Cima di Cazzài

Da stehen also endlich mal ein paar Tage mit stabilem und schönem Wetter ins Haus, so dass man, wie einst John Muir, den Drang verspürt "to throw a loaf of bread and a pound of tea in an old sack and jump over the back fence". Bei der Tourenplanung schlage ich omega3 das Valle Verzasca vor, worauf er zunächst mutmasst, dass es um irgendwelche "Ladenhüter" gehen könnte. Weit gefehlt , denn wir nehmen uns zwei der interessantesten Gipfel dieses fantastischen Tales vor. 

Da die Anreise nach Gerra Croce sehr lang ist, starten wir erst um halb 12, was im Hochsommer natürlich nicht gerade ideal ist. Von Croce nehmen wir den Weg nach Veld, der auf älteren Karten noch eingetragen ist, aber nicht mehr in sonderlich gutem Zustand ist. Wir stossen auf die markierte Route Richtung Alpe Cazzài, der wir bis Corte di Sopra folgen. Nach einer Pause bei einer neu hergerichteten Hütte nehmen wir nun den schwach erkennbaren Pfad Richtung Poncione della Marcia und halten bei der ersten guten Gelegenheit nach rechts, um einen Bach zu queren und leicht ansteigend ins Couloir zu gehen, das gegen den Gipfel der Cima di Cazzài führt. Bald sehen wir die ersten roten Zeichen, die uns nun bis zum Gipfel begleiten (Weg hat es allerdings keinen). Das Couloir ist sehr steil und am Ende führt uns die Markierung auf den Südgrat, wo der packende Tiefblick in die stotzige Welt des Val d'Osura frei wird. 

Der direkte Weiterweg auf dem Grat wäre nun offensichtlich kein Zuckerschlecken. Aber die Markierung hilft uns, die ideale Route, die etwas auf der Osura-Seite ausholt und dabei eine Folge von Bändern ausnützt, problemlos zu finden. Schliesslich kraxeln wir über Blöcke auf den Gipfel, wo wir die Aussicht geniessen und mit Vergnügen das Gipfelbuch durchblättern, in dem sich in manchem Jahr gar niemand einträgt. 

Für den Abstieg gehen wir kurz auf dem Nordostgrat runter, bis wir zu einem Kamin kommen, der offensichtlich nicht einladend ist (oben verwitterte Schlinge). Aber rechts davon kommen wir über eine kurze Stufe auf einen steilen Grashang, der parallel zum felsigen Grat abwärts führt. Nach etwa 70 hm queren wir auf den Grat zurück und kommen bald in einen Sattel auf etwa 2300 m, wo uns eine Ziegenherde empfängt. Die guten Tiere sind neugierig, aber zum Glück nicht allzu aufdringlich - vermutlich wurden sie vor nicht allzu langer Zeit mit Salz versorgt. 

Wir verlassen den Grat Richtung Norden und steigen über Schneefelder sehr vorsichtig in Richtung Magadign ab. Sobald möglich halten wir rechts, um in der Nähe von Pianasc auf den markierten Pfad Cazzài - Magadign zu gelangen. Auf diesem Weg queren wir in der Flanke der Cresta di Cazzài, bis wir den nördlichsten Punkt des Weges erreicht haben. Auf alten Karten ist nun von hier ein Pfad eingetragen, der über Chignorasc und Mött ziemlich direkt nach Sonogno führt. Viel ist von ihm nicht übrig, besonders unterhalb Chignorasc ist er grösstenteils verschwunden (die sehr gut ausgebaute Jägerhütte von Chignorasc wird offenbar über einen guten Weg von P. 1562 am Weg nach Cazzài her erreicht). In Mött di Ferèsc und Mött finden sich nur noch Ruinen, während es in Valditt noch eine intakte Hütte hat. Doch auch im untersten Teil ist der Weg nicht allzu deutlich. Schliesslich erreichen wir aber um 19 Uhr, nachdem die meisten Tagesbesucher abgereist sind, doch noch Sonogno und machen uns auf ins Alpino, wo wir wie immer bestens bewirtet werden.