Dem Walsertal von Baad aufs Haupt gestiegen: Großer Widderstein (2533m)


Publiziert von Kris , 24. August 2014 um 19:52.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 1 Juli 2014
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 1400 m
Strecke:Baad - Bärgundthütte - Hochalppass - Seekopf - Großer Widderstein & Retour
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bus ab Oberstdorf (faire 4,80 hin und retour), ca. 45min
Unterkunftmöglichkeiten:fakultativ Obere Widdersteinhütte

Nach den ersten beiden regnerischen Touren auf Rubihorn und Himmelschrofen war es einfach überfällig, dass mir gutes Wetter zuteil wird, auch in diesem verhunzten Sommer. So kam es dann auch - auch wenn noch einiges an Neuschnee lag. Ich schwankte zwischen einer Tour auf den höchsten Allgäuer, einen erneuten Anlauf auf die Mädelegabel (erster Versuch: 2010) und dem höchsten Walsertaler, den Großen Widderstein. Ersterer, der Große Krottenkopf, fiel durch, da er Stress bedeutet hätte - entweder in Form eines endlosen Talhatschers oder dem Bekommen des letzten Taxis von Einödsbach nach Oberstdorf. Die Mädelegabel wollte ich nicht versuchen, da ich in der Region bereits die Trettachspitze einplante. Also blieb der Widderstein - nach kurzer Info über den Busverkehr stand der Plan. 

Baad - Hochalppass - T2 - 2h - 700hm


In einer guten Dreiviertelstunde geht es mit dem Bus von Oberstdorf nach Baad, dem Talschluss des Kleinwalsertals. Von hier aus geht es auf einer Fahrstraße in etwa einer halben Stunde zur Bärgunthütte, die wahrlich idyllisch gelegen ist. Hier öffnet sich der Blick erstmals in Richtung des nächsten Zieles, dem Hochalppass und zu den umliegenden Bergen, wie den beeindruckenden Weißen Schrofen (leichtes Patagonien-Feeling, oder ich bilde es mir nur ein) .. weiter geht es kurz durch den Wald, auf eine offene Wiese voller wildem Rharbarber und danach wieder in den Wald, nun nicht mehr auf Fahrweg, sondern Bergpfad. Es geht etwas steiler bergan (T2) bis auf eine nächste kurze Ebene, immer wieder durchbrochen von kleinen, malerischen Bächen. Diese Ebene leitet, teilweise nun schon etwas gerölliger/schrofiger gen Hochalppass. Bevor man diese erreicht, folgt eine weitere Hochebene, die grasig-eben bis zu einem Wegweiser durchquert wird. Der Hochalppass ist erreicht. Mit vielen Fotopausen und in gemütlichem Tempo habe ich etwa 2 Stunden bis hierher gebraucht. Im Rückblick ist Baad allerdings auch schon ein gutes Stück entfernt, ebenso die Bärgunthütte. Der Weg zweigt nun zu einer kleinen Hütte ab, von der ich kurz (ohne Zuhilfenahme einer Karte) vermutete, es wäre die Widdersteinhütte - es war allerdings nur eine private kleine Almhütte. Vielmehr beschäftigt mich allerdings die Frage, wie diese Felsbastion des Widderstein so einfach erstiegen werden kann, suche das bekannte Couloir. Dieses versteckt sich allerdings noch hinter der Westflanke. 

Hochalppass - Großer Widderstein - T4, I, 2,5h, 600hm

Unsicherheitsfaktor ist weiterhin der Neuschnee - wie zugeschneit wird die felsige Rinne sein, die zum Gipfel hinaufzieht? Um auf Nummer sicher zu gehen, habe ich den Eispickel eingepackt - man weiß ja nie. Der Weg zieht nun nach einem kurzen Abstieg in Richtung Hochalpsee unterhalb der Westflanke hoch. Weit unten sieht man erstmals die LKW-Kolonnen den Tannbergpass entlangziehen. Die ersten Kraxelstellen brauchen die Hände, aber völlig unausgesetzt geht es bis an den Anfang der Rinne. Hier kann man quasi den ganzen, durchaus steilen Anstieg zum Gipfelgrat nachvollziehen. Es ist gutes Wetter und vondemher wieder einige Berggänger unterwegs - meine verbindliche Empfehlung: packt einen Helm ein! Es gibt viel loses Gebrösel und man läuft mehr oder minder über- bzw. untereinander die Rinne nach oben. Es ist einfach vernünftig, den Helm einzupacken. Der Weg ist durchgehend weiß-blau-weiß markiert, benötigt aber dennoch ein Grundmaß an Orientierungssinn. Denn den Weg durch das gestufte, treppenartige Gelände muss man sich schon selbst suchen. Je nach eingeschlagenener Route bewegen sich die Schwierigkeiten zwischen Gehgelände und dem unteren zweiten Grad. Ich bleibe immer wieder stehen, um eine angenehme Wegführung sicherzustellen. Sicher ist auch, dass es hier zwar nicht besonders ausgesetzt ist, ein Fehltritt aber auch nicht besonders angenehm wäre. Da es sich mehrere hundert Meter nach oben um (leichtes) Klettergelände handelt, echtes T4er - sollte man schon Trittsicherheit, etwas Bergerfahrung und elementare Klettergewandheit mitbringen. Besonders erwähnenswert ist eine Stelle, an der eine kleine Schlucht mittels eines immer schmaler werdenden Felsbandes gequert wird. Hier gibt es allerdings einen Metallhaken, an dem man sich auf Armhöhe festhalten kann. Danach folgt eine kurze, kaminartige Struktur mit kleinen Klemmblöcken. Ansonsten wird es erst am Grat oben wieder etwas schwieriger. Hier kratzen die Stellen bei nicht guter Routenführung schneller am oberen ersten beziehungsweise dem unteren zweiten Grad, und es wird naturgemäß etwas ausgesetzter. Ich verhaue mich hier wirklich ein paar Mal und klettere teils etwas heikel über den Normalweg hinweg eine II, nur um dann schnell wieder eine Markierung zu entdecken. Der eigentliche Gratübergang kurz vorm Hauptgipfel ist dann kein Problem, bietet aber schönen Tiefblick. Oben gibt es dann leider nur wolkigen Ausblick, es hat sich deutlich zugezogen. Weder der Allgäuer Hauptkamm, noch die Schweizer zeigen sich. Einzig die eingeschneiten (aber deswegen für mich weniger gut bestimmbaren) Zentralalpen pellen sich aus dem Wolkenbrei. Nach Gipfelrast geht es dann an den konzentrierten Abstieg.

Großer Widderstein - Baad - T4, I, 3,5h - 1400hm

Konzentriert, da das teils bröselige Gelände abwärts gut angetreten werden möchte. Die Kraxelei macht aber Spaß und geht gut von der Hand. Nach einem weiteren Verhauer am Grat oben (II) gibt es keine weiteren Vorkommnisse, es geht relativ flott nach unten und immer wieder erreicht man markantere Stellen, die einem in der eigentlich grau-generischen Rinne verdeutlichen, wo man sich gerade befindet - unter anderem auch das schmale Felsband mit Haken. Nach einer guten Stunde Abstieg befindet man sich dann wieder am Ausstieg der Rinne, der Helm kann nun wieder abgesetzt werden. Attraktion des heutigen Tages war dabei meine auf dem Helm befestigte Actioncam. Mit dieser habe ich sowohl im Auf- wie Abstieg einiges an Kraxelgelände gefilmt, bin aber bisher noch nicht ans Schneiden gekommen. Auf jeden Fall ist man sofort Gesprächsthema Nr. 1 ("bin ich jetzt im Fernsehen?") - weiter geht es über letzte Kraxelstellen zur Senke am Hochalpsee und dem leicht nervigen Gegenanstieg zur privaten Almhütte. Aufgrund der langen Kletterstellen am Widderstein und der immer wieder ebenen Flächen, die man begeht, zieht sich der Abstieg nach Baad ordentlich hin und so kommt es , dass ich fast so lange brauche, wie aufwärts. Am Wegweiser des Hochalppasses treffe ich auf einige größere Frauengruppen, die offensichtlich zur Widdersteinhütte unterwegs sind. Nach dem Aufstieg aus Baad scheinen viele schon völlig erschöpft und fragen mich fast flehentlich, ob die private Almhütte die Widdersteinhütte ist. Leider muss ich verneinen, auch wenn ich mir ein kurzes Grinsen nicht verkneifen kann. So sehr schnaufen habe ich es selten gehört in den Bergen! :-)
Kurz vor der Bärgunthütte komme ich noch in den Viehtrieb, die Betreiber lassen mich freundlicherweise noch durch die Absperrung, bevor sie 300 Stück Vieh treiben wollen. Das hätte gedauert! So kann ich zu meinem Bus spurten und ich nehme so den angeschriebenen 45 min Abstieg nach Baad von der Hütte in 20 min mit, nur um frustriert zu lesen, dass ich mich umsonst beeilt habe. Der Busplan ist unregelmäßig, sodass ich 15min warten muss. So geht es, leicht geschafft, aber happy aufgrund des Gipfelerfolgs und einigermaßen guten Wetters zufrieden nach Oberstdorf zurück.

Die meisten der vielen Tourenberichte zum Großen Widderstein auf Hikr deuten es schon an. Es handelt sich hier um einen wirklichen Genusskraxler. Das Gelände ist weder versichert, noch gibt es einen ausgetrampelten Pfad. Hier kraxelt jeder nach seinem Gusto die - erstaunlich einfache - Rinne gen Gipfel nach oben. Es handelt sich auch deswegen um Plasirgelände, da es wenig ausgesetzt zu Werke geht. Also mein Daumen hoch für den höchsten Walser. Dennoch noch einmal meine Empfehlung: Helm auf! - das hatten nur wenige an diesem Tag.


KONDITION 3,5/5
ORIENTIERUNG 3/5
TECHNIK 3/5
EXPONIERTHEIT 2,5/5

Tourengänger: Kris


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