Wandern und Klettern am Eppzirler Kessel – Ursprünglichkeit und Massentourismus


Publiziert von algi , 21. Juli 2014 um 21:58.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:18 Juli 2014
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: V (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 3 Tage
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Seefeld: Talstation Bergbahn zur Roßhütte
Unterkunftmöglichkeiten:Eppzirler Alm

Aufgrund der hohen zu erwartenden Temperaturen im Flachland wollen wir uns für das verlängerte Wochenende in die kühleren Berge zurückziehen. Ich schlage das „Eppzirler Tal“ vor, da die umliegenden Felsgrate- und wände doch einige vielseitige und interessante Wander- und Klettermöglichkeiten bieten.

1.    Tag

Den „Hatscher“ zur Eppzirler Alm möchte ich uns zumindest im Aufstieg ersparen, daher nehmen wir die Seefelder Bergbahnen ( Bergfahrt: 18 Euro pro Person ) hinauf zum Seefelder Joch gerne in Anspruch. Eine Totalsperre der Autobahn nahe Holzkirchen hat uns eine Stunde Zeit gekostet, so dass wir erst gegen 10 Uhr bei traumhaft schönem Wetter losgehen können.

Den schönen Weg hinauf zur Seefelder Spitze teilen wir uns noch mit vielen anderen Bergwanderern, wir verfolgen ihn noch ein Stück weiter bis zum tiefsten Punkt zwischen Seefelder Spitze und Reither Scharte. Dort wo der Wanderweg rechtshaltend ins Reither Kar abzweigt, bleiben wir weiter am Grat, der über einige Felsköpfe direkt zur Reither Scharte empor führt.  Vom ersten Felskopf kann direkt über den höchsten Punkt  in noch halbwegs festem Fels abgeklettert werden. Nun lässt die Felsqualität jedoch deutlich nach. Ein kurzer Gegenaufstieg führt zum zweiten Kopf, der senkrecht und brüchig nach Süden abbricht. Ca. 30 - 40 m unterhalb in der Westflanke finde ich eine „Schwachstelle“  über die wir halbwegs sicher in die darunter liegende brüchige Rinne abklettern können, nun weiter teilweise sehr brüchig hinauf zum dritten Kopf. Ein 25 m hoher ultra-brüchiger Absturz führt meine Augen sofort zu einem kleinen Felsköpfl, das evt. als Abseilstelle dienen könnte. Tatsächlich können wir über das Köpfl abseilen und das Seil, wenn auch recht schwergängig, wieder abziehen. Der restliche Gratabschnitt leitet nun recht gutmütig hinab zur Reither Scharte.

Kurze Querung nach Westen zur großen Geröllrinne die auf der Nordseite der Reither Spitze herabzieht. Teilweise arbeiten wir uns auf allen Vieren, bis zur ersten Verzweigung der Rinne nach rechts, empor. Nun einfacher über Graspolster und mit Hilfe der rechten Seitenwand zu einem Gratl hinauf, dass linkshaltend zu einem Schartl führt. Kurz abklettern in eine weitere Geröllrinne, und wieder sehr brüchig nach links hinauf zum nächsten Schartl. Ich kann es kaum glauben, aber hinter dieser Scharte führt eine 50 m hohe Bilderbuchverschneidung bis wenige Meter unter den Gipfel. Das wurde auch höchste Zeit, denn Waltraud’s Begeisterung über den bisherigen Tourenverlauf hatte mittlerweile den Gefrierpunkt unterschritten, ich fürchte andernfalls hätte Sie mich wohl am Gipfel „gesteinigt“.

Der Abstieg führt uns zunächst zur Nördlinger Hütte, und weiter zum Ursprungsattel. Wir wollen uns noch die Hanenburger Nadel anschauen, daher verfolgen wir den sehr schönen Freiungen-Höhenweg bis unter die Freiungscharte, kurzer südseitiger Anstieg hinauf, und auf der Nordseite über Geröll hinab bis unmittelbar vor die kühne Nadel. Eine Route im Grad V- führt auf das ca. 25 m hohe Türmchen, schaut zwar nicht gerade einladend aus, aber anschauen möchte ich mir den Anstieg auf jeden Fall mal. Bereits auf den ersten 6, noch leichteren Metern, raschelt und bröselt es bei jedem Schritt und Tritt, Waltraud muss vom Wandfuß zurücktreten um nicht von herabfallenden Steinen getroffen zu werden. Auf einem bröseligen Absatz angelangt, inspiziere ich den weiteren Verlauf der Westkante,  kann jedoch nur einen Haken kurz unter dem Gipfel, und keine einzige Möglichkeit für eine mobile Sicherung mittels Klemmkeil/Friend entdecken. Schweren Herzens entschließe ich mich daher für den Rückzug, denn wegen eines ausbrechenden Griffes oder Trittes möchte ich nicht aus 15 - 20 m Höhe ‚ungespitzt‘ am Boden aufschlagen.

Über weitere Geröllfelder und eine schöne Latschengasse erreichen wir schließlich den Weg der vom Ursprungssattel herabführt und uns in kurzer Zeit zur Eppzirler Alm bringt.

Wanderweg vom Seefelder Joch zur Freiungscharte: T2
Gratübergang Seefelder Spitze – Reiterspitze: T6-, III-
Freiungscharte – Eppzirler Alm: T3

 

2.    Tag

Am zweiten Tag haben wir uns den Ostgrat des Freiungszahnes vorgenommen. Der Freiungszahn ist eine aufgestellte Schichttafel die vom höchsten Punkt ca. 400 m senkrecht nach Norden abfällt und vom Hauptmassiv, der östl. Freiungsspitze, durch eine 30 – 40 m tiefe Schlucht getrennt ist. An der Gratschneide hat die Tafel mehrfach nur noch eine Dicke von 1 – 2 Metern, Ausgesetztheit und ein grandioser Tiefblick sind somit ein ständiger Begleiter.

Für den Zustieg nutzen wir zunächst wieder den Weg zum Ursprungssattel und zweigen an der markanten Latschengasse ab um auf den schönen Almboden unterhalb der Wände zu gelangen. Zuletzt immer steiler werdend über Wiesen östl. der Geröllrinne bis auf Höhe des Einstieges empor, und nun mühsam das Geröllfeld zum Einstieg überqueren. Einstieg direkt unter dem markanten Kamin, durch den die erste Seillänge emporführt.

Die Tour ist im Führer sehr gut beschrieben, und verirren kann man sich auf der schmalen Gratschneide auch nicht, so dass ich für Details auf mein Topo verweise.

Der Abstieg vom Zahn erfolgt durch Abseilen vom Gipfel (30 m), nun ca. 30 m Abstieg nach Westen in einer Rinne, 30 m Gegenaufstieg auf ein Schartl und nun Abstieg durch die folgende Rinne. Auf halber Strecke ist nochmals eine Abseilstelle installiert. Der Weg kann eigentlich nicht verfehlt werden. Über das schuttige Kar gelangt man direkt zu den Einstiegen der Nordwandrouten.

Zusammenfassung Ostgrat:
Länge: 7 Seillängen
Schwierigkeit: 30 m V, 2 Stellen V-, sonst meist III bis IV, nur selten leichter
Charakter: Ernste, durch diese geologische Besonderheit aber auch recht exklusive Tour in den Ostalpen. Die schwierigen Passagen müssen selbst abgesichert, bzw. ohne körpernahe Sicherung geklettert werden. In der Schlüsselseillänge ist nun ein zusätzlicher Sicherungspunkt entstanden, da sich ein Friend leider nicht mehr entfernen ließ. 2 recht brüchig splittrige Stellen, ansonsten ist die Felsqualität für Karwendelverhältnisse befriedigend.

Für den Abstieg unbedingt noch eine gut erhaltene Abseilschlinge und ein Messer zur Entfernung der „Alten“ mitnehmen. Der Zerfallszeitpunkt der momentan vorhandenen Schlingen rückt in großen Schritten näher.

 

3.    Tag

Nach einer schlechten Nacht, eine 10-köpfige Gaudi-Truppe hat bis 2 Uhr morgens ihr lautstarkes Unwesen getrieben, und erst nach Einschreiten des Hüttenwirts die Nachtruhe einkehren lassen, und 2 dicken Blasen an Waltraud’s Fußballen, die wohl auf das Konto ihrer sehr biegsamen Leichtwanderschuhsohlen gehen, ist heute ‚nur‘ noch eine kleine Wandertour zum Ausklingen angesagt.

Die schwüle Wärme treibt uns in den Schatten, und der ist am ehesten noch auf dem westseitigen Anstieg zur Eppzirler Scharte zu finden. Bei dieser Gelegenheit können wir noch die Nordseite der Kirchlspitze genauer beäugen, dort gibt es auch noch einen Anstieg im III-ten bis IV-ten Schwierigkeitsgrad. Der Ausstiegslängen durch die markante Verschneidung ist sofort ersichtlich, wo sich der Einstieg genau befindet wird uns jedoch nicht wirklich klar.

Nach einer kurzen Rast an der Scharte, das Wetter hat sich mitterweile deutlich eingetrübt, treten wir wieder den Abstieg an. An der Hütte füllen wir nochmals unsere Flüssigkeitsspeicher auf, dann geht es endgültig wieder hinab ins Tal nach Gießenbach.

Auf den letzten 10 Minuten fängt es leicht zu regnen an, ein sehr nettes Pärchen nimmt uns am Parkplatz jedoch sofort mit nach Seefeld, und liefert uns direkt neben unserem Fahrzeug in der Tiefgarage ab. Richtig großes Glück gehabt, denn zwischenzeitlich regnet es in Strömen.

Eppzirler Scharte – Eppzirler Alm: T2
Eppzirler Alm – Gießenbach: T1

 

Ein ereignisreiches Wochenende mit Höhen und Tiefen liegt hinter uns, und hat die ganze Vielfältigkeit unserer heimatnahen Bergwelt zum Ausdruck gebracht. Schee war’s, und es war bestimmt nicht das letzte Mal.

Mit auf Tour: Waltraud

 

Viele Grüße
Albert


Tourengänger: algi


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Kommentare (2)


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silberhorn hat gesagt: 100'000... Favoriten!
Gesendet am 22. Juli 2014 um 21:50
Kommt mir vor als hätte ich Geburtstag und bekäme viele, viele, viele fantastische "Steine" geschenkt.

algi hat gesagt: RE: 100'000... Favoriten!
Gesendet am 23. Juli 2014 um 08:44
Ja, dieses "Fleckerl Erde" gefällt mir auch besonders gut. Bislang kannte ich die Gegend in erster Linie von zahlreichen Skitouren. Aber im Sommer macht das Felsenrund um die Eppzirler Alm auch eine gute Figur.

Viele Grüße
Albert


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