über'n Teleti-Pass zum Pik Karakol


Publiziert von eisblume , 19. September 2013 um 15:15.

Region: Welt » Kirgisistan
Tour Datum:16 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: KS 
Zeitbedarf: 4 Tage
Zufahrt zum Ausgangspunkt:von Karakol Basar mit dem Sammeltaxi nach Jeti Ögüz Sanatorium
Zufahrt zum Ankunftspunkt:vom Ein- bzw. Ausgang des Nationalparkes mit der Marschrutka in's Zentrum Karakol
Unterkunftmöglichkeiten:Zelt, im "Tal der Blumen" und im Karakol Base Camp evtl. in einer Jurte
Kartennummer:Trekking Map Kyrgyzstan, around Karakol and Enylcheck Glacier, 1:100 000

Genau genommen, sollte diese Tour ein gemütlicher Tagesmarsch ins Jeti-Ögüz Tal hinein werden. Gerade soweit, bis die Landschaft einen schönen Blick auf den Peak Karakol (5281m) freigibt und einen passenden Platz für mein Zelt bietet, um eine Nacht zu verweilen. Doch die Bergmagneten zogen mich wieder einmal in eine ganz andere Richtung ...

Tag 1 (ca. 7h, 750 Hm): von Jeti Ögüz Sanatorium zum Fusse des Teleti-Pass:
Meine Wanderung beginnt auf einem befahrbaren Feldweg am Taxistand des Kurort Jeti Ögüz. Ganz in der Nähe des Sanatoriums im alt-sowjetischen Charme, stehen ein paar Kioske und ein Café in kirgisischem Ambiente. Der Weg liegt auf der linken Seite des Budenkomplexes, links entlang des wild rauschenden Jeti-Öguz-Flusses und führt hinein in das enge und dicht bewaldete Tal. Nach etwa 2-3 Stunden,  mehreren Flussüber- und Schafherdendurchquerungen, weitet sich der Blickwinkel ins „Tal der Blumen“, einer Alm mit unzähligen Sommerweiden und Jurtencamps. Wer bis hierhin schon müde geworden ist, kann auf einen Kelch Kumys oder ein paar Kugeln Kurut einkehren und sogar in einer Jurte übernachten. Auch Kosmonaut Juri Gagarin soll sich in dieser liebevollen Gegend prächtig von den Strapazen seiner Weltraumreise erholt haben.. ohne Garantie, denn diese Geschichte hört man in Kirgistan an so vielen tollen Orten, dass ich so langsam den Verdacht hege, Gagarin hat bis an sein Lebensende nur noch gefaulenzt.

Ich faulenze nicht, denn nun wird es steiler und für die Semi-Nomaden ohne Offroader kompliziert. Ich beobachte Einen beim verzweifelten Versuch, seinen ollen Lada den gerölligen Weg am Ende des Tales hinauf zu quälen ... zum Leidwesen des Motors und seiner Familie, die mit hängenden Köpfen nebenher marschieren muss. Ich DARF laufen, nach etwa einer weiteren Stunde die Brücke über den Teleti-Fluss überqueren und rechtsseitig des Flusses in das Teleti-Tal eintauchen. Auch hier gestalten Jurten und Herden von Kühen und Pferden auf saftigen Jailoos die Augenweide. Immer wieder kommen kleine Kinder auf kurzbeinigen Eseln angeritten, um sehr hartnäckig nach „Schakalad“ zu fragen. Einer reisst meiner temporären Wegbegleiterin die Regenjacke vom Rucksack - ich nehme, damit du gibst sozusagen. Da haben ein paar bekloppte Touristen wieder mal ganze Erziehungsarbeit geleistet. Ansonsten sind die Begegnungen mit den Nomadenfamilien fröhlich, herzlich und unglaublich gastfreundlich. Es gibt immer mal wieder die Gelegenheit auf einen Tee, einen Apfel, kurze Gespräche und bewegende Begegnungen.

Weiter oben und etwa 1,5-2 Stunden später, wird nach einer Sumpfwiese der sprudelnd-kalte Teleti-Fluss ein letztes mal überquert. Diesmal auf einer kleinen und nicht allzu vertrauenserweckenden Brücke, Balance halten ist angesagt. Also, nicht zu viel Kumys unterwegs! Nach einer weiteren Stunde in leichter Steigung bergan, weicht die riesige Felswand zur linken zurück und gibt den Blick auf das Seitental Richtung Teleti-Pass frei. Mehrere kleine Bäche fliessen hier in den Teleti-Fluss. Ein schöner Ort zum Bleiben und ich schlage in aller Wildnis und Zufriedenheit mein Zelt auf.
 
Tag 2 (ca. 8h, 1000 Hm): über den Teleti-Pass ins Karakol-Tal:
Nach Kaffee und Kascha breche ich zum steilen und niemals enden wollenden Aufstieg in Richtung Teleti-Pass auf. Einmal überholt mich zu allem morgendlichen Anstiegsfrust auch noch ein frech-flinkes Erdhörnchen - „Здрасьте!“ Doch bald wird die Landschaft um mich herum felsiger, karger und nahezu vollkommen vegetationslos. Aber nicht weniger imposant und die Rückblicke auf dieser Direttissima sind grandios. Genauso wie der Blick und der Abstieg auf die andere Seite des Passes, südlich vom Massiv des Pik Dimitrow und nördlich vom Pik Teleti eingesäumt. Ein Kessel unterhalb des Passes beeindruckt mit düsteren Erosionstrümmern. Steil und geröllig geht es vom Pass hinunter, dann wird es flacher, wärmer, farbiger, blumiger und auch wieder belebt. Es tummeln sich gut genährte Murmeltiere und Schmetterlinge. Bald folgen dichtes Gebüsch und Almwiesen, auf denen Edelweiss und Enzian zu finden sind. Wer hätte schon gedacht, dass unser Alpen-Edelweiss ein Einwanderer aus Zentralasien ist? Ein grosses flaches Steinpodest am mäandernden Teleti-Fluss Nummer 2, lädt zu einem Mittagsschläfchen in der warmen Sonne ein.

Sobald in Weghöhe wieder Baumbestand zu sehen ist, sollte man den Fluss über eine wacklige Baumstammbrücke queren, um auf der rechten Seite des Teleti abzusteigen. Ich habe den linken Weg gewählt, der über mehr als 500 Hm Abstieg fast senkrecht durch einen lichten Fichtenwald (meine Arme reichen nicht von Baum zu Baum als Haltegriff) führt. Schnell ist man unten. Bei Regen und Matsche sicher noch einen Zacken schneller, aber auch toter! Der Weg ist zwar in der Trekking-Karte verzeichnet, scheint mir bei schlechtem Wetter nahezu unbegehbar. Unten angekommen mündet der Pfad auf einen kleinen Fahrweg. Ein Stück bergan, muss man sich den schönen Zeltplatz mit der Überquerung zweier Arme des Teleti auf Baumstämmen und Steinen verdienen. Auf der einladenden Wiese direkt links am Ufer des reissenden Ujun-Tor-Flusses stelle ich mein Zelt auf und entfache ein wärmendes Feuer. Später kommen noch 4 Reisende hinzu, auf die Wiese und ans Feuer. Das Karakol-Tal ist recht populär und so fühlt man sich eben selten allein dort. 

Tag 3 (ca. 6h, 400 Hm): durch das Ujun-Tor Tal zum Gletscher des Peak Karakol
Mit den zwei Weltreisenden Andrea und Manuel, die just an diesem Tag ihr 1-jähriges Reisen zu feiern hatten, mache ich mich auf den Weg zum Gletscher des Peak Karakol. Der Peak Karakol ist ein anmutiger Berg mit Charakter. Nicht allzu lange hat er gebraucht, um mich in seinen Bann zu ziehen. Sein trapezförmiger Gipfel trägt an steilen Wänden bizarre Eismassen im grossen Stil. Seine Besteigung ist schwierig und nicht ungefährlich. Davon zeugt die Gruppe russischer Bergsteiger, die uns auf ihrem Rückzug vom unbestiegenen Berg begegnen. Zwei von fünf sind nicht unerheblich verletzt. Peak Karakol hat mit Steinen auf sie geworfen. Auch die steilen Hänge hinab stürzendes Eis ist keine Seltenheit.

Der Weg zum Gletscher des Peak Karakol ist einfach und wir sind mit leichtem Gepäck unterwegs. Der Feldweg oberhalb unseres Zeltplatzes geht rasch in einen Reitpfad über, der zunächst steil in den erfrischend kühlen Wald führt und sich anschliessend über Hochweiden und Hänge rechtsseits des Ujun-Tor Flusses dahin schlängelt. Im Wald spriessen duftende Pilze, das Abendessen wird lecker. Nach etwa 2 Stunden stehen wir vor einer imposanten Wand aus Steinen. Einem alten Steinsturz, der das gesamte Tal abriegelt, so dass der Ujun-Tor Fluss sich einen sprudelnden Weg in Form von unzähligen kleinen Wasserfällen suchen muss. Eine weitere Stunde später und vorbei an einem grünen See sowie einer grossen Sumpfwiese, gelangt man zur Moräne, die wir an ihrer niedrigsten Stelle in Richtung Fluss übersteigen. Dann geht der Vorhang auf, die Vorstellung beginnt, wir lehnen uns in unseren Steinsesseln zurück, verweilen, trinken Tee, beobachten diesen formvollendeten eigensinnigen Berg und ... schweigen. 

Tag 4 (ca. 5-6h, 630 Hm ab): Abstieg durchs Karakol Tal nach Karakol
Heute heisst es Abschied nehmen, denn (ich erinnere daran, dass ich genau genommen zu einer ganz anderen und nur 2-tägigen Tour aufgebrochen war) mir war schlichtweg das Essen ausgegangen. Schon mit dem ersten Schritt talwärts war klar, ich komme wieder.

Nach etwa einer Stunde abwärts stehe ich im Karakol Basislager. Mit mir stehen da Jurten und Zelte, in denen mässiges Treiben herrscht. Ich kann ein Brot kaufen und meinen Magen damit für den Rest des Weges zum Schweigen bringen. Kurze Zeit später ist der Aju-Tor-Fluss zu queren und schon kommt mein Retter auf einem weissem Pferd daher geritten. Ilias, der Kassierer und Mitarbeiter vom Nationalpark, bringt mich auf seinem Pferderücken trocken über den Fluss und revanchiert sich somit für einen Platz am wärmenden Feuer, einen Kaffe und ein spannendes Gespräch am vorangegangenen Abend. Sein Schimmel Orlyt ist nicht ganz so begeistert, auch noch mich und den Rucksack zusätzlich im Sattel zu tragen. Aber er macht das wirklich gut, kirgisische Pferde sind zäh, gutmütig und so freundlich wie ihre Besitzer eben.

In Serpentinen geht es weiter hinab und der Karakol-Fluss folgt rechts vom Weg in sprudelnden Kaskaden, um sich im anschliessenden Talbecken mäandrierend auszubreiten. Mehrere kleine Zuflüsse müssen hier gequert werden, bevor der Weg zwischen schroffen und waldigen Felshängen wieder steiler wird. Auf einer grossen Lichtung kann ich meinen Blick bis zu den Gebirgsketten des Kungej Alatau schweifen lassen, diese liegen jenseits des Issyk-Kul im Norden Kirgistans. Nach insgesamt 4-5 Stunden ist ein kleines Dorf der alten Forstverwaltung erreicht, in dem es scheint als wäre die Zeit stehen geblieben. Von hier aus versuche ich per Anhalter zu fahren, doch Murphy ist mal wieder hartnäckig, wie immer wenn man diesen Mistkerl so gar nicht gebrauchen kann. Alles was sich auf 4 Rädern bewegt, fährt entgegengesetzt meiner Strömung, bis mich endlich und kurz vor dem Ausgang des Nationalparks zwei Frauen einladen und in die Stadt Karakol zurück fahren. Im Garten meines Guesthouses strecke ich erst einmal alle Viere von mir und lege ein Lächeln auf, das ich lächeln kann wenn ich rundum zufrieden und glücklich bin. Als die Sonne untergeht richte ich mein Nachtlager in der Jurte ein und träume wild von kirgisischen Bergen... oder von den wilden kirgisischen Bergen ...? Wie auch immer:

Trekking in Kirgistan ist wie Wandern in einem Bilderbuch! 

Tourengänger: eisblume


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Kommentare (3)


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TeamMoomin hat gesagt: Tolle
Gesendet am 19. September 2013 um 16:05
abendteuerliche Reise hast du da gemacht, Ja im Osten gibts echt noch viele tolle Flecken, merci für die Inspiration.

Lg Oli und Moomin

eisblume hat gesagt: RE:Tolle
Gesendet am 19. September 2013 um 22:18
DANKE euch beiden!

abenteuerlich war's allemal und es folgen noch mehr Berichte und Geschichten, mit denen ich tatsächlich inspirieren möchte. Denn Kirgistan ist ein unglaublich attraktives Reiseland: kein Visum, super ÖV, überall Unterkünfte o. Zelt möglich, bezaubernde Landschaften, wilde Berge und so herzliche Menschen wie ich sie selten erlebt habe. Also... Crash-Kurs Russisch, Rucksack packen und ab! ;-)

lemax80 hat gesagt: Stimmt, der karakol...
Gesendet am 3. Februar 2014 um 18:33
... schmeisst gerne mit steinen, wenn man ausreichend glück und gute führer hat kann man trotzdem unbeschadet hoch kommen:

www.hikr.org/tour/post40946.html

viele grüsse,


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