4 Tage Trekking zu Bergvölkern in Nordlaos - Teil II


Publiziert von Mistermai , 26. März 2014 um 16:58.

Region: Welt » Laos » Nordlaos
Tour Datum:18 März 2014
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: LAO 
Zeitbedarf: 4 Tage
Strecke:Siehe Bild von Karte im ersten Bericht
Unterkunftmöglichkeiten:Geschlafen wird in den Dörfern in Häusern von Familien

Dies ist die Fortsetzung meines Berichtes "4 Tage Trekking zu Bergvölkern in Nordlaos - Ein unglaublich intensives und eindrückliches Erlebnis". Dieser kann *hier nachgelesen werden

Tag 2: Erreichen des 4. Dorfes
Als wir das 4. Dorf erreichten, fielen uns zuerst einmal drei Dinge auf: Eine Strasse, die das Dorf in Richtung Zivilisation verlässt, herumliegende Plastikverpackungen und der Fakt, dass sämtliche Menschen hier braune Zähne haben, wie wir es zuvor noch nie gesehen hatten.

Die Erklärung für diese 3 ausserordentlichen Erscheinungen ist dann relativ einfach: Dieses Dorf ist mit einer halbwegs befahrbaren Strasse an die Zivilisation angeschlossen. Im Dorf gibt es einen Mann, der einen chinesischen Gelände-Lieferwagen besitzt und damit Handel mit der Zivilisation treibt. Im Dorf macht sich dies vor allem dadurch bemerkbar, dass dieser Herr einen Laden mit chinesischen Lebensmitteln führt.
Das Sortiment beschränkt sich allerdings auf Süssigkeiten aller Art, Guetzli, Süssgetränke und Bier - allesamt billige Produkte, die aus China importiert werden. Gesunde Dinge oder auch Zahnpflegeprodukte sucht man vergebens.
Der Hygiene-Zustand des Dorfes ist katastrophal: Da es kein fliessend Wasser gibt, waschen sich die Einheimischen nur ca. 1 Mal pro Monat (selbiges gilt für ihre Kleider). In den Strassen liegen Abfall, Tierkadaver und Exkremente von Tieren.
Als ich dann selbst den Drang verspürte, mich zu erleichtern, wurde ich Zeuge eines grausigen Schauspiels: Im angrenzenden Wald, der als Toilette dient (und auch entsprechend riecht), tummeln sich Hunde und Schweine aus dem Dorf, die sämtliche menschliche Exkremente sofort auffressen. Selbige Tiere trifft man danach wieder in den Häusern und sie bedienen sich nicht selten auch vom Essenstisch...

Eigentlich war der Fall damit für uns alle klar: Nichts wie weg hier. Doch dann wurden wir am Abend eingeladen, an einer Hochzeit teilzunehmen, die am nächsten Tag stattfinden sollte. Nach einigen Diskussionen entschieden wir uns, diese einmalige Möglichkeit wahrzunehmen und somit einen Tag länger als geplant auf dem Trekking bleiben.

Das Nachtessen war ganz nett, nur dass ich langsam keine gekochten Bambus-Triebe mehr runterbrachte. Von den Nutztieren ist das Schwein übrigens das einzige, das diese "Delikatesse" frisst. Wie immer wurde zum Nachtessen Laolao-Whiskey serviert. Während die offiziellen Versionen dieses Getränkes 40% Alkohol enthalten, sind die Dorfgebräue deutlich stärker: Nur schon wenn das Glas an die Lippen gesetzt wird, brennt es ungemein. Mir wars' egal: Ein wenig hochprozentiger Alkohol half sicherlich mit, meinen Magen von all den verdreckten Nahrungsmitteln zu desinfizieren.
Allerdings war in den letzten Tagen immer wieder auffällig, dass die Einheimischen gerne etwas mehr tranken, als es die Tradition vorschreibt. So ist "Na Do" das einzige, was ich am Ende in der Akha-Sprache sagen konnte - es heisst etwa soviel wie "Ich drinke nichts (mehr)".

Die Nacht war dann wieder sehr unruhig und kurz - nicht zuletzt, weil die Einheimischen nur rund 5h schlafen (dies gilt auch für die Kinder!).

Tag 3: Namensgebung für Kind und Hochzeit im Loma-Village
Der nächste Morgen begann unerwartet kurios: Wenn in einem dieser Dörfer ein Kind häufig erkrankt, wird ihm ein neuer Namen verliehen. Dies geschieht im Glauben, dass es danach weniger anfällig sei. Eine Familie wollte nun, dass wir Touristen ihrem Kind einen neuen Namen verleihen, in der Hoffnung, dass dies Glück bringen würde. Nachdem wir dieses Angebot ablehnten, sprang unser Guide ein und wir wurden Zeugen einer Umbennenungs-Zeremonie, die mit Laolao-Whiskey und einem "Festmahl" gefeiert wird. Das Festmahl entpuppte sich dann als gekochte Hühnerfüsse und einen Hühnerkopf. Letzterer wurde vom Familienvater eingehend analysiert, da man glaubt, dass er das zukünftige Leben des Kindes widerspiegelt.

Anschliessend gings direkt weiter zur Hochzeit. Der erste Akt beinhaltet das Schlachten eines Wildschweines fürs Festmahl. Traditionsgemäss werden Tiere in diesen Dörfern von den Schamanen geschächtet. Obwohl ich schon Erfahrungen mit dem Metzgen von Hasen, Hühnern und Fischen hatte, war es ein unangenehmer Anblick, wie dem lebendigen Schwein mit einer Machete die Kehle aufgeschnitten wurde und dann in etwa 15-20cm Tiefe die Hauptschlagader gesucht wurde - mit Bildern davon verschone ich euch an dieser Stelle. Nur soviel: Es ist ein blutiges Schauspiel, bei dem das Tier unter grössten Qualen langsam verendet.

Anschliessend wurde das Schwein zerlegt und bis aufs letzte Kilogramm fürs Festmahl verwertet. So konnten wir einige Stunden später eine Mahlzeit geniessen, die einer schweizer "Metzgete" ziemlich nahe kam: Gekochtes Blut, Leber und alles was dazu gehört. Für 2 unserer 4-köpfigen Gruppe kam dies allerdings zu spät: Sie mussten bereits in der vorherigen Nacht erbrechen und waren nun definitiv krank. Ich zog meinen Plan weiterhin durch und versuchte von allem zu essen, was mir angeboten wurde - auch wenn es z.T. schon sehr viel Überwindung brauchte.
Immerhin gab es einen Trost für die Erkrankten: Für die letzten 10km zurück in die Zivilisation, die wir am nächsten Morgen zurück zu legen hatten, organisierte uns unser Guide eine Mitfahrgelegenheit im Lieferwagen des Laden-Besitzers. 
Zurück zur Hochzeit: Bilder von der Braut oder dem Bräutigam sucht man in meinen Bildern vergeblich. Dies hat einen einfachen Grund: Man bekommt sie nie zu Gesicht. Die Tradition will es, dass das Paar in einem getrennten Raum feiert und sich der Festgesellschaft nicht zeigt.
Zur Feier des Tages gabs übrigens chinesischen Energy-Drink für alle. Was wie ein schlechter Scherz tönt, ist nichts als traurig: Das Getränk, das deutlich süsser als die europäischen Versionen ist, wurde von Müttern selbst an kleinste Kinder weitergegeben. Einige konnten kaum gehen und tranken nun dieses Gesöff.
Viel Programm gabs ansonsten nicht an diesem Fest: Nach der Mahlzeit wurde eigentlich nichts mehr anderes gemacht, als getrunken: Laolao und Bier wurden im Kreis herum gegeben. Auffällig war dabei, dass die Einheimischen Laolao wie auch Bier absolut verabscheuen. Es geht im Endeffekt also nur um den Alkohol.
Folglich wurde die Stimmung immer feucht-fröhlicher und für weisse Touristen durchaus etwas unheimlich. Dies führte dazu, dass wir uns von der Party zurückzogen und nach ca. 2h wieder zurückkehrten. Der Anblick, der sich uns dann bot, war absolut verstörend: 2 Personen hatten sich bis zur Bewusstlosigkeit gesoffen, ein weiterer hatte seine Frau ins Gesicht geschlagen und einige weitere versuchten zu randalieren. Praktisch alle Männer hatten viel zu viel getrunken und waren nicht mehr wirklich zurechnungsfähig. Die Kinder spielten aber nach wie vor zwischen ihren total betrunkenen Vätern. Wir hatten genug gesehen und machten rechtsumkehrt.
Der Eindruck der letzten Tage hatte wohl nicht getäuscht: In diesen Dörfern gibt es ein veritables Alkoholproblem.

Am nächsten Morgen gabs zuerst ein nettes Morgenessen, wiederum mit gut schmeckendem Rattenfleisch. Dann eröffnete uns unser Guide, dass die Mitfahrgelegenheit nicht zustande kommt, da der Fahrer am Vorabend derart viel getrunken hatte, dass er sogar für laotische nicht mehr Fahrtauglich war.

Für eine stark geschwächte Kollegin war aber 10km laufen in der prallen Sonne nicht wirklich eine Option. Trotzdem biss sie sich 2h lang durch und legte dabei 5km zurück. Dort war es uns möglich, ihr eine Mitfahrgelegenheit mit einem Motorbike zu besorgen, so dass wir alle Ban Namly rechtzeitig erreichten. Dort nahmen wir den nächsten Bus nach Süden. Dieser war wie üblich absolut überladen und wir mussten mit Gartenstühlen im Gang Platz nehmen. Auf einer Passstrasse ist dies nicht unbedingt angenehm, vor allem wenn die Einheimischen rundherum erbrechen, aber nach den vergangenen Tagen war uns das eigentlich egal: Wir hatten nur Duschen und sauberes Wasser vor Augen ;-)

Rückblickend war es ein sehr, sehr beeindruckendes Trekking, auch wenn ich es nicht wirklich als "schön" bezeichnen kann. Es war wahrscheinlich eine einmalige Möglichkeit, eine derart unbeeinflusste Region zu sehen. Nach 2 Monaten in grösstenteils sehr anstrengenden Reisegebieten bin ich nun in Vietnam eingetroffen und geniesse die beinahe westlichen Verhältnisse, um mich ein wenig zu erholen...

Tourengänger: Mistermai


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

Runner hat gesagt:
Gesendet am 26. März 2014 um 22:25
schöner Bericht. Und es wird wieder einmal klar, wie verwöhnt wir sind, bzw. wie gut wir es haben.

Mistermai hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. März 2014 um 10:35
Danke!
Ja, nach 2 Monaten in "dieser Welt", fällt es mir teilweise schwer, mir vorzustellen, dass wir in Westeuropa in der selben Zeit und auf dem selben Planeten leben. Gerade in diesen Dörfern habe ich mich wie im Mittelalter gefühlt!

TeamMoomin hat gesagt: Interessante
Gesendet am 27. März 2014 um 23:35
Berichte, auch wenn sie realistisch die Schattenseiten dieser Welt auch sehr drastisch aufziegen. Aber was du da alles probiert hast krass, hätte ich nie gekonnt...

Viel Spass in Vietnam!

Lg Oli und Moomin

Mistermai hat gesagt: RE:Interessante
Gesendet am 30. März 2014 um 14:44
Danke! Ja, wenn ich dies ganz zu beginn meiner Reise erlebt hätte, wäre ich wohl auch überfordert gewesen. Doch nach 2 Monaten beginnt man sich anzupassen ;-)

Gruss
Manuel

Sorry, hatte euren Kommentar irgendwie verpasst ;-)


Kommentar hinzufügen»