Haggenspitz - Kleiner Mythen: Kraxelspass mit Schutzengeln


Publiziert von Maisander , 2. November 2013 um 22:09.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:26 Oktober 2013
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Mythengruppe   CH-SZ   Alptaler Berge 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1450 m
Strecke:Schwyz Bahnhof - Haggenegg - Haggenspitz - Griggelisattel - Kl. Mythen - Vorgipfel - Zwüschet Mythen - Schwyz
Zufahrt zum Ausgangspunkt:SBB - Bahnhof Schwyz
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Bus & SBB
Kartennummer:1152

Wir wollen jenem Trampeltier-artigen Berggänger keine böse Absicht unterstellen, aber die Steinlawine, die er – in bestem Wissen, dass wir uns direkt hinter ihm bewegen - auslöst, hätte uns ohne Umwege ins Jenseits befördern können. Durch Zufall (und wohl einige Schutzengel) überstehen wir den Schreckmoment unbeschadet.
 
Der Bahnhof Schwyz war schon gestern Ausgangspunkt für eine interessante Tour; heute gehts in die andere Richtung, und zwar mit Roman, dem bewährten Partner für allerlei kraxelspezifische Angelegenheiten. Als wir zu Beginn einem doch recht steilen und nicht allzu breitem Bergsträsschen bei Ried entlang spazieren, wird bald klar, dass das Schwyzer Autovolk in Sachen Tempo rein gar nichts kennt: Da wird ohne Rücksicht auf Verluste mit gut und gerne achtzig Sachen runtergebrettert. Später an diesem Tag dürfen wir feststellen, dass der halbe Verkehr durch die eigentlich schmucke Innenstadt von Schwyz rollt (und lärmt und stinkt). So viel Stumpfsinn in Sachen Verkehrsplanung sucht seinesgleichen...
 
Doch wir sind ja am Wandern, und dabei gibts eigentlich nur schönes zu erleben: Die Wälder ziehen allmählich ihr Herbstkleid an, irgendwo klopft ein Specht seinen Lebensrhythmus, und je weiter wir gehen, desto eindringlicher ist die Ruhe, welche uns umgibt. Der Zustieg zur Haggenegg zieht sich doch ein Stückchen hin – wir sehen es als willkommenes Einlaufen für die folgende Kraxeleinlage.
 
Da ich der ersten Mahlzeit des Tages heute nicht viel Beachtung geschenkt habe, meldet sich schon bald das berüchtigte Frühstücks-Loch: Mein Magen schreit förmlich nach etwas zuckerhaltigem. Als dann die Nase einen feinen Fritteusen-Duft aufnimmt, kann es nicht mehr weit sein zur erlösenden Beiz.
 
Die letzten Meter zum Berggasthaus Haggenegg legen wir in Windeseile zurück, und schon sehen wir uns auf der noch leeren Terrasse sitzen. Die heisse Schoggi und der Nussstengel fühlen sich an wie die erste Mahlzeit nach einigen Tagen Fasten – göttlich!
 
Ist die Darmflora erst einmal beschäftigt, schweift der Blick über das schon beachtliche Panorama hinweg zum Haggenspitz. Es ist nicht einmal der kommende Aufstieg, der uns in den Bann zieht, vielmehr sticht uns der helle Fels eines stattlichen Felssturz-Anriss-Gebiets in die Augen. Das sieht recht frisch aus; wir fragen bei der Wirtin nach. Am 1. Juli mittags habe es gedonnert, aber schaut her, der Anriss hat genau die Gestalt eines Bärs, der lässig in der Felswand sitzt. Tatsächlich hat die Natur da ein schönes Bild in die Felswand gezaubert – der erste Bär am Haggenspitz seit der Ausrottung sozusagen!
 
Wir steigen noch kurz zur Aussichtsplattform der Haggenegg hoch und machen uns gipfelkundig, dann treten wir voller Vorfreude den Aufstieg zum Haggenspitz an. Und wir werden nicht enttäuscht: Vorzügliches Kraxelgelände erwartet uns da, gespickt mit einigen pikant ausgesetzten Stellen. Dank Baumwurzeln findet man besonders im unteren Teil immer wieder gute Tritte und Griffe, weiter oben im Fels sind wir uns dann einig, dass die Kletterstellen für unsere Verhältnisse nicht schwieriger sein dürften, um ungesichert hoch zu kommen. Vor den Umgehungs-Couloirs des Müller-Kamins überholt uns ein älterer Berggänger mit einer Art Gartenhandschuh an einer Hand. Wir wechseln ein paar Worte, es stellt sich heraus, dass er schon länger nicht mehr im Gebiet zugegen war. Zügig scheint er unterwegs zu sein – und leider auch sehr unvorsichtig, wie sich später zeigen wird.
 
Dass wir den Müller-Kamin auslassen, ist eigentlich klar, dennoch will der Durst der Neugierde gestillt sein: Ich begebe mich zum Einstieg und schaue mir das Ding an. Klettertechnisch wohl machbar, aber mit gähnendem Abgrund unter den Füssen – das nächste Mal mit entsprechender Ausrüstung vielleicht.
 
Plötzlich kracht es ordentlich im Auslaufbereich der beiden Couloirs. Etliche Steine teils bis zu Kopfgrösse donnern über unsere Aufstiegsroute hinweg und verschwinden im Nirgendwo. Ich blicke zu Roman hinab - er ist zum Glück an einer geschützten Stelle in Sicherheit. Wir wollen gar nicht wissen, was passiert wäre, wenn wir uns zu dieser Zeit im Couloir befunden hätten. Wir überlegen, wie weiter, denn auf einmal ist ein neuer Risikofaktor hinzugekommen. Eine kleine Rast kann nicht schaden, denn so gewinnt das Trampeltier vor uns einigen Abstand und wir die nötige Sicherheit für den Weiterweg. Das heimtückische Wesen ausser Sicht- und Reichweite wagen wir den Einstieg. Wir gehen dicht hintereinander. Wie erwartet gibt es lockeres oder schlecht verankertes Gestein im Couli, doch lässt man eine gesunde Portion Vorsicht walten, schafft man den Aufstieg, ohne Steine loszutreten zu müssen.
 
Bis zum Gipfel warten noch einige knifflige Stellen, wie zum Beispiel das Abklettern eines Klemmblocks bei einer Gedenktafel. Wir umgehen etwas unterhalb in mühsamem Gelände, um gleich darauf festzustellen, dass der Weg über den Klemmblock doch der richtige gewesen wäre. Einige Ketten entschärfen den letzten Abschnitt, und auf einmal, als uns so schön die Sonne ins Gesicht scheint, ist es vollbracht: Die Crux mit dem Haggen ist überwunden, das Gipfelkreuz erreicht. Wir lassen uns in der Sonne bräteln und geniessen die Weitsicht und die sommerlichen Temperaturen (geschätzte 20°C)!
 
Der Weiterweg zum Kleinen Mythen sieht von hier respekteinflössend aus, wobei wir uns aber schnell von den trügerischen Grössenverhältnissen irritieren lassen: Als wir ein paar Wanderer im Aufstieg entdecken und die Dimensionen des Nordhangs einschätzen können, sieht das Ganze schon viel zahmer aus. Dennoch entscheiden wir uns u.a. aufgrund des glitschigen erdigen Untergrunds und der vielen vorangehenden Wanderer nicht durch den Kamin auf den Kleinen Mythen aufzusteigen. Über den Pfad in der Ostflanke queren wir zum Normalanstieg ; „normal“ wohl deshalb, weil wir dort doch tatsächlich Wanderern in hundskommunen Turnschuhen begegnen! Ein paar Kraxeleinlagen später stehen wir auf dem Kleinen Mythen und staunen einmal mehr über die Wärme hier oben.
 
Da wir wieder zurück nach Schwyz müssen und die Zeit schon fortgeschritten ist, gehen wir bald weiter zum Vorgipfel P.1763m und machen uns an den Abstieg. Via Günterigs und den Tschütschiwald gelangen wir zurück in die Zivilisation. Die anfängliche Freude über den lauschigen Weg in die Stadt hinein wird kurzum durch aufheulenden Motorenlärm zunichte gemacht. Intelligente Verkehrsplanung sieht definitiv anders aus.
 
Der Unmut verfliegt aber rasch, als uns ein würziges Kebab-Aroma in die Nase sticht. Wir können nicht wiederstehen. Getreu dem Motto: Was das Wandern für die Seele, ist der Döner für die Kehle ;-)
 
 

Tourengänger: Maisander


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