Cima Presanella (3558 m) - eine hart umkämpfte Aussichtsloge südlich der Ortlergruppe


Publiziert von gero , 24. August 2013 um 23:51.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:21 August 2013
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 1905 m
Abstieg: 1905 m
Strecke:Malga Vallina d'Amola - Rif. Segantini - Passo dei Quattro Cantoni - Presanella und zurück (17,2 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:In Sant Antonio di Mavignola (Valle di Campiglio) an deutlich sichtbarem Wegweiser auf schmaler Straße hinein ins Valle di Nambrone. Am Rif. Nambrone vorbei und 7 km weiter auf sehr schmaler Straße aufwärts bis zu einer Verzweigung; hier links (beschildert) Richtung Rif. Segantini auf Schotterstraße bis zu einem Parkplatz kurz vor der Malga Vallina d'Amola. Befahrung und Parken gebührenfrei.
Kartennummer:Tabacco 052 (Adamello - Presanella); Freytag & Berndt WKS 11 (Brenta - Madonna di Campiglio - Presanella)

Ich sag es, wie es ist: die Besteigung der Cima Presanella auf dem Normalweg war für mich eine der anstrengendsten Touren, die ich je unternommen habe. Dies liegt am großen Höhenunterschied, in der Art des zu begehenden Geländes (über weite Strecken ist Blockwerk zu begehen, bei dem jeder Schritt konzentriert gesetzt werden muß) und an der Tatsache, daß ich die richtige Wegführung mehrfach zeitintensiv erkunden mußte. Technische Schwierigkeiten sind nicht vorhanden, doch ist ein gehöriges Maß an alpiner Erfahrung ("Blick füs Gelände") eine Selbstverständlichkeit.


Teil 1: Anfahrt zum Parkplatz an der Malga Vallina d'Amola

Einen eigenen Abschnitt für die Anfahrt zum Ausgangspunkt? Jawohl, denn sie hat erheblichen Abenteuerwert. Hat man nämlich bei einer mächtigen Wegtafel an einer Kehre im Talort Sant Antonio di Mavignola das Valle di Nambrone betreten, dann führt ein schmales Sträßchen zunächst verhältnismäßig bequem zum Rif. Nambrone. Danach fährt man auf die mächtigen Talschlußwände zu und fragt sich, wie es denn weitergehen möge. Tatsächlich wird das Sträßchen noch enger und führt in vielen steilen Serpentinen durch genau diese Talschlußwand (Waldbestand) bergauf. Mehrfach wird in den Kehren der 1. Gang benötigt, um überhaupt wieder auf Touren zu kommen; man lasse sich aber (vor allem bei der Rückfahrt) nicht zu forscher Fahrweise verleiten, denn es gibt mehrfach unerwartet deftige Schlaglöcher und Entwässerungsrinnen, die man zweckmäßigerweise im Schritttempo passiert, um das Auto nicht zu demolieren.

Ziemlich genau 7 km nach dem Rif. Nambrone kommt man an einer Verzweigung vorbei, Tef ist an dieser Stelle rechts weitergefahren zum Rif._Cornisello, ich aber folge hier nach links der Beschilderung zum Rif. Segantini und zur Malga Vallina d'Amola. Das Sträßlein ist jetzt nur noch geschottert; etwa 500 m vor der Malga kommt ein kleiner Parkplatz, und dort stelle ich das Auto ab.

Die Straße ist mit entsprechender Bergerfahrung und behutsamem Verkehrsverhalten durchaus befahrbar und wird auch rege genutzt (jederzeit Gegenverkehr!); erfreulicherweise gibt es weder Maut noch Parkgebühren.


Teil 2: Anstieg auf die Cima Presanella

Ich bin ja als Frühaufsteher allgemein bekannt - daß ich heute besser um 3 Uhr statt um 4 Uhr gestartet wäre, hätte ich allerdings kaum für möglich gehalten - denn ich werde fast 13 Stunden unterwegs sein.

Um 4 Uhr verlasse ich also das Auto und wandere im Licht des fast vollen Mondes an der Malga Vallina d'Amola (2008 m) vorbei. Steil geht es auf Steig Nr. 211 aufwärts zur Wiesenkuppe des Plan dal Sass und weiter, nun in gemäßigter Steigung, zum Rif. Segantini (2371 m; auch: Rif. Val Amola-Segantini. 75 Minuten). Drinnen wird jetzt um 5:30 Uhr grad das Frühstück serviert; die Hütte ist voll erleuchtet.

Nun Achtung: hinter der Hütte steht ein großer Wegweiser, und hier beginnt das Dilemma der Wegfindung: gehe ich Richtung "Cima Presanella" oder Richtung "Passo dei 4 Cantoni"? Der oben schon angedeuteten Pionierarbeit von Tef (und dem Informationsmaterial, das auf der Homepage des Rif. Segantini heruntergeladen werden kann) habe ich es zu verdanken, zu wissen, daß ich den zweitgenannten Weg gehen muß (also Richtung Passo dei 4 Cantoni). Der erstgenannte Wegweiser zur Presanella führt ganz eindeutig in Richtung der heiklen Bocch. di Monte Nero. Komische Geländesituation .... dies ist aber erst der Auftakt einer Reihe von Anstrengungen zur Wegfindung, die mich heute noch mehr in Atem halten wird, als mir recht ist.

Gleich zu Beginn sieht man hinter der Hütte ein einziges Mal die Wegnummer 219 angeschrieben, der ich nun zum Passo dei Quattro Cantoni folgen muß. Es geht über plattige Felsstufen oberhalb des Rif. Segantini aufwärts - inzwischen dämmert es, und ich kann hinüberschauen zu den mächtigen Felszinnen der Brentagruppe.

Der Steig Nr. 219 führt über viel Blockwerk südlich unter den Flanken der Torri dei Quattro Cantoni dahin, zuletzt geht es steil über erdige Stufen hinauf zum Passo dei Quattro Cantoni (2781 m, 90 Minuten ab Hütte, bis hierher hervorragend markiert). Beidseits der scharf eingeschnittenen Scharte (man kann darin kaum stehen) sind die letzten Höhenmeter mit einem Fixseil versehen, über dessen Existenz ich mich beim Rückweg sehr gefreut habe, fanden doch hier die müden Beine tatkräftige Unterstützung durch die Arme.

Wegen der markanten Lage dient diese Scharte im folgenden als Zeitbezug; Gehzeit ab P bis hierher knapp 3 Stunden.

Nach kurzer Foto- und Verschnaufpause steige ich südostseitig über erdige Absätze am Fixseil hinunter. Gemäß LK muß es hier einen Anschlußweg geben, der ohne wesentlichen Höhenverlust die Südseite des Castel dei Cantoni quert. Ich finde ihn leider nicht - statt dessen führen mich nun zusehends seltener werdende Markierungen und Steinmänner fast 300 Hm hinunter bis an den Fuß der großen, auffallenden Randmoräne des Vedretta di Narvis (ca. 2475 m). Zunächst westlich neben der Moräne, später dann direkt auf ihrem Scheitel geht es weiter auf einem Steiglein, das wohl hoffentlich letztlich zur Presanella führen wird - denn ein anderes Ziel gibt es hier nicht. Immer wieder muß ich anhalten und suchend umherschauen, wo das nächste Steinmännlein, der nächste verwaschene rote Markierungspunkt ist und im übrigen aufpassen, auf dem richtigen Weg zu sein. Das kostet viel Zeit - und ist dementsprechend anstrengend.

Ich bin in dieser endlosen Weite der einzige Mensch - nur das Pfeifen der Murmeltiere erinnert mich daran, daß unser Planet auch noch von anderen Lebewesen bevölkert ist. Über allem der makellos blaue Himmel und die Sonne Südtirols, die mich manchen Schweißtropfen kostet.

Ziemlich genau 2 Std. nach dem Passo dei 4 Cantoni verliert sich in 2900 m  Höhe das obere Ende der Moräne in einer endlosen Blockwüste, die es nun zu bezwingen gilt. Noch anstrengender als bisher wird die Suche nach dem nächsten Steinmann (rote Markierungen gibt es überhaupt keine mehr): Stehenbleiben, Ausschau halten, weiterstolpern, wieder anhalten und ja nicht die Steigspuren verlieren, die hier und da wenigstens ansatzweise erkennbar sind. So verrinnt die Zeit, aber als ich einen markanten Gratabsatz an seinem unteren Rand in nördlicher Richtung gequert habe, sehe ich auf einmal hoch droben das Gipfelkreuz der Presanella. Na, das werd ich doch jetzt auch noch schaffen - denke ich mir 2,5 Std. nach der Scharte. Das Gelände wird hier etwas übersichtlicher, und nachdem nun das Ziel in Sicht ist, weicht jetzt die Verzweiflung um die Blockrampferei der letzten Stunde einem gewissem Optimismus.

Manchmal gibt es jetzt zu viele Steinmänner - aber sie stehen oft in recht unterschiedlicher Richtung! Das Weg-Suche-Spiel setzt sich also fort. Ab und zu leiten Schneefelder bergauf, manchmal folge ich vom früheren Gletscher glattgeschliffenen Felsplatten - im Prinzip ist das Gelände überall unschwierig gangbar, wenn auch mühsam und kraftraubend.  So erreiche ich die auf der LK eingezeichnete Kote 2976 m am Fuß eines Felssporns (3 Std. ab Scharte), an dessen rechter Seite (im Aufstiegssinn; also orographisch links) sich ein steiles Schneefeld zum weiteren Aufstieg anbietet. Denn die unglaublich anstrengende Block- und Plattenkrabbelei bin ich nun leid; flugs die Steigeisen ausgepackt und auf dem teils noch harten Schnee hinaufgeschwebt. Einen Namen tragen diese Schneefelder gemäß LK übrigens nicht - sie können als letzte Reste des westlich gelegenen Vedretta di Narvis angesehen werden, als dieser sich vor Urzeiten vielleicht noch viel weiter ausdehnte.

Ganz so leichtfüßig geht es dann doch nicht; im Zickzack lege ich meine Spur hinauf zum oberen Rand des steilen Schneefeldes, wo selbiges an die letzten 100 Meter Gipfelfels stößt. In einer Rechts-Links- Querung nähere ich mich auf dem sehr brüchigen, steilen, aber unschwierigen Felsgelände dem Gipfel, und dann stehe ich droben auf der Cima Presanella (3558 m). Es ist jetzt ziemlich genau 12 Uhr, also habe ich 5 Std. ab dem Passo dei Quattro Cantoni und insgesamt 8 Std. seit dem Abmarsch beim Parkplatz benötigt - eine zugegebenermaßen lange Zeit, bedingt durch viel Wegsucherei und zeitraubende, anstrengende Blockturnerei.


Teil 3: Abstieg

Der Abstieg verläuft wesentlich flotter.
Dank der Steigeisen geht es zügigen Schrittes auf den Schneefeldern (Steigung kurzfristig ca. 30°) bis an deren unterstes Ende hinunter. Im Abstieg passe ich jetzt ganz genau auf und erwische die mit vielen kleinen Steinmännern leidlich gut präparierte Querung auf ca. 2700 m hinüber zum Passo dei Quattro Cantoni (ich muß beim Rückweg gottseidank also nicht bis in den obersten Talgrund des Val di Nardis absteigen - s. GPS-Track). Der kurze Wiederanstieg zur Scharte kostet dann manchen deftigen Schnaufer, aber jenseits gehts dann nur noch abwärts zum Rif. Segantini und weiter zurück zum Ausgangspunkt am kleinen Parkplatz bei der Malga Vallina d'Amola.


Teil 4: Anmerkungen

- Alle anderen Bergsteiger, die heute auf der Presanella standen (geschätzt 20 Personen), sind über einen offenbar ganz neu installierten Klettersteig heraufgekommen, der an der Bocch. di Monte Nero beginnt. Nach Auskunft sind alle anspruchsvollen Stellen gut versichert. Also ist es inzwischen wohl zweckmäßiger, statt meines Anstieges besagten Klettersteig zu benutzen.

- Auf dem von mir geschilderten Weg gibt es ausreichend Wasser.

- Die auf der LK eingezeichnete Biwakschachtel Biv. Orobica (3382 m) wird auf meinem Weg nicht, wohl aber bei Benutzung des Klettersteiges tangiert. Sie liegt auf dem Südostgrat der Presanella gut 150 Hm unter dem Gipfel in aussichtsreicher Lage.

- Ich bin der Meinung, daß vor allem morgens, wenn die Schneefelder im Gipfelbereich noch hartgefroren sind, Steigeisen den Anstieg erheblich erleichtern.

Tourengänger: gero


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Geodaten
 17520.gpx Von der Malga Vallina d'Amola auf die Presanella

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Kommentare (4)


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83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 25. August 2013 um 07:45
Karamba, da hast du ja ordentlich zugeschlagen und einen wunderbaren Gipfel bestiegen. Ich gratuliere herzlich!

Jackthepot hat gesagt: Hammertour ...
Gesendet am 25. August 2013 um 13:34
... da kann ich mich Stefan nur anschließen - Gratuliere....und das alles in Gero'schem Stil - mit Übernachtung im Auto; da würd' ich am nächsten Morgen nur noch rauskriechen ... und wieder heim fahr'n, statt kilometerhohe Berge zu bezwingen ;-)
Weiter so
VLG Harald

Felix hat gesagt:
Gesendet am 26. August 2013 um 17:33
eine "Hammer"-Tour - ich gratuliere dir herzlich, lieber Georg!
Welche Ausdauer sie verlangt - und welche Schönheiten sie birgt: kann man sich an Hand deines Berichtes lebhaft vorstellen

Lieber Gruss

Felix

Tef hat gesagt: Hart umkämpft, aber..
Gesendet am 26. August 2013 um 20:15
...wenn man sich die Fotos anschaut und das Traumwetter kann man nur neidisch werden..da hat sich jeder Schweißtropfen gelohnt!
beste Grüße
Tef


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