Magere Raine, fetter Schnee - Kneipptour vom Sernftal in die Flumserberge


Publiziert von marmotta , 14. Juni 2013 um 18:32.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum: 8 Juni 2013
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   CH-SG   Spitzmeilengruppe 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1900 m
Abstieg: 1360 m
Strecke:Engi - Mülibachtal - Südgrat Ruchsitenstöckli - P. 2239 - P. 2235 - Magerrain - Scharte nördl. P. 2384 - Plisch - Calans - Fursch - Panuöl - Prodalp - Tannbodenalp
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Engi, Weberei
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Unterterzen

Das Ski- und Wandergebiet Flumserberg lockt mit zahlreichen Attraktionen, Aufstiegshilfen und der zugehörigen Berggastronomie in die herrlich gelegene Sonnenterrasse hoch über dem Walensee vis à vis der Churfirsten. Kaum zu glauben, dass es in einem sommers wie winters derart erschlossenen und vermarkteten Gebiet noch so etwas wie einen "Geheimtipp" gibt, wo man abseits der Touristenströme einen abgelegenen und einsamen Gipfel erwandern kann. Umso erstaunlicher, wenn es sich dabei sogar um den höchsten Gipfel des gesamten Gebiets handelt! Der Magerrain (2524 m) ist zwar im Winter ein "verbotener" Berg, da sein Gipfel vollständig im Schutzgbiet "Murgtal" liegt, in dem Wintersport ganzjährig untersagt ist - doch auch im Sommer scheinen nur wenige Wanderer diesen Berg mit der charakteristischen Gesteinsfaltung und den nach Osten und Süden senkrecht abfallenden Wänden zu besuchen. Das mag daran liegen, dass kein markierter Wanderweg auf den Gipfel führt und die Zustiege aus dem Gebiet des Flumserbergs, den Murgseen oder dem Sernftal etwas langwierig sind. Die nach Westen in einer breiten Mulde abfallende Gipfelflanke stellt den geübten Wanderer jedoch vor keinerlei Schwierigkeiten und die Aussicht vom höchsten Punkt ist wirklich  umfassend.
 
Ich hoffte auf ähnlich günstige Verhältnisse wie vor gut einem Jahr am benachbarten Spitzmeilen. Doch ich machte die Rechnung ohne den Schnee, der sich auch anfangs Juni in diesen Höhenlagen alles andere als fussgängerfreundlich präsentierte…
 
Start um ca. 7.45 Uhr an der Bushaltestelle cff logo Engi, Weberei. Im schattigen Tal entlang des Mülibachs ist es noch angenehm kühl, trotz strahlend schönem Sommerwetter ist ausser mir keine Menschenseele unterwegs. In den Blockfeldern oberhalb des Üblitals werde ich von zahlreichen Murmeltieren begrüsst, die bereits die ersten Sonnenstrahlen geniessen. Für mich hingegen dauert es noch eine ganze Weile, nämlich genau bis zur Hochebene der Alp Werben, bis ich voll der Sonne und damit an diesem ersten Frühsommertag des Jahres auch der Hitze ausgesetzt sein werde. Hier gilt es, ein erstes Hindernis in Form des viel Wasser führenden Mülibachs zu überwinden - die Brücke bzw. der Steg, der hier die Wanderer trockenen Fusses ans andere Ufer bringen soll, ist noch nicht montiert. Unter Zuhilfenahme der Stöcke und mit etwas Anlauf und einem beherzten Sprung gelingt es mir jedoch, auf die andere Seite zu gelangen. Hätte ich hier bereits gewusst, wie viel (Schnee-)Wasser ich nur wenig später in die Schuhe bekommen sollte, wäre ich wahrscheinlich grad mitten durch den Bach gelaufen…
 
Über die mit schöner Alpenflora geschmückten Weiden geht es auf markiertem Pfad hinauf zu den Alphütten von Mülibach Oberstafel (1949 m) - und damit mitten hinein in den Winter. Dies zumindest, was die dort noch vorhandenen Schneemassen anbelangt. Da es sich hier keineswegs (wie erhofft) um tragfähigen Firn handelte, sondern um feuchten, grundlosen Nassschnee, suche ich mein Heil in der Flucht in die steilen, aperen Grasflanken des Goggeien/Ruchsitenstöckli. Trotz etwas schmierigem Untergrund gewinne ich ohne Schwierigkeiten schnell an Höhe (T4) - da ich aber nicht auf den Kamm oberhalb der "Ruchsiten" will, sondern in die Lücke zwischen Ruchsitenstöckli und Magerrain, halte ich mich bald rechts (Osten), wo ich wenig später den Südgrat des Ruchsitenstöckli erreiche. Diesem folgend -zwei felsige Aufschwünge können entweder direkt überklettert oder wenig in die Ostflanke ausholend etwas luftig umgangen werden (T5)- gelange ich auf den markanten Absatz bei P. 2239 unterhalb des Gipfelkopfs des Ruchsitenstöcklis. Den Gipfel dieses eher unbedeutenden Berges schenke ich mir, da ich einerseits bei den vorherrschenden Verhältnissen und dem dementsprechend heiklen Ostabstieg den gleichen Weg wieder hätte zurück müssen und andererseits bereits ahnte, was mir bei diesem mühsamen Schnee noch bevor stand.
 
Also quere ich in der Schneeflanke unter den Ostabstürzen des Ruchsitenstöckli hinüber zu P. 2235, von wo ich meinen Blick erwartungsvoll auf die noch unberührte, nach oben immer steiler werdende Schneeflanke des Magerrain richte. Entlang der mächtigen Wächte des Südabbruchs geht es in passablem Firn noch ganz gut, doch was dann folgt, ist ein einziger Chrampf: Bei jedem Schritt breche ich in den nur oberflächlich gefrorenen Schnee ein, und zwar so ruckartig, dass sich jedesmal die Hosenstulpen über die Schuhe schieben und ich jeweils eine Ladung Schnee in die Schuhe bekomme. Da ich dieses Spiel nicht über die gesamte Gipfelflanke mitmachen will, quere ich sobald als möglich an den äussersten Rand zur Kante, wo die Magerrainflanke in eindrücklichen Wänden senkrecht nach Süden abbricht. Hier ist ein schmaler Streifen entlang der Kante bereits aper und ich kann auf gut gestuftem Gras bequem empor steigen (T3-T4). Ohne grösseren Schneekontakt erreiche ich so den etwas höheren Südgipfel, anschliessend besuche ich noch den Nordgipfel, auf dem sich ein grosser Gipfelsteinmann befindet. Die Aussicht in die noch tief verschneite Glarner Gipfelwelt ist umfassend und eindrücklich! Bei hochsommerlichen Temperaturen liege ich nach einem ausgiebigen Picknick bestimmt eine halbe Stunde faul in der Sonne, bevor ich mich an den Abstieg mache. Mein ursprünglicher Plan war, durch die Hochebene Stelli unterhalb der Magerrain-Gipfelflanke zum Nordgrat des Magerrain zu queren, um so zum Türli zu gelangen, wo sich irgendwo der berühmte Felsspalt befinden muss, von dem ich schon viel gelesen hatte. Doch bereits jetzt kommen mir erste Zweifel, ob das bei diesen ungünstigen Schneeverhältnissen wirklich so eine gute Idee ist und ob ich sie überhaupt realisieren kann.
 
Vorsichtig rutsche ich auf den Kanten meiner Bergschuhe (um ja nicht einzubrechen) die steile Schneeflanke vom Gipfel des Magerrain ab - und oh Wunder: auf den ersten 100 Hm trägt der Schnee dank dieser Methode und ermöglicht mir eine genussvolle und schonende "Abfahrt". Doch bald breche ich wieder bei jedem Schritt ein und vorbei ist der Spass. Die folgende Querung zum Nordgrat des Magerrain wird bei faulem, knietiefem Schnee ein Martyrium. Meine Hoffnung, auf dem schneefreien Grat Richtung Erdisgulmen durchzukommen, wird an den senkrechten Abbrüchen vor dem Türli jäh zerschlagen. Um zum Türli zu gelangen, müsste ich wieder zurück und etliche Höhenmeter absteigen, um dann unter den Felstürmen hindurchzuqueren, auf denen ich mich gerade befand. Da diese Route komplett in der tiefverschneiten Nordwestflanke verlaufen würde und ich keine Lust auf eine weitere Tiefschneeaktion habe, entscheide ich mich für Plan B: Bei der Vorbereitung der Tour hatte ich auf der Karte einen Unterbruch des ansonsten durchgehenden Felsriegels der nach Osten abfallenden Wände des Magerrain-Nordgrats ausgemacht. Dieser befindet sich unterhalb einer Scharte nördlich von P. 2384 und vermittelt vom Magerrain den (schnellsten) Zugang in das Gebiet des Flumserbergs - eine steile (Schnee-)Rinne zieht hier zu den Weideböden von Calans hinunter.
 
Glücklicherweise sieht die von mir als Notausweg auserkorene Rinne nach Norden tatsächlich begehbar aus. Mit dem Pickel abgesichert, steige ich die knapp 45 ° steile Schneerinne Schritt für Schritt ab. Soweit meine Füsse im weichen Firn Halt finden, funktioniert das auch prima - unter der oberflächlichen und abrutschenden Nassschneeschicht befinden sich jedoch auch einige hartgefrorene Passagen, die dann doch noch für etwas Anspannung sorgen. Ingesamt ist dieser Abstieg nach meinem Empfinden jedoch problemlos, Könner fahren hier im Winter auch gerne mal mit Skis ab (click)…
 
Der Rest ist schnell erzählt: Nachdem ich in der Mittagshitze im tiefen Schnee durch die Hänge der Alp Calans gewatet bin, ist meine Kneipptour erst auf Höhe der kleinen Hütte oberhalb der Alp Fursch beendet, wo ich -unter den neugierigen Augen einiger Murmeltiere- meine Füsse vom eiskalten Schneewasser, das mittlerweile bei jedem Schritt unangenehm in den Schuhen schwappt, befreie. Zum Glück habe ich immer mehrere Paar frische Wollsocken dabei, diese nebst einem Paar kurze Hosen bringen mich sofort wieder in den Wohlfühlbereich, so dass ich wenig später die Tour mit dem langen Marsch auf der wenig erbaulichen Fahrstrasse via Panüöl und Prodalp zur Tannbodenalp beschliessen kann. Gleichzeitig mit den unübersehbaren Spuren der Zivilisation resp. des Bergtourismus treffe ich bei Panüöl auch wieder auf die ersten Menschen seit meinem Aufbruch ins Mülibachtal am frühen Morgen.
 
Von der Tannbodenalp, wo übrigens am 16.06. die Schlussetappe der Tour de Suisse mit einer Bergankunft endet, bringt mich die Gondelbahn für unschlagbar günstige CHF 2,90 (mit Halbtax) hinunter nach Unterterzen am Walensee. Bis zur Abfahrt meines Zuges kann ich mich noch kurz im Walensee erfrischen - ein schöner Abschluss dieser Tour, die doch etwas anders und vor allem mühsamer als erwartet verlaufen ist.

Tourengänger: marmotta
Communities: ÖV Touren


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Kommentare (1)


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Runner hat gesagt: schöne Tour...
Gesendet am 15. Juni 2013 um 15:19
...mit fantastischen Bildern. Im neuen SAC-Magazin wurdest Du übrigens zitiert (Stichwort Gipfelbücher) :-)


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