Plan B, dank SBB - Tag 1


Publiziert von TomClancy , 3. Juli 2013 um 23:10.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:30 Juni 2013
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Rigigebiet   CH-SZ 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1800 m
Abstieg: 570 m

Am Freitag war ich mit Queribus noch im Schnee, heute möchte ich das Tessin unsicher machen. Nachdem mit der Hüttenwart der Gesero-Hütte einen Korb gegeben hatte, wollte ich es mit dem Poncione d'Alnasca versuchen, zu dem ich eine besondere Beziehung habe.

Mit 10 Minuten Verspätung verlässt mein Zug Luzern. Als wir dann unterwegs noch mehrere Halte haben, ist mir klar, dass ich wohl ein Anschlussproblem habe. Es gibt ab Luzern nur zwei Verbindungen ins Verzasca-Tal und mit der zweiten käme ich erst um 1800 Uhr in Brione an. Das ist mir definitiv zu spät, weil ich noch zu einem vernünftigen Biwakplatz aufsteigen will. Nun ist ein Plan B gefragt. Relativ schnell rutscht die Rigi auf meiner Liste auf einen Spitzenplatz. So steige ich in Brunnen aus dem Zug und da liegt sie schon in ihrer ganzen Pracht vor mir. Natürlich suche ich nicht die einfachste Möglichkeit nach oben: ich wähle den Weg über die Bütziflue und die Stockflue.

Zuerst führt der Weg auf einem schlammigen Pfad durch dichten Wald. Nach einiger Zeit wird es anspruchsvoller und steiler. Das Wandern geht ins Kraxeln über. Alle Stellen sind wo immer nötig mit Drahtseilen gesichert, so dass das Vorwärtskommen immer sicher möglich ist. Unschwer erreiche ich so die Bütziflue, wo ich mir eine kleine Pause gönne und das Gipfelbuch konsultiere. Die Bütziflue ist oft begangen, ein Ursli aus Brunnen tut sich hier besonders hervor. Mehrere Male pro Woche steigt er hier hoch! Der Abstieg vom Bützi ist die erste kleine Prüfung. Ohne Seil würde ich mich hier wohl nicht runter wagen.

Weiter geht es zur Stockflue. Der Aufstieg im griffigen Kalk ist anregend (wie Felix wohl sagen würde). Der Charakter der Tour wird ernsthafter. Die Tritte werden bewusst gesetzt und die Griffe vor dem Belasten kurz getestet. Das Flair ist sehr mediterran. Durch die Föhren sieht man hinunter auf den tiefgrünen Vierwaldstättersee und der Himmel wölbt sich blau über den verschneiten Bergspitzen. Einfach fantastisch! Die Hütte am Fuss der Stockfluh ist besetzt und so schleiche ich mich von hinten an die Fluh heran. Bei der Fahne mache ich die zweite, etwas längere Pause und geniesse den tollen Rundblick.

Nach einem kurzen Powernap führt ich mein Weg weiter über den Aussichtspunkt Gottertli zum Einstieg auf die Hochfluh bei der Alp Egg. Nun beginnt das Piece de Résistance des heutigen Tages. Mittlerweile macht sich auch das Gewicht meines Rucksacks mit der Übernachtungsausrüstung bemerkbar. Noch einmal gehe ich konzentriert ans Werk. Sollte irgendwann der Schlendrian einkehren, holen einem die drei Gedenktafeln am Wegrand wieder auf den Boden zurück. Meine Gedanken sind bei den Bergkameraden, die hier, wo es eigentlich nicht sein sollte, ihr Leben verloren haben. Über viele Wurzeln, die zum Teil ziemlich rutschig sind, geht es praktisch immer auf dem Grat immer weiter bergauf. Die Hochfluh ragt beeindruckend in den Himmel und einmal mehr frage ich mich: Wo soll es da hochgehen? Zum Glück ist der Weg meistens trocken. Bei Nässe könnte man hier in Schwierigkeiten kommen. Auch hier sind aber alle kritischen Stellen mit Drahtseilen gesichert und gegebenenfalls sogar mit Stahlstiften oder -bügeln versehen. Vor dem letzten Couloir begegne ich einem jungen Paar. "Sie" scheint etwas überfordert und "Er" steigt vor und führt ihren Fuss von Tritt zu Tritt und spricht ihr gut zu. Nach dieser Passage wähnt man sich wie in einer anderen Welt. Ein geneigtes, bewaldetes Plateau liegt vor einem. Ich folge dem Pfad bis zum Gipfelkreuz am Ende des Plateaus und suche in Gedanken bereits einen geeigneten Platz für mein Zelt. Noch ist es aber nicht Zeit zum Schlafen. Beat und Nick sind bereits vor mir angekommen und wir kommen rasch in ein gutes Gespräch. Die beiden kennen sich aus und Beat erzählt mir einiges von den Höhlen des Gebietes, die er gut kennt. Vor diesen Höhlentypen habe ich grossen Respekt. Ich denke, die Enge in diesen Höhlen wäre nichts für mich. Aus meinen Einsätzen und Übungen mit dem Atemschutz bei der Feuerwehr kenne ich das Vorgehen in dunkeln, beengten Räumen unter körperlicher Belastung gut und weiss, dass es da für mich Grenzen gibt. Bald machen sich Beat und Nick auf den Heimweg. Die Hochfluh "gehört" mir!

Ich liebe dieses Gefühl. Einsamkeit senkt sich wie ein Mantel über mich und den Berg. Ich höre zwar noch die Kuhglocken und einige Zivilisationsgeräusche und trotzdem scheint das alles unendlich weit weg. Die Gewissheit, hier oben alleine die Nacht verbringen zu dürfen, ist irgendwie berauschend. Ich suche mir ein gäbiges Plätzli, das ich nach einigem Probeliegen auch finde. Das Zelt ist mit wenigen Handgriffen aufgestellt. Jetzt geht es ans Kochen. Heute gibt es Käsehörnli. Während das Menü vor sich hin blubbert, habe ich genug Zeit, mein Paradies zu studieren. Eine steile Klippe, diese Hochfluh. Drei Wege führen hoch. Einen werde ich morgen für den Abstieg benutzen. Nach dem gemütlichen Essen mache ich noch einen Spaziergang ans andere Ende der Klippe. Vom Urnerland über den Lauerzer- und den Zugersee gleitet mein Blick über die Rigi und den Vierwaldstättersee bis zum Pilatus. Toll! Der Himmel hat sich etwas überzogen, die Sonne zeigt sich nur noch für einen beeindruckenden Sonnenuntergang: Zeit sich in den Schlafsack zu verziehen. Eine ruhige Nacht beginnt und ich entschwinde ins Land der Träume... Was der morgige Tag bringen mag?

Tour im Alleingang.

Tourengänger: TomClancy


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Kommentare (1)


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Felix hat gesagt:
Gesendet am 5. Juli 2013 um 20:05
diese zwei Tage - rund um die Hochflue unterwegs: einfach stimmungsvoll!
Mag dir diese Erlebnisse sehr gönnen, TC - und grüsse dich herzlich-berglerisch

Felix


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