Rundtour Pizzo di Corgella (1707m)

Eigentlich halte ich nichts von stundenlangen Anfahrten, um dann vielleicht einen halben Tag zu touren. Doch diesen Frühling ist alles ein bisschen anders. Man braucht Fantasie, Biss und Flexibilität, um in den Bergen einigermassen auf seine Rechnung zu kommen. So feiere ich heute - man glaubt es kaum - meine Tourenpremière in der Schweizer Sonnenstube.

Es herrschen angenehme Temperaturen bei meinem Start in Camorino (P. 278) - was für eine Abwechslung. Auch sonst geht es im Dörfchen nahe Bellinzona sehr beschaulich zu und her. Zunächst steige ich auf Asphalt nach Montagna hoch, vorbei an alten Bollwerken und kleinen Weinbergen. Nun folgt der einsame Marsch talaufwärts. Meistens bewegt man sich auf schmalen Weglein durch saftige Wälder, nur sanft ansteigend - Meditation pur. Immer wieder treffe ich auf verstreute Rustici, einfach und nur zu Fuss erreichbar. In Monti di Stagno (855m) lass ich die letzten Reste der Zivilisation schliesslich hinter mir und nehme den steileren Südanstieg in Angriff.

Die Wege - obschon auf der LK eingezeichnet - werden nun immer schwächer. Häufig verliere ich sie gar, doch die Richtung ist klar und Gefahr droht nirgends. Dennoch praktisch, dass ich mein neues GPS dabei habe. Der Wald wirkt verwunschen, irgendwie gar unheimlich: kein Vogelgezwitscher, die Bäume in eigenartiger Symmetrie angeordnet.

Schliesslich erreiche ich P. 1419 und damit wieder offeneres Gelände. Ein giftiger Nordföhn bläst mir um die Ohren. Es öffnet sich nun erstmals der Blick auf den Pizzo di Corgella und seine Trabanten. Abwechlsungsreich quere ich zum Corte di Mezzo (1471m) rüber, einer einfachen Alp mit zahlreichen Geissen. Man geniesst von hier einen lohnenden Blick auf den Camoghè. Direkt über den sanften NO-Grat erreiche ich schliesslich den Pizzo di Corgella (1707m), wo ich die einzigen Mitwanderer des Tages kreuze.

Der Tiefblick auf Bellinzona, Magadino-Ebene und Lago Maggiore ist eindrücklich, trotz der an und für sich bescheidenen Gipfelhöhe. Nach langer Mittagsrast mache ich mich an den Abstieg - und es bleibt spannend. Auf dem Cucchetto (1571m) leiste ich mir einen Verhauer (s. GPX) und steige gegen Norden ab, statt dem offenen Grat zu folgen. Doch das ist schnell korrigiert. Unterhalb von P. 1406 schliesslich - einem schönem Aussichtspunkt - bewegt man sich durch herrliches Steilgelände, Bellinzona scheint direkt unter meinen Füssen zu liegen. Falls man sich durchgehend an die schwachen Wegspuren hält, kommt man knapp mit einer T3 durch, ansonsten T4.

Wieder im Wald düse ich auf dem weichen Untergrund (meist weglos) richtiggehend talwärts. In Cremorasco (1095m) teilt sich der Weg, am direktsten verläuft der Nordabstieg via Piano della Monica. Beim Park von San Martino treffe ich schliesslich wieder auf die Zivilisation: Dutzende Einheimische geniessen den warmen Sonntag mit ihren Familien. Fünf Minuten später erreiche ich den Ausgangspunkt.

Fazit: Landschaftlich faszinierende Rundtour über den Pizzo di Corgella. Man bewegt sich fast ausschliesslich auf einsamen, teils vergessenen Pfaden und durchschreitet eine ganze Reihe von Vegetationszonen.


Zeiten
3:50  Pizzo di Corgella
1:45  Camorino