Mount Pinatubo


Publiziert von Urlaubsfan , 6. Juli 2014 um 03:02.

Region: Welt » Philippinen
Tour Datum:15 Dezember 2013
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 600 m
Abstieg: 600 m
Strecke:knapp 10 km einfache Strecke
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Manila oder von Clark City per Allrad soweit es geht, das kann je nach Wetter und Wegzustand unterschiedlich sein.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Manila - Clark City per Bus
Unterkunftmöglichkeiten:diverse Hotels in Clark City oder direkt von Manila aus starten.

Zum Kraterrand des Mount Pinatubo

1991 passierte auf den Philippinen der größte Rumbs, den es in meiner Lebenszeit auf unserem Globus gab und ich bin mit fast 75 schon ein ziemlich alter Dackel. Im Verhältnis zu dem Schnalzer von 1991 sind alle Atom- und Wasserstoffbomben nur Knallerbsen. Der Ausbruch des Mount St. Helens war vergleichsweise höchstens ein Sylvesterkracher. Was Mutter Erde auf den Philippinen innerhalb von wenigen Tagen bis zu 25 km hoch gespuckt hat würde reichen, um ganz Oberbayern einen halben Meter dick mit Sand zu bedecken. In das Loch, aus dem der Rumpler kam, läßt sich der umgedrehte Wendelstein locker und ohne Schuhlöffel reinschieben. Das Loch möchte ich sehen.

Der Aufstieg bis zum Kraterrand des Pinatubo dauert nach Angabe verschiedener Guide Books etwa 2 ½ Stunden, der Abstieg genau so lange. Das macht 5 Stunden, etwa so wie der Weg von Scharnitz zum Karwendelhaus und das direkt unter der Äquatorsonne und mit der auf den Phil üblichen Luftfeuchtigkeit. Da wird’s bei mir auch bei optimistischer Einschätzung schon sehr eng. Hinzu kommt für mich ein Alterszuschlag von mindestens 1 Stunde, macht mehr als 6 Stunden Gehzeit. Schuhe hab‘ ich auch keine richtigen dabei, 6 Stunden oder mehr in Sandalen am Berg – probieren wir es einfach. Mein guter Vorsatz steht fest, wenn sich unterwegs die Zweifel mehren kehre ich sofort um. Ich habe genug alpine Erfahrung um nicht an einem Miniberg am anderen Ende des Globus in‘s Unheil zu hatschen.

Vor der Tourenbeschreibung noch zwei Anmerkungen. Der Freund von der Cousine der Nachbarin ist im nachfolgenden das Synonym für die unvorstellbare Korruption, ohne die auf den Philippinen rein gar nichts geht. Paula ist nicht mein Girlfriend, sondern ein junges Mädchen aus Manila, dem ich seit etwa einem Jahr die Schule bezahle. Ihre Familie, bei der ich oft zu Gast bin, hat nicht das nötige Kleingeld für die Ausbildung.

Ich setze also Paula in einem Bus und mich daneben und wir fahren nach Clark City, laut Guide Book der ideale Ausgangspunkt für die Besteigung des Pinatubo. Um wenigstens an den Berg hinzukommen versuche ich an der Hotelrezeption ein Vierradfahrzeug zu mieten. Ja, so etwas gibt es, das Reisebüro XY vermittelt Touren auf dem Pinatubo mit Vierradfahrzeug und Bergführer. Nein, ohne Bergführer lassen sich keine Vierradfahrzeuge mieten und andere Reisbüros bieten keine solchen Touren an.

Das mit dem Bergführer paßt mir zwar nicht, wenn ich nicht aus eigener Kraft auf einen Berg raufkomme bleibe ich unten, aber ohne geht es anscheinend nicht. In mir erhärtet sich sowieso der Verdacht, der Besitzer vom Reisebüro XY ist ein Freund von der Cousine der Nachbarin der Dame an der Hotelrezeption und ich bezahle wieder einmal viel zu viel. Egal, ich habe mir den Berg nun mal in den Kopf gesetzt und kaufe einen Tag Geländefahrzeug mit Fahrer für die hier schier unvorstellbare Summe von 200 US$. Den Bergführer nehme ich als notwendiges Übel mit in Kauf.

Um 5 Uhr soll der Wagen vor dem Hotel stehen. Als Paula erfährt, daß sie um 4 Uhr aufstehen soll schaut sie mich fassungslos an und fragt ernsthaft „a.m or p.m?“ (In der Frühe oder am Nachmittag?).

Kurz vor 5 Uhr gibt es eine schnelle Tasse Kaffe, tatsächlich steht um Punkt 5 Uhr ein fast nagelneuer frischgewaschener Hochglanz-Geländewagen mit allen Schikanen, Aircon und Musikanlage, vor der Tür. Mich beschleichen Zweifel. Wo der hinkommt fahr ich mit meinem alten C5 auch noch. Die Zweifel sind unberechtigt, nach 5 Minuten Fahrzeit steigen wir um in einen Allrad ohne Aircondition, die Musikanlage hängt am Smartphone des Fahrers und die Türen sind aus Planenstoff.

Zuerst geht es lange Zeit kreuz und quer, hier steigt einer zu, dort steigt einer aus, woanders wird ein Päckchen mitgenommen und irgendwo muß der Fahrer was abgeben, die üblichen Gefälligkeiten für den Freund von der Cousine der Nachbarin eben. An der Kontrollstelle eines Militärlagers stehen zwei Fahrzeuge mit Passagieren, die aussehen als wollten sie auch auf den Pinatubo. Sie werden scharf kontrolliert und müssen irgendwas zahlen. Wir werden durchgewunken, unser Fahrer kennt offensichtlich den Freund von der Cousine der Nachbarin des Kommandanten.

Gegen 6 Uhr sind wir am Jump off point 25 km vom Krater entfernt. Hier hören die Straßen auf. Unser Fahrzeug kehrt um und wir steigen um auf den dritten Geländewagen. Als ich den sehe wachsen meine Hoffnungen auf den Kraterrand. Alles Überflüssige wie Anzeigeinstrumente, Türen, Sicherheitsgurte und so weiter ist längst entsorgt. Nein, halt, auf der Beifahrerseite ist der Sicherheitsgurt noch da, er hängt ordnungsgemäß rechts oben an der Dachsäule, vorne ist er an den Fragmenten des Türscharnieres festgebunden. In den nächsten Stunden wird mich der Gurt mehrfach vor dem Hinausfallen bewahren. Da wo einmal ein Nummernschild war hat ein Spaßvogel „lost“ (verloren) hingepinselt. Musikanlage gibt es natürlich nicht, aber ein Funkgerät hängt an einer Schnur am Armaturenbrett. Der Treibstoffvorrat ist gut sichtbar in einer Plastikflasche am Trittbrett der Fahrerseite. Nachgetankt wir auch aus Plastikflaschen. Ich hab‘ garnicht gewußt, daß Pet Flaschen benzinbeständig sind. Reisen bildet.

Gegen 6 Uhr fahren wir los. Neben dem Fahrer, Paula und mir ist noch der Bergführer eingestiegen, erkennbar an einem großen Schild „Pinatubo Mountain Guide“. Die nächsten 2 Stunden sind etwa so, als ob wir von Garmisch nach Ehrwald fahren, aber nicht auf der Straße, sondern in der Loisach. Mit uns ist ein weiteres Fahrzeug unterwegs mit etwa einem halben Dutzend Amerikanern aus Hawai und ihren Führern.

Der vom Pinatuba ausgespuckte Sand bildet Berge, weich und bröselig wie aus butterweichem Sandstein, eigentlich nur gepreßte Sandhaufen. Bei jedem Regen wäscht das Wasser Unmengen Sand aus dem Gestein, es bilden sich schlammartige Lawinen, die sogenannten Lahare. Diese Lawinen sind durch den mitgeschwemmten Sand sehr schwer, entfalten deshalb eine ungeheure Wucht und reißen auch in fast flachem Gelände alles nieder. Trotz der geringen Höhe der Berge rauschen die Lahare noch heute weit ins Land. Straßen, Brücken oder Wege gibt es keine, wir fahren auf dem weichen Sand oder in einem Bachbett.

Nach rund einer Stunde erwischt unser Wagen mit der Ankerplatte des Hinterrades einen Stein, die Bremstrommel schleift. Unser Fahrer hat in kurzer Zeit den Allrad aufgebockt, Rad, Bremstrommel und Bremsbacken ausgebaut und mit einige Hammerschlägen die Ankerplatte ausgerichtet. Nach 10 Minuten geht es weiter. So habe ich mir das vorgestellt, hier sind wir richtig.

Gegen 8 Uhr ist auch für die Allradfahrzeuge Schluß, jetzt geht es nur noch zu Fuß weiter. Die Hawaianer, alle etwa so um die 30, machen sich mit uns auf den Weg. Nach zehn Minuten sind sie verschwunden, ihr Tempo ist für mich viel zu hoch. Für mich gibt es nur ein Ziel: Hinaufkommen, egal wie langsam, egal wie lange es dauert.

Wege gibt es nicht, kaum Trittspuren, die meiste Zeit laufen wir im lockeren Sand oder im Wasser, das nach Schwefel stinkt. Die Sandalen sind als Schuhwerk gar nicht so schlecht, da läuft das Wasser wieder raus und der Sand wird auch ausgeschwemmt. Ich wechsle auf die orographisch rechte Talseite, da ist Schatten und nahe dem Äquator brennt die Sonne auch um Halbneun schon recht unbarmherzig. Eigentlich geht es mir gar nicht schlecht, auch nach einer Stunde hatsche ich recht langsam aber konstant bergauf.

Auf der orographisch linken Talseite tauchen auch die Amis wieder auf, sie sitzen in der prallen Sonne und machen Pause. Auf Grund des Geländes muß ich jetzt auch wieder die Seite wechseln, mit gleichbleibendem Schleichschritt ziehe ich an der Gruppe vorbei. Den damit verbundenen moralischen Aufbau möchte ich nicht missen. Irgendwer spricht vom „old water buffalo“ (dem alten Wasserbüffel), ich hoffe, der meint nicht mich.

Nach gut zwei Stunden Gehzeit erreichen wir einen kleinen Unterstand mit vermutlich trinkbarem Wasser. Ich glaube, hier kann kampiert werden wenn es regnet und der Abstieg durch Lahare unmöglich wird. Ich vermeide ein Pause, wasch mir nur das verschwitzte Gesicht und gehe weiter.

Die letzten zwanzig Minuten Aufstieg gehen durch eine Traumlandschaft. Kurz unter dem Kraterrand wird die Vegetation nicht durch Lahare zerstört. Wir gehen durch ein Tunnel aus Pflanzen und Blüten. Die letzten Meter sind sogar Treppen gemauert, am Kraterrand sind einige Unterstände, ein Funkgerät mit einer dicken Autobatterie und gemauerte Treppen runter zum Kratersee. Es sind ein paar Deutsche oben und vier Slowaken, alles recht nette Leute die noch früher aufgebrochen sind wie wir.

Auch am Kraterrand mache ich nicht zu lange Pause, wechsle zum Entsetzen von Paula völlig einsehbar das patschnasse Hemd und die durchgeschwitze Unterhose, trinke etwa einen Liter mitgebrachtes Wasser und schieße ein paar Fotos. Es ist wunderschön hier oben. Auch unser Pinatubo Mountain Guide ist offensichtlich mit uns recht zufrieden.

Nach kurzer Rast machen wir uns auf den Rückweg. Dabei gibt es öfters Pausen zum Fotografieren, denn beim Aufstieg habe ich Anhalten weitgehend vermieden. Nach etwa 5 Stunden Gehzeit brauche ich auch manchmal Pausen und werde sehr langsam, die Trittsicherheit nimmt ab. Die letzte Stunde zieht sich gewaltig lange hin, Paula und der Führer müssen immer wieder auf mich warten. So gegen halbdrei Uhr, also etwa 6 1/2 Stunden nach dem Aufbruch, sind wir wieder am Fahrzeug.

Fazit: Karwendelhaus von Scharnitz ist immer noch drin.

Der Rest ist schnell erzählt. Mein Pinatubo Mountain Guide, der von den 200 $ sicher am wenigsten erwischt, bekommt ein dickes Tip (Trinkgeld). Wieder etwa 2 Stunden im Allrad, dann Wechsel auf den gelackten Edel-Geländewagen. Der bringt uns nicht zum Hotel, sondern zu einem Restaurant. Ich gehe jede Wette ein, der Lokalbesitzer ist der Freund von der Cousine der Nachbarin unseres Fahrers. Zuerst bin ich etwas sauer, aber das Essen ist sehr gut und preisgünstig und den heiligen San Miguel möchte ich ohnehin so schnell wie möglich kontaktieren (San Miguel ist hier die größte Brauerei). Das erste San Mig zischt richtig.

Warum ich einen so ausführlichen Bericht über die Tour schreibe? Ganz einfach, weil ich mit meinem Muskelkater am nächsten Tag kaum vom Hotelzimmer zum Taxi komme. Schreiben kann ich auch im Hotelbett. Paula ruft mich an und teilt mir mit, daß sie nie wieder auf einen Berg gehen wird, sie versteht nicht, warum ich so einen Unsinn mache. Aber das versteh ich ja seit über 60 Jahren auch nicht.

Hinweise für Nachahmer:

Neben der üblichen Standard-Ausrüstung (Regenjacke, Biwacksack, Taschenlampe usw.) unbedingt pro Person mindestens 2 Liter Wasser und Sonnencreme mitnehmen. Sandalen mit Fersenriemen sind gar nicht schlecht, Bergschuhe sind in kurzer Zeit voll Wasser und Sand. Die Guides hatten alle nur Flipflop, das wäre mir zu wenig trittsicher gewesen. Angeblich werden auch organisierte Besteigungen ab Manila angeboten, dann braucht es zum Kraterrand einschließlich Rückweg nur einen Tag. Die angegebene Schwierigkeit T3+ bezieht sich nicht auf den Weg, sondern resultiert aus den für uns Mitteleuropäer schwierigen Klimabedingungen.

Tourengänger: Urlaubsfan


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Kommentare (1)


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Mo6451 hat gesagt: die Cousine der Nachbarin...
Gesendet am 6. Juli 2014 um 08:16
Danke,
ein wunderschöner Bericht, er erinnert mich an meine Zeit auf den Philippinen. Man muss sie einfach kennen, die Cousine der Nachbarin...

VG
Monika


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