Goldener Oktober auf dem Schärhorn (3295 m)


Publiziert von morphine , 13. Februar 2014 um 19:17.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum:16 Oktober 1999
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR   Claridengruppe   Ortstockgruppe 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1650 m
Abstieg: 1400 m
Strecke:Klausenpass-Iswändli-Chammlijoch-Chammliberg Südgratsattel-Chammlilücke-Gross Schärhorn-Chammlilücke-Griesfirn-Griessbödemli-Chammlialp-Klausenpass
Kartennummer:1193 Tödi 1:25000 und 1192 Schächental 1:25000

Warten auf´s Schärhorn

Mitte Oktober 1999. Ein prächtiges stabiles Herbsthoch lag schon einige Tage über den Alpen. Ich wollte zum Bergsteigen in die Schweiz, konnte aber zunächst nicht, da ich arbeiten musste. Endlich kam die Ablösung durch meine Kollegen und ich fuhr noch am Freitagnachmittag los in Richtung Schweiz. Ziel: Das Gross Schärhorn! An diesem Wochenende sollte sich das schöne Wetter noch halten und ich fuhr zwar leicht gestresst, aber trotzdem voller Vorfreude die knapp 700 Autobahnkilometer gen Süden.


Kalte Nacht auf dem Klausenpass!

In stockdunkler Nacht erreichte ich den Urner See. Aus der dicken Nebelsuppe über mir nieselte es nass heraus und drückte ein weinig auf die Stimmung. Bei der weiteren Fahrt auf den Klausenpass durchstieß ich aber das Nebelmeer und parkte mein Auto in eiskalter sternenklarer Nacht auf der Passhöhe. Noch eine Mütze Schlaf auf der Rückbank und dann im Morgengrauen Aufbruch in Richtung Iswändli, so war der Plan. Doch Nachts wurde mir derart kalt, dass ich keine andere Lösung sah, als den Wagen bei voll aufgedrehter Heizung hinunter zum Urner Boden und wieder hinauf zum Pass zu steuern. Anschließend schlief ich dann in der wohligen Wärme sofort ein.


Die Tour: Chammliberg-Umrundung mit Schärhorn-Besteigung


1. Aufstieg zum Iswändli

Bei absolut phantastischem Wetter stieg ich die bekannte Route hinauf über den Tierälpligrat zum Iswändli. Ein Großteil dieser Strecke war bereits schneebedeckt. Die Sonne ging über dem Clariden auf und überall glitzerte und funkelte es. Vom Iswändli selbst konnte ich einen freien Ausblick über Nebelmeer und Gipfel geniessen. Immer wieder eindrucksvoll, die Weite über dem nebelbedeckten Mittelland zu erleben.


2. Über´s Chammlijoch zur Chammlilücke

Ich montierte nun die Steigeisen und stieg über windgepressten Schnee hinauf ins Chammlijoch. Dabei hielt ich mich so weit wie möglich rechts (westlich) um der Spaltenzone oberhalb des Iswändli einigermaßen auszuweichen.

Bei Überschreitung des Chammlijochs hatte die Sonne die südseitigen Firnhänge des Hüfifirns schon etwas aufgeweicht. Eine große offene Spalte versperrte am rechten Rand den Abstieg, konnte aber damals von mir sehr gut weiter links (östlich) umgangen werden. Sonst habe ich keine weiteren Schründe angetroffen. Die aktuelle Situation ist mittlerweile aber deutlich komplizierter, wie man dem sehr guten Bericht der Alpinos von 2011 entnehmen kann.

Auf gut 2900 Höhenmeter querte ich nun unter den Südostwänden des Chammlibergs hinüber zu den Felsausläufern der Chammlihoren. Auf dieser Passage bekam ich die erstaunliche Wärmeentwicklung der Oktobersonne zu spüren, die von den weiten Firnfeldern des Hüfifirns gnadenlos wie von einem Spiegel reflektiert wurde.

Ohne Probleme querte ich damals komplett über Firn schräg rechts hinauf in den auffälligen Felseinschnitt der Chammlihoren (Chammliberg Südgratsattel P. 2977), der den kürzesten Übergang zur Chammlilücke zwischen Schärhorn und Chammliberg vermittelt. Auch hier ein Hinweis auf die Tour der Alpinos, die zeigt, dass auch dieser Streckenabschnitt deutlich unangenehmer sein kann. Alternativ kann man die Felsen auch südlich auf dem Hüfifirn umgehen und so in die Chammlilücke gelangen.

Vom Südgratsattel (P. 2977) ging´ s ein wenig gruselig steil direkt hinunter auf den weiten Gletscherpass der Chammlilücke. Dieser Abstieg entpuppte sich dann aber doch als ganz gut machbar. Ich musste halt vorsichtig in dem etwas rutschigen Gelände vorgehen.


3. Schlussetappe zum Gipfel

In der Chammlilücke fiel mir eine deutliche Spur hinunter zum Griessfirn auf. Ich nahm mir vor, beim Rückweg mit Hilfe dieser Spur den direkten Abstieg über die Nordflanke zu versuchen.

Jetzt galt es aber, über den breiten Felssporn den leichten Ostgrat des Schärhorns zu erreichen. Dabei landete ich -weil ich es wohl für einfacher hielt?!?- in der tief verschneiten Nordflanke unterhalb des Grates. Da dieser kleine Verhauer aber mehr als offensichtlich war, stapfte ich schon bald in wunderbar lockerem Pulverschnee wieder hinauf zur Grathöhe. Hier traf ich sehr schöne vom Wind geformte Schneeformationen an. Die Schärhorntour entfaltete spätestens jetzt ihr ganzes landschaftliches Potenzial.

Als ich die steilen Gipfelfelsen erreichte, querte ich im Schnee südlich unterhalb des Schärhorns hinüber zum oberen Teil des Bocktschingelgrates. Hier angekommen, kraxelte ich nun über die steigeisenverkratzten Südgratfelsen hinauf zum Gipfelkreuz.


4. Die Gipfelrast

Hier oben, am Gipfelkreuz des Schärhorns, überschlugen sich die landschaftlichen Eindrücke förmlich. Das Panorama war schon echt abwechselungsreich. Besonders imposant,

  • die so noch nie gesehene Windgällenkette im Schmalprofil,
  • das gewaltige Felsdreieck des Gross Düssi,
  • der frapierende Tiefblick ins Maderanertal mit dem Oberalpstock darüber,
  • der riesige Quader des Tödi über dem weiten Gletscherbecken des Hüfifirn,
  • der unendlich weite Blick nach Norden
  • und das nebelverhangene Schächental direkt zu meinen Füssen.

Das Schärhorn gehört für mich bis heute zu den beeindruckendsten Gipfelerlebnissen. Stundenlang blieb ich damals alleine am Gipfel hocken und genoss den Traumtag dort oben in vollen Zügen. 


5. Abends,  Abstieg über die Griessfirnroute

Zur sehr, sehr fortgeschrittener Stunde stieg ich den schon schattigen Ostrat wieder hinunter zur Chammlilücke. Dabei hatte ich immer den Tödi vor Augen, der im warmen Licht der tiefstehenden Sonne besonders plastisch erschien. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich bereits zwölf Tage später auf seinem Gipfel stehen sollte.

Der bereits erwähnten Spur in der Chammlilücke folgte ich  an den äußersten östlichen Rand des Griessfirns. Hier musste ich recht steil -teilweise über etwas heikles Blankeis und kleineren Randspalten ausweichend- hinunter.

Über mir leuchteten die  Nordwestwände des Chamlibergs orange im Licht des Sonnenuntergangs auf. Auch die Farben der Abenddämmerung über dem Nebelmeer des Schächentals verwandelte sich während des Abstiegs von gelb über orange bis leicht violett. Tourentechnisch etwas problematisch, landschaftlich aber ungemein eindrucksvoll um diese Uhrzeit hier oben herumzuturnen.

Etwas weiter unten ging es über eine schneebedeckte sehr steile Rinne weiter hinunter. Hier konnte ich den guten Trittschnee optimal nutzen. Vergleiche auch hier die viel haariger Situation der Alpinos-Tour vom Sommer 2011 ohne Firn auf dem Gletscher. 

Danach weiterhin recht steil über Schutt und Blöcke zu den Moränen des Griessgletschers. Ich hielt während des gesamten Abstiegs mehr oder weniger immer direkt auf die Gegend von Griessbödemli zu. Zum Schluss wurde es dann aber doch in der aufkommenden Dunkelheit ein wenig schwierig mit der Orientierung. Da ich aber wusste, dass ich irgendwann auf den breiten Weg stoßen musste, der zum Klausenpass zurückführt, trottete ich unverdrossen -stur die gleiche Richtung haltend- in der Dunkelheit weiter bergab. Und tatsächlich, weglos und mit Sicherheit nicht auf der üblichen Route, erreichte ich schließlich den Alpweg, dem ich auch in der Dunkelheit gut bis zum Klausenpass folgen konnte. 


Fazit:

Tour im Alleingang. An jenem Wochenend-Tag komplett einsam. Habe keinen Menschen getroffen.

Von den landschaftlichen Eindrücken her ist die Tour fast schon ein MUSS. Durch den Abstieg über die Griessfirnroute und damit der Umrundung des Chammlibergs war sie auch ungemein abwechselungsreich.

Für eine Einschätzung der Schwierigkeiten ist dieser Tourenbericht jedoch nur noch eingeschränkt tauglich, da, wie vorstehend bereits mehrfach erwähnt, die Bedingungen insbesondere durch den Gletscherrückgang in den letzten 14 Jahren komplett neu und damit anders beurteilt werden müssen.

Habe versucht, den traumhaften Herbsttag am Gross Schärhorn in Bildern festzuhalten. Leider ist das Material schon etwas "angestaubt". Aber was soll´s, diese Tour bleibt mir unvergesslich.

Tourengänger: morphine


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