Gescheiterte Entwicklungshilfe & illegaler Holzschlag: 3 Tage Trekking durch Wälder Nordkambodschas


Publiziert von Mistermai , 2. März 2014 um 10:53.

Region: Welt » Kambodscha » Nördliches Kambodscha
Tour Datum:26 Februar 2014
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: K 
Zeitbedarf: 3 Tage
Strecke:Irgendwo im Dschungel rund um Ban Lung
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bus ab Stung Treng nach Ban Lung (3h)

Meine letzten Tage in Kambodscha verbrachte ich noch einmal mit Trekking. Zu fünft hatten wir in Ban Lung, nahe am laotisch-vietnamesisch-kambodschanischen Dreiländereck einen Guide und einen lokalen Ranger aufgetrieben, die uns durch die Wälder der Region führen sollten.


Tag 1: Erstes Trekking und Dschungel-Biwak
Von Banlung gings hinten auf einem Geländewagen rund 20km bis nahe an den Virachey Nationalpark heran. In einem kleinen Dörfchen am Rande des Dschungels starteten wir hier unser Trekking. Zuerst gings durch Cashew-Nuss- und Kautschukplantagen immer näher an den eigentlichen Wald heran. Unterwegs sammelten wir einige Cashew-Nüsse ein, die jeweils einzeln, in einer harten (giftigen) Schale an einer intensiv riechenden Frucht wachsen.

Schnell wurde uns allen klar, dass diese Wälder hier schon bessere Tage erlebt hatten: Ueberall wurden die wertvollen Bäume, wie z.B. Mahagoni illegal abgeholzt und teilweise ganze Waldflächen Brandgerodet, um später Kautschuk-Plantagen zu erstellen.

Das Trekking war vor allem spannend, da unsere Guides in dieser Region aufgewachsen waren und somit jedes Pflänzchen in diesem Wald kannten. Immer wieder gaben sie uns wild wachsende Früchte, Blüten, Blätter  aber auch Ameisen zum probieren. Besonders angetan war ich von der Wild-Mango, die zwar viel kleiner als das berühmte Zuchtexemplar ist, aber meiner Meinung nach einen noch viel besseren Geschmack hat.

Nach rund 4h unspektakulärem Dschungel-Marsch trafen wir in unserem ersten Nachtlager ein: Ein Hängematte-Biwak, wie ich es hier schon häufig gesehen und benutzt habe. Neu war allerdings das tolle  anliegende Seelein, indem wir uns dann auch ausgiebig abgekühlt haben und mit den Lianen ins Wasser geschwungen sind.

Zum Nachtessen gabs nach traditioneller kambodschanischer Küche eine einfache Mahlzeit bestehend aus Reis und Gemüse-Suppe. Als kleiner Snack gabs dazu die gesammelten Cashew-Nüsse. Diese mussten wir zuvor im Feuer brennen, um die giftigen Säfte in der Hülse zu verbrennen und die eigentlichen Nüsse zu rösten und sie anschliessend schälen. Unglaublich, was für ein Aufwand hinter diesen unscheinbaren Nüsschen steckt, die wir in Europa so einfach in kleinen Dosen kaufen.

Später am Abend gabs traditionellen Reiswein und wir fingen einige Frösche am Seelein und grillierten sie über dem Feuer. Anschliessend können sie komplett inkl. Innereien und Knochen gegessen werden, einzig der Magen wird von Hand entfernt.


Tag 2: Weitermarsch und Dschungel-Dorf
Der Marsch ging weiter, wie er am Vortag aufgehört hatte: Mit Wäldern in unterschiedlichsten Zuständen. Teilweise war es richtiger Dschungel, den man nur mit der Hilfe von Macheten durchqueren konnte und teilweise wars sehr lichter Wald ohne Jungpflanzen. Letzteres ist ein Resultat der vielen gelegten Bränden, die der Waldrodung und der Jagd dienen.
 
Mehrfach war der geplante Pfad nicht begehbar, weil ganze Hektaren Wald gerodet wurden und so das herumliegende Holz den Durchmarsch verunmöglichten. So marschierten wir schlussendlich anstatt den geplanten 4h über 6h bis wir schliesslich das Dorf erreichten.
Da dieses selbst in der Hochsaison nur ca. 1 Mal pro Monat von Weissen besucht wird, vermittelt es einen authentischen Eindruck. Dieser ist aber keineswegs schön: Alle Leute hier leben vom illegalen Holzschlag.
Auf umgebauten Rollern transportieren die Einheimischen ununterbrochen wertvolles Holz aus dem Wald. Wobei "wertvoll" relativ zu verstehen ist: Für geschätzte 20kg Mahagoni-Holz kriegen die Leute hier 5$. Der offizielle Preis auf dem Weltmarkt liegt momentan aber bei rund
2000$/m3.
Die schlechte Bezahlung liegt daran, dass die Einheimischen nicht in der Lage sind, alle Bestechungsgelder an Polizei und Politik zu bezahlen, um den Holzschlag zu ermöglichen. So sind sie auf mächtige Männer in den Städten angewiesen, die den Holzschlag koordinieren und dabei mächtig absahnen.
 
Gegen Abend versuchten wir dann mit einigen Kindern aus dem Dorf Frisbee zu spielen. Doch diese waren von diesem total neuen Spielgerät zu fasziniert (und eingeschüchtert), als dass dies wirklich funktioniert hätte.
 
Einige Jahre ist es her, dass irgendeine EU-Organisation hier versuchte Entwicklungshilfe zu leisten. Sie bauten damals mehrere Toiletten für die Dorfbevölkerung und versuchte sie anhand von Plakaten zu unterrichten, dass man Tiere (wie Schweine) von den Kochplätzen und den Kleinkindern fernhalten sollte. Ausserdem haben sie im ganzen Wald Schilder aufgehängt mit der Aufschrift: "Bitte respektiere die Natur!"
Heute ist klar, die Aktion ist auf der ganzen Linie gescheitert: Die Toiletten sind (Zitat) "zu kompliziert" für die Einheimischen, sie bevorzugen den Busch und die Kinder spielen weiterhin im Tierkot. Von der Waldrodung ganz zu schweigen. Einzig einige zerfetzte, verstaubte Infoplakate erinnern an die Aktion.
 
Von unserem Guide, der selbst in einem solchen Dorf aufgewachsen ist, erfahren wir, dass die Einheimischen ihren eigenen Profit über alles stellen und somit absolut keine Rücksicht auf die Umwelt nehmen. Er schätzt, dass bis in rund 2 Jahren alle wertvollen Baumsorten aus den Wäldern dieser Region verschwunden sind.
 
Am späteren Abend stieg einige Häuser nebenan eine kleine Party. Da meine Kollegen zu müde waren, ging ich alleine hin: Die Einheimischen hatten grosse Tonkrüge mit vergorenem Reis gefüllt und füllten oben (dreckiges) Wasser ein. Anschliessend tranken sie mit einem langen Strohhalm vom Boden des Gefässes eine Art selbstgebrauten Schnaps.
Sofort hiessen sie mich willkommen zu ihrem Fest: Dies funktioniert in Kambodscha so, dass sie einem von ihren Getränken anbieten. Dabei gilt es als äusserst unhöflich, dieses Angebot abzulehenen. Ich überwand mich und trank einen Schluck dieses erdig-alkoholisch schmeckenden Gebräus und setzte mich anschliessend zu ihnen - sehr zur Freude der Gastgeber. Obwohl niemand hier auch nur ein Wort Französisch oder Englisch sprach, war eine Art Kommunikation möglich...
 
Nur wenig später traf ein Wilderer aus dem Wald ein. Es war ihm gelungen einen Lemur einzufangen. Zuerst wollten er ihn für 5$ an mich verkaufen, was ich dankend ablehnte, worauf ein Einheimischer ihn kaufte, um ihn im späteren Abend zu grillieren und essen. So läuft das hier. Von einem anderen Reisenden hatte ich nur wenige Tage zuvor gehört, dass er Zeuge eines Malaienbär-Festmahls geworden war - insofern ist dies ja gerade noch harmlos...
 
Tag 3: Rückmarsch
Zuerst gings wiederum ans Kochen. Dies war in diesem Dorf insofern lustig, weil in den (auf Stelzen stehenden) Gebäuden Essensreste einfach durch Spalten im Boden gefallen werden lassen können. Ein Stockwerk tiefer kümmern sich dann die Schweine und Hühner um den Rest...
 
Bevor wir das Dorf verliessen, wurden wir noch Zeugen einer weiteren Tradition: Da eine Person im Dorf krank war, wurde ein ganzes Schwein (inkl. Innereien, Kopf etc.) über dem Feuer gebraten und somit geopfert. Mit diesem letzten (stinkenden) Eindruck verliessen wir die Siedlung und begaben uns wieder in den Wald.

Dieser war etwas später plötzlich von unglaublichem Gestand durchdrungen. Bald war der Grund klar: Unser Weg führte über mehrere 100m hinweg einem Waldbrand entlang und wir mussten hilflos zusehen, wie die Zerstörung weitergeht. Glücklicherweise blies der Wind den Rauch von uns weg und so mussten wir wenigstens nicht um unsere Gesundheit fürchten.

Einige Stunden später erreichten wir in der ärgsten Mittagshitze unseren ursprünglichen Ausgangspunkt wieder und waren froh, zurück in "normalerer" Zivilisation zu sein.
 
Insgesamt war es ein interessantes und zugleich verstörendes Trekking gewesen und ich frage mich, wie diese Region in 10-20 Jahren aussehen wird...

Am Folgetag habe ich mit einem Bus einen total überdimensionierten Checkpoint passiert und somit Kambodscha hinter mir gelassen. In Erinnerung bleibt mir ein Land, das sich einerseits im Aufbruch befindet, andererseits aber auch direkt in eine totale Sackgasse schlittert. Wird hier der Korruption und der Umweltverschmutzung / -zerstörung nicht bald der Kampf angesagt, wird dies wohl böse Konsequenzen haben - vor allem auch für die vielen Völkergruppen, die hier weitab von sinnvollen Infrastrukturen leben und total von ihrer Umgebung abhängig sind.

Tourengänger: Mistermai


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

TeamMoomin hat gesagt: Sicher
Gesendet am 2. März 2014 um 21:32
eindrücklich, aber eigentlich nur himmeltraurig.....

Winterbaer hat gesagt: RE:Sicher
Gesendet am 3. März 2014 um 11:52
Ferne Länder, die Lebensweise anderer Völker zu erfahren, ist sicher sehr interessant und manchmal auch für unsere "hochentwickelte" Gesellschaft lehrreich. Diese Zustände finde ich aber auch nur unendlich traurig, demotivierend und demprimierend.
Die Erde hätte den Menschen wirklich nicht gebraucht:-(

Mistermai hat gesagt: RE:Sicher
Gesendet am 4. März 2014 um 05:22
Ich bin grundsätzlich nicht der Meinung, dass man allen Ländern die westliche Denk- und Lebensweise überstülpen sollte. Aber ihr habt absolut recht: Was da abgeht hat wenig mit lokalen Traditionen und Bräuchen zu tun. Es ist schlicht Zerstörung, die zum eigenen Vorteil betrieben wird...

Winterbaer hat gesagt: RE:Sicher
Gesendet am 4. März 2014 um 11:45
> Es ist schlicht Zerstörung, die zum eigenen Vorteil betrieben wird...
Richtig. Leider ist das fast überall auf der Welt der Fall. Ohne Rücksicht auf die Umwelt und vor allem die Tiere. Auch bei uns! Und wie Du schon schreibst (Entwicklungshilfe) ist es unheimlich schwer und frustrierend, dagegen nachhaltig etwas zu unternehmen.
Ich bin dafür viel zu weich, mich machen schon die Orang-Utan-Babys aus den vernichteten Regenwäldern so fertig, wie jegliche Tierquälerei, dass ich diese Bilder wirklich verdrängen muss, um nicht wahnsinnig zu werden. Der arme Lemur, die armen Frösche...ich könnte das nicht. Respekt, dass Du Dir das alles angeschaut hast! Ich glaube, die Menschen und die Tiere würden mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Tun sie auch so schon nicht. Deshalb ist es für mich auch besser, wenn der Fernseher hier dauerhaft aus bleiben würde:-(
Danke für Deine interessanten Berichte und Respekt für Deinen Mut auf diesen Touren! Dabei hätte ja auch für Dich so einiges schief gehen können.


Kommentar hinzufügen»