichen öffentlichen Busse in den Westen des Landes, genauer nach Kasese, bringen zu lassen. Kampala selbst muss man nicht gesehen haben: Es ist laut, voll und staubig. Die Busfahrt war holprig und lang (ca. 8 h), was aber am alten Bus und nicht an der unerwartet gut geteerten und breit ausgebauten Straße Richtung Westen lag. Kasese selbst liegt noch im Flachen östlich direkt vor den steilen Flanken des Ruwenzoris. Abends gings dann von Kasese aus noch weiter mit einem Motorrad-Taxi, Boda-Boda genannt, hoch nach Kilembe. Das ist eine alte Bergarbeitersiedlung, die bereits voll in den östlichen Ausläufern des Ruwenzori liegt. Hier erwartete uns bereits ein kleines, aber recht gemütliches Backpacker Hostel und unser Guide für die nächsten 10 Tage, der mit uns noch einige Dinge zwecks Ausrüstung und generellem Routenverlauf durchsprechen wollte. Der Abend war nett, auf der Veranda erzählte uns ein kauziger Kanadier seine besten Sch..Haus-Geschichten aus der gesamten Welt, das war irgendwo zwischen komisch und abstoßend. Der einzige weitere Gast, ein anderer Deutscher, sah's genauso.

Die Tour

Wir hatten vorab ein 10-tägiges Wander- und Gipfelprogramm bei einer kleinen, ortansäßigen Trekking-Firma gebucht. Da es in dieser Zeit fast auschließlich durch den Nationalpark gehen sollte, war eine Bedingung, mindestens 4 Träger, 1 Koch und 1 Guide zu beschäftigen, damit auch die lokale Bevölkerung entschädigt wird. Soweit, sogut. Als wir am nächsten Morgen allerdings von einem Heer von Trägern begrüßt wurden, waren wir fast schon schockiert. Der Grund war simpel: 10 Tage im Nationalpark erfordert eine Menge Logistik, da dort nicht einmal abgestorbenes Holz fürs Feuer entnommen werden darf. Es musste also alles mit hoch auf den Berg genomen werden und so waren wir plötzlich der Mittelpunkt einer Urwald-Expedition geworden. Uns war das unangenehm, wie Paschas als Herdenführer zu agieren. Andererseits brachte es in einer Gegend, die kaum Arbeit bot, gleich 14 Leuten Geld für 10 Tage ein. Wie denkt man also darüber? Wir entschieden uns dafür, dass unsere Neugier wohl auch für die Leute vor Ort ihr Gutes hat.

Tag 1

Am ersten Tag ging es vom Hostel auf ca. 1400 m gelegen hoch auf das wunderschön gelegene Kalalama Camp auf 3134 m. In diesen Breiten heißt das so viel wie - der Urwald oben ist nicht mehr ganz so dicht wie im Tal, aber er ist immer noch da. Der Weg folgt einem alten Pfad, den Jäger seit Jahrzehnten nutzen um in die Berge zu gelangen. Erst ist gut sichtbar und technisch unschwer. Wer jedoch versucht, nur 1 Meter davon abzuweichen, landet direkt im undurchdringlichen Grün - der Weg ist also förmlich nicht zu verfehlen. Wir durchquerten dabei verschiedene Vegetationszonen, u.a. auch den Bambuswald. Der war so dicht, dass man an manchen Stellen eine Lampe brauchte um noch etwas zu sehen!
Im Camp angekommen, merkten wir auch gleich, warum wir 13 Träger beschäftigten: Punktlich um 17 Uhr wurde in alter kolonial-englischer Tradition Tee mit Bisquits gereicht. Zur weiteren Auswahl standen noch Kaffee, heiße Schoki und Milchpulver - kein Witz! Unser ungläubiges Grinsen ist glaube ich nicht allzuschwer vorzustellen...
Abends zog dann noch ein heftiges Gewitter über uns hinweg und "baute" das Camp etwas "um", war aber am nächsten Morgen nur halb so wild.

Tag 2

Vom exponierten Camp auf 3134 m gings hoch auf 3688 m. Der Weg schlängelt sich durch den nach und nach dünner werdenen Urwald und gibt sogar bereits einige Blicke auf die höheren, umstehenden Berge frei - sofern grade keine Nebelschwaden durchziehen. Die waren auch nicht allzu schlimm, denn erst dadurch bekommt die Landschaft einen absolut urtürmlichen Charakter. Käme jetzt ein Dinosaurier um die Ecke - es würde vom Gefühl her einfach pasen! An einer Stelle hat man den Ausblick auf einen gegenüberliegenden Berg, an dem immer noch ein Flugzeugwrack liegt, dass dort in den 70ern bei Nebel in den Berg gerast ist. Die Nachfrage, ob die Leichen geborgen wurden, entlockte unsrem Guide Richard nur ein unsicheres "Maybe". Uh, ich hoffe doch! Die Vorstellung fand ich schon etwas gruselig.
Nach einer kurzen Steilstufe erreicht man ein erste Hochtal mit sumpfartigem Charakter, über all dem thront ein großer Berg, den wir nachmittags noch "mitnehmen" würden, der Mutinda Peak (3975 m). Bald erreichen wir auch schon das Mutinda Camp, das unter einem riesigen Felsvorsprung auf 3688 m liegt. Hier passen locker 3 große Zelte für uns alle + 1 Feuerstelle drunter! Wir rasten kurz und machen uns dann zum Aufstieg auf den Mutinda Peak, auch Mutinda Outlook gennant - wegen der herrlichen Blicke nach Uganda rein. Dummerweise haben wir davon nichts gesehen, kurz vor dem Gipfel überraschte uns ein starker Regen/Schneeschauer, sodass die Sicht bei ungefähr 5 Metern lag. Egal, Hauptsache schonmal ein Berg! Wieder unten mussten wir natürlich erstmal alle Klamotten trocken legen - dank des großzügigen Felsüberhangs und gleich 2er Lagerfeuer ging das fix. Der Nachteil: Jetzt stinkt alles nach Rauch.

Tag 3

Bereits kurz hinter dem Camp hört der grüne, halbhohe Bewuchs auf - und wir stoßen auf komplett abgebranntes Land - an manchen Stellen qualmt es sogar noch. 1 Woche zuvor hat hier oben vermutlich ein Blitz eingeschlagen und eine riesige Fläche Land verbrannt - wir werden die nächsten 2 Tage ausschließlich durch verbranntes Land gehen. Der Anblick ist gespenstisch, aber auch absolut faszinierend! Abgebrannte Riesenlobelien und Senethien soweit das Auge reicht, das könnte auch aus einem Hollywood-Endzeitfilm stammen! Der Weg selbst folgt dem Talkessel hinter dem Mutinda Camp bis zu dessen Ende und hoch auf einen kleinen Pass auf eine Hochebene, die aus vielen kleinen Hochmooren besteht. Der weitere Verlauf ist unschwer und nur sehr sanft ansteigend. Am Lake Bugata gehts nochmal für ein paar Meter auf eine kleine, felsige Aussichterasse über dem See - hier thront beinahe das Bugata Camp auf 4062 m.
Die Landschaft wäre sicher noch um einiges reizvoller, wäre sie nicht in der gesamtem Umgebung vollständig abgebrannt. Beeindruckend ist dazu die Geschichte, dass ein paar Männer des Trekking Services während des riesigen Feuers im Camp waren und davon eingeschlossen wurden. Sie haben es mit einfachsten Mitteln geschafft, sich zu schützen und obendrein noch ein Abbrennen des Camps zu verhindern. Dank dieser Männer waren wir überhaupt hier, da wir sonst unsere Reisepläne kurzfristig hätten ändern müssten - Hut ab und ein riesiges Danke schön!
Außerdem beobachteten wir noch an einem gegenüberliegenden Berghang (unterhalb des Weissmann Peaks) eine Stelle, von der immer noch Rauch aufstieg. Unser Guide Richard zog nur mit einem 10-Liter-Wasserkanister bewaffnet los, um zu retten was noch zu retten war. Es war wohl eher für's gute Gefühl, denn eigentlich war wie gesagt alles komplett verkohlt, auch dort drüben. Egal, wir begleiteten ihn, denn auch wir wollten noch was getan haben, um es zumindest versucht zu haben. Der größte Erfolg des "Ausflugs" war dann auch, dass wir alle dannach wie verruste Bergarbeiter aussahen und uns erstmal am See waschen mussten. Immerhin die Rauchzeichen konnten wir abstellen. ;-)
Ach ja, weiteres erwähnenswertes: An dieser Hütte trifft Uziah auf uns, der uns von nun an als zweiter Guide begleitet. Außerdem treffen wir hier das erste Mal (!) andere Touristen - 2 Engländer, die grade auf ihrem Rückweg von ganz oben sind. Und - ein echtes Highlight - die Hütte hat Solarbeleuchtung, endlich brauchte man abends mal keine Fackel oder Stirnlampe. ;-)

Tag 4

Direkt hinter dem Bugata Camp gehts steiler werdend einen Bergrücken empor, an einer Felswand entlang und durch ein auffälliges Felsentor hindurch. Dannach folgt ein weiteres Hochmoor und wir biegen in ein schönes Hochtal ab. Wieder mal - es wäre mit grünem Bewuchs sicher schöner als in braun-schwarz. Wir erreichen hier eine Höhe, wo alles Abgebrannte unter einer feinen Schneedecke liegt - das macht den Anblick wiederum auf seine ganz eigene Art faszinierend. Wir folgen dem Hochtal bis an sein Ende und steigen steil bis zum Bamwanjara Pass auf 4450 m an. Der Pass war offensichtlich auch die Trennlinie des Feuers, denn vor uns breitet sich endlich wieder ausschließlich grüner Bewuchs aus. Jenseits eines großen Tals sind zudem endlich die ganz hohen Berge des Ruwenzoris zu sehen - der Mount Stanley (5109 m), der Mount Speke (4890 m) und der Mount Baker (4844 m), alle jeweils mit mehr oder minder großen Gletschern an ihren Flanken. Auf erst- und letztgenannten wird es uns in den nächsten Tagen ziehen. Wir steigen durch einen riesgen Lobelien-Wald steil in den vor uns liegenden Talkessel ab, der - Überraschung - mal wieder ein Hochmoor beherbergt. Weiter gehts entlang des oberen Kachope Lakes (3972 m) weiter bergab, wir wir rechts ins nächste Tal abbiegen. Wieder durch ein Hochmoor (das ungefähr zwanzigste dieser Tour), über einen kleinen Bergrücken und zum heutigen Tagesziel, dem Butawu Camp auf 3974 m. Es liegt direkt oberhalb eines Felsabbruchs zum Kitandara Valley. Ob das so ein geschickter Platz ist? In unsrer kleinen Hütte zieht's jedenfalls gewaltig und wir holen uns einen Kohleofen zum Wärmen in die gute Stube rein.

Tag 5

Zunächst steigen wir wieder einmal etwas ab um auf den Talgrund des vor uns liegenden Kitandara Valley zu gelangen. Diesem folgen wir nun aufwärts bis zum Scott Elliott Pass auf 4372 m, vorbei an den beiden Kitandara Lakes. Am unteren See liegt wunderschön und geradezu karibisch anmutend eine Hütte, die zum Central Circuit gehört - dem Hauptweg durch das Ruwenzori-Gebirge. Kurz vor der Hütte ist dieser Weg auf unseren getroffen und beide laufen von nun an gemeinsam. Am Scott Elliott Pass eröffnen sich abermal atemberaubende Blicke, hauptsächlich auf den Mount Speke, aber auch auf den nördlichen Mount Emin (4798 m). Wir biegen links ab, genau auf die beeindruckende Ostflanke des Mount Stanley zu. Nach weiteren 100 Höhenmeter ist das Margherita Camp auf 4485 m erreicht, bennant nach dem höchsten Gipfel des Mount Stanley, dem Margherita Peak.
Hier wartet wieder eine kleine, gemütliche Wellblech-Hütte auf uns, die mit genau 2 Schlafplätzen auch gar nicht kleiner hätte sein dürfen.Nachmittags gehen wir dann noch ca. 20 min bergauf zur Hütte des Central Circuit um uns warm zu halten. Richtig gelesen, hier hat tatsächlich jeder Weg auch seine eigenen Hütten. Kein Problem - es gibt ja auch nur 2 Wege im gesamten Gebirge! ;-) Wir treffen tatsächlich "schon wieder" auf Touristen, diesmal 2 Deutsche. Später nachmittags zieht schlechtes Wetter auf, sodass wir unseren üblichen 5 o'clock tea im Schneegestöber unter einer Zeltplane genießen.

Tag 6 - Gipfeltag Margherita Peak (5109 m) und Albert Peak (5087 m)

Das erste mal Aufstehen im Dunkeln - und das auf dieser Höhe! Sch... war das kalt draußen! Frühstück so gegen halb 4 und dann im Dunkeln Richard und Uziah hinterher den Berg hoch. Wieder an der Hütte des Central Circuit vorbei und weiter hoch ins Felsenlabyrinth. Auf einmal - unvermittelt - stehen wir am Rand eines Gletschers. Es ist der Stanley Plateau Glacier, der flächenmäßig größte des Ruwenzori und meines Wissens sogar der größte Afrikas. Wir ziehen Gurt und Steigeisen an und seilen uns an. Erst auf dem Rückweg merken wir, dass das alles wohl etwas übertrieben war, dazu gleich mehr. Wir folgen dem Gletscher nicht aufwärts sondern queren ihn nach rechts, auf eine Abbruchkante zu. Hier müssen wir die Eisen nochmals ausziehen und über einige steile Felsen seitlich absteigen. Erst jetzt beginnt der eigentliche Aufstieg zum Margherita Peak. Mittlerweile wird es auch langsam hell. Wobei, was heißt hier langsam? Wir stehen eigentlich auf dem Äquator - es dauert also keine halbe Stunde von der ersten Dämmerung bis zur normalen Helligkeit. Sonne gibts leider keine, wir tapsen in dickem Nebel umher. Wir steigen durch eine steile, schneebedeckte Rinne aufwärts bis zum unteren Ende des Margherita Gletschers, der hier kaum zu erklimmen ist. An einer Stelle seitlich rechts ist es mit etwas Steigeisen-Kraxeln dann doch möglich und wir setzen unseren Weg auf dem Gletscher fort. Es wird zunächst flacher, dann wieder steiler. Ringsherum stehen kleine, wind- und wettergeformte Eisgebilde, die den Gletscher unwirklich erscheinen lassen. Einen vergleichbaren Gletscher habe ich noch nie gesehen! Weiter oben, nach einer langen Rechtskurve, treffen wir wieder auf Fels - und wie! Hier hat sich eine Eisskulptur gebildet, an der Dali und Picasso gleichermaßen ihre Freude hätte: Ca. 10 x 10 x 10 m groß, löchrig, mit windgepeitschten Eiszapfen - großartig! Wir queren an diesem kleinen Naturwunder unterhalb vorbei und erklimmen den Felsgürtel in einer kleinen Rinne. Es folgt Kraxelei bis hin zur leichten Kletterei auf dem oberen O-Grat, bis wir auf einmal - hoppla - oben sind! Das große Schild auf dem Gipfel ist dick eis- und schneeverkrustet, wir befreien es erstmal davon. Die Gipfelrast ist auch nur kurz, leider gibts immer noch nix außer Nebel zu sehen, der Wind schneidet, außerdem wollen wir noch weiter! Auf der Rückseite, zwischen N- und W-Grat, steigen wir über verschneite Felsen in Richtung einess Kars ab, hier lässt auch der Wind etwas nach. Wir müssen einige Höhenmeter runter, bevor wir von N- in W-Richtung umschwenken können. Kurz später reißt die Wolkendecke auf und wir sehen endlich, wo wir sind. Was für ein Anblick! Gegenüber thront der riesige Mount Speke, hinter uns rechts der steile Margherita Peak und vor uns, fast noch steiler, der Zahn des Albert Peak! Und links von uns sieht man kurz in die Ebene weit bis in die DR Kongo hinein, in der wir uns übrigens mittlerweile offiziell befinden - die Grenze verläuft schließlich genau über den höchsten Punkt, und der liegt hinter uns. Wieder kurz später ist alles wieder dicht, aber immerhin. Nun gehts wieder langsam aber sicher hoch, die Felsen werden wieder steiler und sind mittlerweile gänzlich mit Eis und Schnee überzogen. Das liegt hier wohl am Wind, der unerbittlich über den exponierten Albert hinwegfegt. Wir erreichen den Gipfel (5087 m) bald später und machen nur kurz Fotos - Platz ist hier oben grade mal für 1 oder 2 Mann, Tafeln oder Gipfelkreuze sucht man hier ebenfalls vergeblich. Es ist einer dieser Gipfel, die derart im Schatten ihres großen Bruders (hier: eher großer Schwester) stehen, dass sie fast nie besucht werden. Uziah meinte, wir wären vermutlich die ersten hier oben seit einem Jahr. Wow! Dabei ist das eindeutig der schönere der beiden Gipfel!

Der Rückweg ist schnell erklärt: Zurück wie der Hinweg. D.h. erstmal wieder hoch auf den Margherita Peak (ist das dann unsere dritter 5000er an diesem Tag?), runter auf den Margherita Glacier, rüber auf den Stanley Plateau Glacier und runter zur Hütte. Bei Tag wirkte der Margherita Glacier gigantisch - von der Steilheit, der Lage und seinem Aussehen her sehr beeindruckend! Das Stanley Plateau war eher das Gegenteil: Zwar unerwartet groß, aber flach wie Holland und dementsprechend spaltenarm. Dass Richard und Uziah hier darauf beharrten, uns wieder Steigeisen "anzudrehen", nahmen wir dann einfach hin.
Von der Margherita Hütte machten wir uns dann nachmittags - nach einer kurzen Stärkung - noch auf dein Weiterweg nach unten, zurück zum Butawu Camp auf 3972 m, also den gleichen Weg zurück wie tags zuvor hoch.

Tag 6 - Gipfeltag Edward Peak (4842 m)

Der Weg vom Butwa Camp durch die anfangs dichte Vegetation zum Freshfield Pass (4215 m) ist komplett neu geschlagen und beinhaltet noch einige Stolperfallen. Ich bekam das zu spüren, als ich auftrat und sich unvermittelt unter mir ein Loch auftat, in das ich auch erstmal hüfttief einbrach. Der Schreck saß! Am Freshfield Pass wird der Central Circuit gekreuzt, der den Mount Baker großräumig umrundet - wir wollten heute aber genau dort hinauf! Die Südflanke ist anfangs noch sanft und bewachsen, bald jedoch wird sie steiler und endet in den ersten Felsstufen, die überklettert werden müssen. Es wechseln sich immer wieder Geh- und Kletterabschnitte ab. Man erreicht nach einiger Zeit einen Durchschlupf zwischen einem kleinen Vorberg im SW-Grat und dem weiteren SW-Gratverlauf. Hier steigt man nochmals ab, um in die breite, deutlich einfacher zu gehende SW-Flanke zu gelangen. Hier kraxelt man sich langsam Meter für Meter nach oben. Schließlich wird eine kurze, aber steile Abbruchkante erreicht, die die gesamte S-Flanke des Berges durchzieht. Sie ist nicht übermäßig hoch (vielleicht 15 m), aber nur an einer Stelle über ein abfallendes Band passierbar. Hier sind sogar Bohrhaken angebracht und Uziah sichert uns rüber. Nun gehts nochmals eine steile Schneerinne hoch bis an die wenig ausgeprägte Gratschneide, die letzten Meter bis zum Gipfel folgen dann dem S-Grat.
Heute und hier haben wir zum Glück keinen Nebel, sodass wir endlich ein Gipfelpanorama haben. Und was für eines! Auf der einen Seite Weitblicke nach Uganda, auf der anderen, nur durch den Mount Stanley etwas verdeckt, in den Kongo! Südlich und nördlich fast der gesamte Ruwenzori, einfacht unbeschreiblich! Margherita und Albert Peak hängen wieder in Wolken, wir haben hier wohl endlich mal Glück!
Die Rast fällt dementsprechend heute länger aus, auch da der Wind uns in Frieden lässt.

Der Rückweg folgt dem Hinweg. Erwähnenswert ist noch, dass wir im Abstieg zwei längere Schneerinnen und etliche kürzere Schneefelder zum "Abfahren" benutzt haben. Anfangs noch ängstlich und skeptisch von Richard und Uziah verfolgt, machten die beiden irgendwann auch mit und hatten einen Riesenspaß daran - sie waren zuvor nie auf Schnee herum gerutscht, es war ihnen einfach nicht geheuer. So lässt sich auch erklären, warum wir für den Weg nach unten etwas länger gebraucht haben: Wir haben nach einiger Zeit den Weg ausschließlich nach "befahrbaren" Schneefelder ausgerichtet, und nicht mehr nach dem direktesten oder einfachsten Weg! Insgesamt ein unvergesslicher Tag!
Am Abend kam dann nochmals ein heftiger Schneesturm auf, der übers Camp zog.

Tag 7

Morgens war ringsherum alles weiß, bei uns unten nur als Puder, weiter oben auf den Bergen war die Schicht schon dicker.
Der Rückweg vom Butawu Camp zum Bugata Camp erfolgte auf dem selben Weg wie der Hinweg (Tag 4), ist also schnell erzählt. Auf dem Bamjawara Pass in 4450 m Höhe wars heute sehr frisch und die Lobelien hier oben waren teils dick zugeschneit. Jenseits des Passes besserte sich das Wetter aber gegen nachmittag und abend schon wieder deutlich.

Tag 8

Für ein paar Kilometer am Anfag folgt der Weg noch dem Hinweg vom Mutinda Camp (Tag 3), zweigt jedoch dann linkerhand in ein kleines, sanft absteigendes Seitental ab. Am Ende dieses Tals wartet die erste Steilstufe, wobei der Weg hier zusätzlich noch vom vorangegangen Feuer in Mitleidenschaft gezogen worden ist - er ist teils von verkohlten und umgeknickten Bäumen versperrt, teils sind Querungen in steilem Gelände einfach weggebrochen. Das sorgt für einen gewissen Nervenkitzel bei uns allen, da nicht einmal unsere beiden Guides auf Anhieb den besten Weg durch das steile Kohle-Labyrinth ausmachen können. Dannach folgt endlich wieder üppiges Grün - zumindest auf unserer Seite des Tales. Auf der anderen scheint es sich noch deutlich weiter nach vorne durchgefressen zu haben. Weiterhin steil absteigend, jetzt im Haupttal, erreichen wir das Kiharu Camp auf 3518 m. Es liegt geschützt unter einer stark überhängenden, glatten Wand. Jeder Hardcore-Kletterer ab dem 9. Grad hätte hier seinen Spaß!

Wir rasten hier kurz und gehen dann weiter talbawärts, langsam wieder in dichteren Urwald vordringend. Der Weg hält sich ausschließlich auf der - talabwärts gesehen - rechten Seite. Während das Haupttal sich immer tiefer einschneidet, bleibt unser Weg nun auf gleicher Höhe, bis er unvermittelt wieder steil entlang des rechten Berghanges ansteigt. Kurz später holt uns auch noch ein Gewitter mit Hagel ein und der Weg wird rutschig - es könnte wirklich schöner sein. Wir packen hastig unsere Regensachen aus und gehen konzentriert weiter, da der schlammige Boden unter uns langsam zur Rutschbahn wird. Endlich sind wir oben auf dem Bergrücken angekommen! Der Hagel scheint das zu sehen und legt jetzt nochmal richtig zu, sodass es schon richtig weh tut! Zum Glück hält er nicht lange durch. Nach etwas flachem schlängeln über eine Hochfläche steigt der Weg wieder steiler ab und wir überqueren einen Bach direkt oberhalb eines kleinen Wasserfalls. Und plötzlich taucht, wieder einmal, aus dem Nichts das Samalira Camp (3170 m) auf. Es steht - wie schon am ersten Tag das Kalalama Camp - wunderschön exponiert oberhalb eines steil abfallenden Bergwaldes.
Wir trocknen erstmal unsere Klamotten am Feuer und genießen unseren letzen Abend am Berg.

Tag 9

Vom Camp aus geht es steil den Bergwald hinunter ins Haupttal. Da der Bewuchs immer dichter wird, ist kaum noch auszumachen, wo man sich genau befindet. Gut trainiert, wie wir nun durch etliche Tage Laufen und "Höhentraining" sind, kommen wir schnell voran und erreichen so bereits kurz vor Mittag den Eingang des Nationalparks auf rund 1700 m. Nun hat uns die Zivilsation wieder! Durch die Dörfer des hier lebenden Stammes geht es zurück runter nach Kilembe, wo wir kurz nach mittag eintreffen. Wir bzw. eher unsere Guides und Träger werden bereits freudig von ihren Familien erwartet - immerhin auf uns freut sich offensichtlich die Dame vom Backpackers Hostel! Sofort wird für uns gekocht, unsere Wäsche dürfen wir auch zum Waschen abgeben - und wir können wieder duschen, und das sogar warm! Nach 10 Tagen ohne ein absolute Wohltat, die wir beide ausführlich genießen!

Im Anschluss haben wir noch eine 3-tägige Safari im Queen-Elizabeth-Nationalpark gemacht um nochmals einen gemütlichen Abschlusstag in Entebbe am Victoria-See zu verbringen. Dannach gings dann per Direktflug zurück nach Brüssel.

Fazit:

Die mit Abstand eindrücklichste und schönste Tour, die ich bisher gemacht habe! Ich selbst habe noch nicht allzu viel außerhalb Europas gesehen, aber mein Kletterpartner. Und dessen Meinung ist da eindeutig: Einen schöneren Flecken Erde hat er noch nirgends gesehen! Dem schließe ich mich an!

Und: Die Menschen in Uganda sind nahezu durch die Bank freundlich und offenherzig, seltenst hatte ich das Gefühl, dass mich jemand anspricht, weil er mir nur etwas verkaufen oder mich übers Ohr hauen will. Klar, das gibt es, aber die meisten hatten einfach nur ein warmes und freundliches Lachen auf dem Gesicht und waren neugierig, woher wir sind und wie uns ihr Land gefällt. Dass es immer noch große Problem in diesem Land gibt (große Armut und damit verbunden Krankheiten, Homosexuellen-Verfolgung etc) will ich gar nicht unter den Teppich kehren. Aber ist das ein Grund, nicht dorthin zu reisen? Ich finde nicht, denn Ignoranz und Arroganz helfen diesem Land bzw. Kontinent genauso wenig weiter!


Tourengänger: Sarmiento


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