Vom Fürstenland ins Appenzellerland (Flawil-Schwägalp)


Publiziert von Fico , 27. August 2013 um 23:36.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:23 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AR   CH-SG   Alpstein   CH-AI 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 740 m
Strecke:Flawil - Langenetschwil - Talmühle - Stäggelenberg - Dietenberg - Grillplatz Rütiberg - Rötschwil - Schwellbrunn - Säntisblick - Ranzberg - Urnäsch - Chräg - Oberhaumösli - Herrendürren - Nusshaldensattel - Langälpli - Schwägalp (31 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Flawil
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Schwägalp
Kartennummer:1094 (Degersheim)

„Ein grosser Sommer geht zur Neige“, stand in der Zeitung, als ich mit der Appenzeller Bahn von Urnäsch nach Hause fuhr. Jemand hatte den „Blick am Abend“ im Abteil liegengelassen, die Schlagzeile sprang mir sogleich ins Auge. Tatsächlich sind wir in diesen beiden Sommermonaten für die kalte erste Jahreshälfte grosszügig entschädigt worden. Musste in anderen Jahren der Wetterbericht in den gleichen Monaten allzu oft feststellen: „Für die Jahreszeit zu kühl“, so wurden wir dieses Jahr mit Sonnenschein geradezu verwöhnt. Allein im Juli habe sich die Sonne an 310 Stunden gezeigt, „also ganze 10 Stunden pro Tag“, meldete der Zeitungsbericht. Doch die Bildlegende warnte: „Letzte Gelegenheit. Nur noch heute ist Sommer.“ Für mich der Anlass, um an diesem letzten Sommertag statt ins Büro hinaus in die Natur zu gehen. Allzu hoch hinaus wollte ich diesmal nicht. Dazu war die Fernsicht zu schlecht, die Luft viel zu feucht. Also eher etwas Gemütliches, bereits Bekanntes. Für einmal kein Abenteuer.
 
Die Tour ist Teil eines grösseren Projekts, an dem ich seit ein paar Jahren herumfeile. Die Strecke von Flawil nach Urnäsch habe ich bereits einige Male gemacht (aus diesem Grund stammen viele Bilder von früheren Touren) und jedes Mal nach neuen Varianten gesucht. Und diesmal habe ich die Route bis auf die Schwägalp verlängert, um zu sehen, ob das überhaupt geht. Für mich, für meine Kondition? Eine weitere Hürde ist der Fahrplan des Postautos: Von Montag bis Freitag fährt das letzte um 17:22 Uhr von der Schwägalp nach Urnäsch. Darum als Plan B eine Verkürzung der Tour, allenfalls ein vorzeitiger Abbruch, was hier immerhin einfacher wäre als bei irgendeiner Gipfeltour. Dennoch bleibt eine gewisse Spannung. Allzu langweilig wird die Tour nicht, obwohl ich die Strecke zum grössten Teil bereits kenne.
 
Es ist noch nicht einmal ganz hell, als ich mich am Bahnhof Flawil auf den Weg mache. Die erste Etappe führt über Alterschwil oder Langetschwil zur Talmühle in der Nähe von Degersheim. Dazu gibt es verschiedene Varianten: Man kann einfach den gelben Wegweisern folgen oder sich einen eigenen Weg suchen. Diesmal verlasse ich den Wanderweg bereits in Flawil, biege nach der Kirche links ab und gehe am südöstlichen Ende des Dorfes leicht ansteigend am P. 649 vorbei dem Waldrand entlang, stets in die gleiche Richtung, zum P. 684, dann kurz hinab zum P. 659, durch den Risiwald wieder hinauf nach Langenetschwil (753 m) und nun weiter in südlicher Richtung, bis ich auf der Anhöhe wieder auf den Wanderweg treffe, der von Alterschwil herkommt. Dann auf diesem bis zum Wissbach bei der Talmühle (697 m).
 
Ein Abstecher in die Wissbachschlucht ist sehr lohnend, wenn genügend Zeit zur Verfügung steht. Dann muss man allerdings die Schlucht rechtzeitig (gleich nach der Brücke bei P. 654) wieder verlassen und auf einem unmarkierten Weg (teilweise auf Wegspuren oder weglos) über Loch und P. 766 hinauf zur Bahnüberführung bei P. 795. Aus Zeitgründen und um mir die zusätzlichen Höhenmeter zu ersparen nehme ich heute den kürzeren Weg über Baldenwil. Nach der Bahnüberführung verlässt man mit Vorteil den gelb markierten Weg und geht links in den Wald hinein. Nach wenigen hundert Metern trifft man dann auf einen andern Wanderweg, dem man bis zum P. 931 (Stäggelenberg) folgen kann. Von hier geht man am besten auf einem schlecht erkennbaren Weg mässig steil in südwestlicher Richtung hinab und kommt nach kürzester Zeit auf den Wanderweg, der von der Nünegg herkommt. Diesem folgt man weiter nach Dietenberg und über den Rütiberg nach Rötschwil. Am Rütiberg muss man aufpassen, dass man nicht zu weit hinauf läuft, sondern gleich die erste Abzweigung links nimmt und bald einmal zu einem Grillplatz kommt. Anschliessend ziemlich steil hinunter auf die Strasse und in Rötschwil rechts auf den Wanderweg nach Schwellbrunn.
 
Für die nächste Etappe bis nach Urnäsch gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten. Bei meinen ersten Versuchen bin ich über Högg hinab zum Auhölzli und dann über den Tüfenberg nach Urnäsch gewandert. Das ist zwar landschaftlich schön, kostet aber die Mühe von zusätzlichen mindestens hundert Höhenmetern. Inzwischen habe ich weiter östlich einen kürzeren Weg gefunden, der über Säntisblick – Brisigmüli – Lärchenberg – Ranzenberg (1009 m) nach Urnäsch führt. Meistens kann man den markierten Wanderwegen folgen. Da es deren viele hat, blickt man jedoch lieber einmal zuviel als zu wenig auf die Landeskarte. Dabei findet man auch immer wieder geeignete (und weniger geeignete) Abkürzungen. So bin ich beim Abstieg nach Urnäsch über Wiesen (und unter einem geladenen Weidezaun hindurch) auf direktem Weg zum Bahnhof Urnäsch gelangt.
 
Bis anhin war ich hier jeweils am Ziel und auch müde genug, um zufrieden wieder nach Hause zu fahren. Diesmal will ich mehr, will es wissen, ob ich es rechtzeitig bis auf die Schwägalp schaffe. Gute 5 ½ Stunden habe ich für die Strecke von Flawil nach Urnäsch gebraucht, davon etwa 5 Stunden reine Marschzeit. Der restliche Abschnitt bis auf die Schwägalp ist zwar kürzer, dafür kommt einiges an Höhenmetern hinzu. Um halb eins mache ich mich wieder auf den Weg. Zugegeben, es kostet mich einige Mühe, an diesem voraussichtlich letzten Sommertag unter der stechenden Mittagssonne einen nochmaligen Aufstieg unter die müden Füsse zu nehmen. Und es braucht etwas mentalen Ansporn: Bald kommt der Wald, dort ist es schattig, der landschaftliche schönste Teil der Tour steht noch bevor...
 
Vom Hauptwegweiser in Urnäsch führt der Wanderweg ziemlich steil hinauf nach Chräg (915 m) und weiter an den Waldrand. Dort zweige ich nach links ab und nehme den breiten Waldweg, der nach etwa 600 m in den Wanderweg mündet, der von links heraufkommt. Nun folgt ein interessantes Wegstück, das befestigt ist wie eine mittelalterliche Verbindungsstrasse und ein wenig an Tells Hohle Gasse erinnert. Danach geht es weiter aufwärts, über die Alp Oberhaumösli (1107 m) auf den Kamm von Langdürren (1217 m). Anschliessend schlängelt sich der inzwischen schmal gewordene Weg, auf gleicher Höhe bleibend, durch die steile Nagelfluhflanke des Dürrenspitzli. Obwohl weiterhin gelb markiert, ist er hier eher als T2 einzustufen.
 
Dort, wo der noch junge Wissbach, der später in die Urnäsch mündet, überquert wird, vereinigt sich der Wanderweg mit jenem, der von Jakobsbad heraufkommt. Kurz darauf zweigt links der Bergweg ab, der auf den Kronberg hinaufführt. Gewiss auch ein lohnendes Ziel, doch heute bin ich schon zufrieden, wenn ich nach einem letzten, recht steilen Aufstieg den Nusshaldensattel (1496 m) erreiche, den höchsten Punkt der heutigen Tour. Es ist inzwischen bald halb vier, es bleibt also genügend Zeit, um rechtzeitig auf der Schwägalp anzukommen, und es ist auch Zeit, für eine erholsame Pause. Die Sicht auf den westlichen Alpstein ist prächtig, das Öhrli zum Greifen nah, die Stütze 2 der Säntisbahn deutlich erkennbar, der Silberplatten glänzt wie Firn in der Sonne. Dieses Panorama sauge ich genauso ein wie die letzten Tropfen aus der Trinkblase in meinem Rucksack.
 
Der offizielle Wanderweg vom Nusshaldensattel zur Schwägalp führt zuerst nochmals 60 Höhenmeter hinauf. Darauf habe ich verständlicherweise nicht die geringste Lust und ziehe den etwas raueren Weg (T2) vor, der direkt nach Nusshalden hinunter und weiter zum Langälpli (1365 m) führt. Dort vereinigt er sich wieder mit dem gelb markierten Weg. Das letzte Stück durch den Brugger Wald, auch wenn es bis zur Chammhaldenhütte nochmals etwas hinauf geht, ist sehr schön. Die faszinierenden Ausblicke auf das Säntismassiv, die immer wieder wechseln, lassen mich für den Moment die Müdigkeit vergessen.
 
Nach der Chammhaldenhütte nehme ich es gemütlich, halte immer mal wieder an und lege mich ins Gras. Es bleibt noch mehr als eine halbe Stunde bis zum letzten Postauto. Als ich dann auf der Schwägalp ankomme, reicht die Zeit knapp für ein Schoggi-Cornet. Wie sehr ich dieses geniesse, kann man sich anhand der Daten auf dem GPS gut vorstellen: Ziemlich genau 31 km habe ich an diesem Tag zurückgelegt und unglaubliche etwas mehr als 1700 Höhenmeter. Wenn man bedenkt, dass der Höhenunterschied zwischen Anfangs- und Endpunkt der Tour lediglich 740 m beträgt, ist das erstaunlich und der Preis für die eigenwillige Routenwahl. Offenbar muss man über alle sieben Berge steigen, wenn man den Verkehrsstrassen in den Tälern ausweichen will.
 
Auch wenn die Füsse schmerzen, das zählt nichts im Vergleich zur Tatsache, dass es mir wieder einmal gelungen ist, meine eigenen Grenzen ein kleines Stück auszudehnen. Es ist, als hätte ich den Säntis auf eine neue Art entdeckt. Diesmal nur mit den Augen: Am Morgen, auf der ersten Anhöhe hinter Flawil, war er noch weit weg. Jetzt, am Ziel angekommen, habe ich ihn unmittelbar vor mir, mit seiner ganzen majestätischen Ausstrahlung. Man könnte einwenden, dasselbe Bild habe man doch auch, wenn man mit dem Postauto auf die Schwägalp fährt. Oberflächlich gesehen mag das zutreffen. Doch die Empfindung, wenn man die Strecke zu Fuss zurücklegt, ist ganz anders. Entbehrungen schärfen die Sinne und wecken die Leidenschaft.
 
Am Abend, kaum zu Hause angekommen, höre ich fernes Donnergrollen. Ist es das Ende des Sommers, das sich ankündigt? Der Temperatursturz am Wochenende ist jedenfalls markant und vermutlich sind auf dem Säntis bereits die ersten Schneeflocken gefallen. Was bleibt, ist die Hoffnung auf einen langen, schönen Bergherbst. 

Tourengänger: Fico


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