WÄGITALER RUNDTOUR


Publiziert von Bergamotte , 17. Juli 2013 um 14:11.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:13 Juli 2013
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SZ   Etzel-Aubrig-Kette   Zürcher Hausberge   CH-GL   Oberseegruppe   Östliche Sihltaler Alpen 
Zeitbedarf: 19:45
Aufstieg: 4730 m
Abstieg: 4730 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Gratisparkplätze bei Schrähoger
Kartennummer:1153 Klöntal

Die Wägitaler Rundtour darf getrost als Mutter aller Voralpentouren bezeichnet werden. In bestechender Linienführung überschreitet man den gesamten Gipfelkranz um den Wägitalersee. Ein Höhepunkt jagt den nächsten: prächtige Gipfel, scharfe Grate, anspruchsvolle Kraxeleien, luftige Tiefblicke. Und das Auge kann sich gar nicht satt sehen am herrlichen Panorama.

Obschon kein Anhänger von Monstertouren träume ich deshalb seit langem von diesem Nonplusultra in meinen Alpinstammlanden. Doch fast droht sich das Projekt um ein weiteres Jahr zu verzögern. Einerseits belastet der durchzogene ST-Frühling meinen Formstand, andererseits fehlt im Juni - dem idealen Monat - das nötige Wetterglück. Dank perfekten Verhältnissen vergangenen Samstag komme ich unverhofft doch noch zum Zug: stabile Schönwetterlage, nicht zu heiss, leichter Wind, null Gewitterneigung.

Ohne Zögern entscheide ich mich für die abgespeckte Rundvariante von mde. Sie überzeugt im Gegensatz zu den historischen Routen durch ihre Abgeschlossenheit und hydrografische Logik und hält mit der Brennaroute früh einen besonderen Leckerbissen bereit. Nicht zuletzt verkürzt sich das Pensum, was angesichts meines Formstandes sinnvoll erscheint.



Für eine detaillierte Routenbeschreibung verweise ich auf meinen GPS-Track und den *Bericht von mde. Deltas Berichte gehören ohnehin zu einer seriösen Vorbereitung. Hinzufügen möchte ich einige subjektive Eindrücke.

Brennaroute (T6-/II): Der Entscheid, das Bockmattli für die legendäre Brennaroute zu opfern, fiel mir leicht. Von unten scheint die NW-Flanke des Schibergs kaum begehbar. Doch geschickt windet sich die Route durch das griffige, teils verwachsene Gelände. Vereinzelt weisen blaue Punkte den Weg. Technisch erreicht man wohl knapp die T6- (z.B. beim Einstieg), doch die gefühlte Schwierigkeit liegt tiefer, denn man spürt die Ausgesetztheit kaum. Das gilt nicht für diesen Felsaufschwung, den die originale Brennaroute aber südlich umgeht.

Überschreitung Brünnelistock (T5): Der Gipfel steht sinnbildlich für die Schönheit des Wägitals. Man bewegt sich über schmale Grate und geniesst luftige Tiefblicke, ohne gleich Todesängste ausstehen zu müssen. Der trittsichere Bergwanderer wählt den attraktiven Pfad über den Südwestgrat (T4). Einsamer geht's am Nordostgrat zu und her (T5). In leichter Kletterei erreicht man vom Mürli den Grat (mehrere Varianten möglich) und folgt ihm zum Hauptgipfel: Tiefblicke - vor allem Richtung Oberseetal - sind garantiert!

Zindlenspitz Ostflanke (T5+): Ein Direktaufstieg ab Wanderweg durch die steile Ostflanke ist möglich. Doch man spart weder Zeit und kaum Höhenmeter, somit vor allem für Überschreitungsfreaks geeignet.

Lachenstock - Redertengrat (T2-3): Hier braucht's Nehmerqualitäten. In ständigem Auf und Ab quält man sich über schwache Wegspuren und Karrenfelder. Meine Motivation erreicht hier den Tagestiefpunkt. Und streckenmässig befindet man sich noch nirgends. Den Sonnenuntergang auf dem Aubrig kann ich bereits abschreiben. Erst eine SMS meiner Liebsten und der lohnenswerte Aufstieg auf den Redertenstock vermögen meine Laune aufzuheitern.

Redertenstock-Mutteristock (T6-/II): Die Überschreitung des Wägitaler Königspaars bietet Alpinkraxeleien vom Feinsten. Den Nordaufstieg auf den Rederten kann ich jedem geübten Alpinwanderer empfehlen (T5+/II). Der Tiefblick bei der Querung durchs Südband in die Scharte vor dem Mutteri hingegen dürfte nicht nach jedermanns Geschmack sein (T5+). Bei Nässe ist von einer Begehung dringend abzuraten.
Ich empfehle, anschliessend bei erster Gelegenheit in die Scharte hochzusteigen. Denn wer zuwartet, bezahlt dies nachher mit einer erschwerten Abkletterei in den Kessel (s. hier). Aus dem Kessel mit dem (beinahe) ewigen Schneefeld steige ich in die rechte Rinne hoch, welche sich anregend durchklettern lässt (T6-/II).

Ochsenchopf Ostgrat (T6/II): Eine der wenigen Passagen, welche ich vorher nicht rekognosziert habe. Nachdem ich den Torberg mitgenommen habe, umgehe ich die folgenden zwei Felsköpfe mit einem kurzen Abstieg auf der Nordseite (bis ca. 2030m). Eine Überschreitung der Köpfe scheint möglich, aber ich habe das nicht im Detail studiert. Nach dem Wiederaufstieg in den Sattel P. 2065 kommt's richtig dick: T6 in Reinkultur! Steile, schmale Grasgrate, Schrofengelände und verdammt viel Luft unter den Füssen. Den ersten Aufschwung kann ich noch geniessen (T5+). Doch bereits beim Zweiten heisst es, bloss nicht nach unten schauen (T6-). Und beim Dritten entfahren mir Stossgebete gen Himmel (T6). Wichtig: Den dritten Aufschwung könnte man einfach über eine Terrasse auf der Nordseite umgehen... Ebenfalls heikel, aber mit weniger Tiefblick präsentiert sich die Querung durchs Band in die Scharte zwischen zweitem und drittem Aufschwung. Von oben macht es den Eindruck, als könnte man auch vom unteren, breiteren Band die Scharte wieder gewinnen. Andere Begeher bestreiten dies. Hat das mal jemand probiert?

Ganthöchi (T6): Ungern denke ich an meinen ersten Ausflug in die Ostflanke der Ganthöchi zurück. Das Gelände ist heikel und mühsam: Felsschrofen bedeckt mit einer dünnen Schicht Dreck und Gras. Zweifellos die Schlüsselstelle der Tour, auch weil sie nicht umgangen werden kann. Keine Ganthöchi, keine Wägitaler Rundtour! Belastend auch, dass die Passage erst so spät kommt.
Angesichts meiner schlechten Erinnerungen probiere ich mal "was Neues"... Zuerst ziehe ich die Runse ganz links hoch, welche Richtung Wänifirst Nordgrat zieht. Sobald möglich traversiere ich heikel auf einen verwachsenen Sporn rüber. Und nun einfach den Sporn hoch. Dieser ist extrem steil, aber mit Bäumchen und Büschen verwachsen, welche als gute Griffe dienen. Konsequenterweise erfolgt fast der ganze Aufstieg aus den Armen, welche bald zu zittern beginnen. Zuoberst läuft der Sporn aus und ich erreiche über eine Runse - schlecht griffig, aber weniger steil - den Wänifirst Nordgrat.

Gantspitz-Turner (T5+, evtl. T6-): Der scharfe Grasgrat bietet dem schwindelfreien Berggänger Genuss pur. Die technischen Schwierigkeiten sind moderat. Die Ostseite bricht jäh ab, während das Steilgras in der Westflanke oft begehbar wäre. Der Grat besteht aus zahlreichen Aufschwüngen, welche nur vereinzelt sinnvoll umgangen werden können. Das ständige Auf und Ab und die benötigte Konzentration hängen an, zumal man bis zum Gantspitz bereits 3600Hm gefressen hat. Motivierend wirkt heute die schöne Abendstimmung, welche den Grat - und das gesamte Wägital - in ein rötliches Licht taucht. Auf dem Turner dann aufatmen, ab jetzt folgt nur noch laufen, laufen, laufen.

Marschgepäck: Prinzipiell bin ick kein Jünger des Ultralight. Doch bei über 100 Leistungskilometern gilt es eine Ausnahme zu machen. In den Rucksack kommen nur: Pickel, GPS, 1kg Verpflegung (Brot, etwas Käse & Wurst, Trockenfrüchte, Ovo-Sport, Riegel), 3l Wasser (reicht heute gut bis zum Brunnen vor dem Wannenstöckli). Dankbar gewesen wäre ich für ein paar trockene Ersatzsocken und -schuheinlagen, der Morgentau hinterliess (zu) schnell Spuren.


Fazit: Die Wägitaler Rundtour werde ich als einmaliges Erlebnis in Erinnerung behalten. Sie vereint alles, was das Alpinwandern so lohnenswert macht, in extremer Intensität. Weitere Monstertouren sind vorerst aber keine geplant, der Genuss kommt einfach zu kurz. Von Besuchen des Hammermanns blieb ich verschont, weil ich mir bewusst mehr Zeit liess als meine Vorgänger. Konsequenterweise musste ich die letzten Stunden im Dunkeln absolvieren.


Links des SAC Zindlenspitz:

Tourengänger: Bergamotte
Communities: T6, Monstertouren


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Geodaten
 16763.gpx Wägital Rundtour

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Kommentare (15)


Kommentar hinzufügen

mde hat gesagt: Gratuliere!
Gesendet am 17. Juli 2013 um 14:59
Herzliche Gratulation und danke für den schönen Bericht.

Bergamotte hat gesagt: RE:Gratuliere!
Gesendet am 17. Juli 2013 um 15:02
Danke. Deine Vorlage war äusserst hilfreich bei der Vorbereitung.

tricky hat gesagt: Gratuliere
Gesendet am 17. Juli 2013 um 15:02
Sehr schön, Gratuliere dir zu deiner Tour. Wollte diese Tour vor zwei Wochen machen, aber der viele Schnee lies mich die Tour zu verschieben. Schön das die Verhältnisse nun bekannt sind :-)

Bergamotte hat gesagt: RE:Gratuliere
Gesendet am 17. Juli 2013 um 16:54
Herzlichen Dank. So wie ich Dich kenne, machst Du gleich die ganz grosse Runde von 1991 mit Fläschenspitz und Wänifirst ;-)

tricky hat gesagt: RE:Gratuliere
Gesendet am 17. Juli 2013 um 22:23
Das weiss ich eben auch noch nicht so genau. Würde gerne das Bockmattli und die Brennaroute nehmen. Aber natürlich auch gerne zu meinem Gratbuch vorbei schauen

xaendi hat gesagt:
Gesendet am 17. Juli 2013 um 15:13
Gratuliere! Toll, dass es geklappt hat. War aber auch nicht anders zu erwarten ;-)
Mit der Quelle am Zindlenspitz war nichts?

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. Juli 2013 um 15:28
Jetzt übertreibst Du aber...

Bei P. 1966 gibt es tatsächlich eine eingefasste Wasserstelle. Doch es hat nur rausgetröpfelt und das Wasser im Trog schmeckt höchstens den Schafen... Glaub mir, ich hab's provbiert :-)

3614adrian hat gesagt: Gratulation
Gesendet am 17. Juli 2013 um 15:59
Herzliche Gratulation! Eine schöne und logische Variante der Rundtour! Hätte ich damals auf Chöpfenberg und Bockmattli verzichtet, hätte ich den physischen Einbruch auf dem Gantspitz vielleicht verhindern können.

Lg Adrian

Bergamotte hat gesagt: RE:Gratulation
Gesendet am 18. Juli 2013 um 09:30
Vielen Dank. Aber im nachhinein bist Du sicher froh, die grosse Runde gemeistert zu haben! Ich kann mich schon gar nicht mehr an die Schmerzen und die Quälerei erinnern.

rkroebl hat gesagt:
Gesendet am 17. Juli 2013 um 17:21
Ich fasse mich kurz: WOW!!!

Gratuliere und danke für den tollen Bericht.

Ray

Tobi hat gesagt: Da kann ich mich nur anschliessen...
Gesendet am 17. Juli 2013 um 21:33
Herzliche Gratulation zu dieser Top-Leistung!
Mit der Wägital-Rundtour als Monstertour-Höhepunkt habe ich dieses Jahr auch geliebäugelt. Habe mich dann aber doch fürs Projekt *Engelberg – Stans Extrem entschieden.
Wer weiss, vielleicht im nächsten Jahr...

Weiterhin tolle Touren, Gruss Tobi

PStraub hat gesagt: Krasse Tour ..
Gesendet am 18. Juli 2013 um 11:23
.. gratuliere!

Hoffentlich konntest du ab und zu auch Blumen und Aussicht in dieser herrlichen Gegend geniessen!

Gruss Peter

Bergamotte hat gesagt: RE:Krasse Tour ..
Gesendet am 18. Juli 2013 um 12:48
Für Aussicht hat's gereicht, für Blumen. Doch das hat mehr mit mir selber zu tun... Immerhin wies mich eine Wanderin am Zindlenspitz auf Edelweisse hin.

Gruss

Delta Pro hat gesagt: Gratulation
Gesendet am 1. August 2013 um 14:34
Freut mich, dass auch dieses Jahr wieder jemand die Wägital-Runde angepackt hat. Mittlerweile dürfte eine Dokumentation einer solchen Unternehmung auf Hikr schon fast zu guten Ton gehören ;-)
Habe Deinen Eintrag erst jetzt bemerkt, da ich im Schiberg-Gipfelbuch per Zufall Deinen Namen gesehen habe.
Herzliche Gratulation auch von meiner Seite!
Gruss Delta

Bergamotte hat gesagt: RE:Gratulation
Gesendet am 1. August 2013 um 16:43
Danke, Glückwünsche vom Mr. Wägitaler Rundtour persönlich freuen mich natürlich besonders.


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