Vorder Goggeien-Süd Schär-Rotberg-Gulmen bei "Aprilwetter"


Publiziert von marmotta , 21. Mai 2013 um 18:46.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:20 Mai 2013
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG   Speer-Mattstock 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1330 m
Abstieg: 1100 m
Strecke:Stein SG - Dürrenbach - Badhus - Alp Joggelisberg - Goggeien Haupsattel (P. 1559) - Vorder Goggeien - Goggeien Hauptsattel - Süd Schär - Rotberg - Schärsboden - Alp Schönboden - Gulmen - Amden Vorderberg
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Stein SG, Gemeindehaus
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Amden, Hinterstein

Schönes, sonniges Wetter im Flachland - viele Wolken und Regenschauer in den Bergen. Warum bei dieser Wetterlage dennoch in die Berge fahren? Ganz einfach: Weil man das Hobby "Bergsteigen" im Flachland nicht ausüben kann und man ja ausserdem auf das vielzitierte "Schönwetterfenster" hofft…
 
Die Vorgaben für die Auswahl des Tourenziels lauten für mich: Kein allzu hoher Gipfel, schnelle Rückzugsmöglichkeiten und eine möglichst kurze Anreise. Sofort kamen mir die wilden Felszacken der Goggeien bzw. Schär in den Sinn, welche ganz nebenbei ja auch noch schöne Ausblicke in den schönen Alpstein gewähren.
 
Bei grauem Himmel und leichtem Nieselregen ist die Motivation, in Stein SG das Postauto zu verlassen, nicht besonders gross - doch immerhin sind die Gipfel nicht komplett in Wolken eingehüllt. Im Aufstieg entlang des Dürrenbachs bin ich im Wald unter dem dichten Blätterdach gut vor dem leichten Regen geschützt. Die Sumpfwiese oberhalb der Alp Badhus ist übersät mit Sumpfdotterblumen, Schlüsselblumen und Soldanellen. Ansonsten ist die Vegetation noch arg im Hintertreffen - auf knapp 1300 m treffe ich überraschend auf die ersten Schneereste, offenbar sind die klimatischen Verhältnisse in diesem nordseitigen, schattigen Tal nicht allzu günstig.
 
Der (nicht markierte) Weg hinauf zur Alp Jöggelisberg ist jedoch gut zu begehen und bis auf einen kleinen Schneerest im Wald und im Ausstieg am Goggeien-Hauptsattel (P. 1559) komplett schneefrei. Frische Fussspuren zeugen davon, dass bereits ein Frühaufsteher vor mir unterwegs ist - und tatsächlich treffe ich den Tourengänger, als dieser auf dem Rückweg vom Vorder Goggeien unterhalb des Goggeiensattels (zwischen Vorder und Mittler Goggeien) meinen Weg kreuzt. Hatte es zwischenzeitlich aufgehellt, erwischt mich genau im Aufstieg zum Vorder Goggeien ein heftiger Schneeschauer! Die kurze Kraxelei auf Wegspuren und über einige kompakte Kalkfelsen (T4, I) ist dennoch problemlos, wenngleich die Felsen ziemlich rutschig sind.
 
Die Querung in der Nordflanke der Goggeien (Foto) verlangt bei solch rutschigem Terrain erhöhte Aufmerksamkeit - die splittrig-brüchigen Felsen, die auf fussbreitem Pfad traversiert werden, sind äusserst schmierig! Das Drahtseil, das ich von früheren Begehungen in Erinnerung hatte, fehlt - wäre jedoch bei diesen Verhältnissen durchaus hilfreich. Kein Problem stellt hingegen der Restschnee dar, der in dieser schattigen Mulde wohl noch eine Weile liegen wird.
 
Angesichts der feuchten Verhältnisse verzichte ich auf eine Besteigung von Mittler Goggeien und Nord Schär und steige vom Goggeien-Hauptsattel wieder nach Südosten ab. Kurz vor den Alphütten auf ca. 1490 m schwenke ich nach Süden und folge schwachen Spuren, die unterhalb der steilen Südflanke des Nord Schär entlang führen, um in einer steilen Schutt- und Geröllrunse auf nun deutlicheren Trittspuren wieder steil aufwärts bis unter den Felseinschnitt zwischen Süd und Nord Schär zu leiten. Die folgende Felsstufe im steil abfallenden Schrofenausläufer des Süd Schär muss in einem Kletterschritt überstiegen werden (T5, bei den aktuellen, feucht-schmierigen Verhältnissen nicht ganz ohne), um anschliessend auf Gamsspuren um die Südwestwand des Süd Schär herum zum Einstieg am kleinen Sattel auf der Südseite des Goggeienkamms zu gelangen. Da die Felsen zwischenzeitlich wieder abgetrocknet sind, ist die kurze, einfache Kletterei (II) in gutem Fels durch die Rinne zur erdigen und baumbewachsenen Gipfelflanke problemlos. Mein Eintrag im Gipfelbüchlein auf dem Süd Schär ist erst der dritte in diesem Jahr.
 
Da sich das Wetter nun doch besser entwickelt als erwartet, beschliesse ich, meine Wanderung noch ein wenig auszudehnen und folge dem Ausläufer des Goggeien-Felskamms nach Süden. Man kann bzw. muss dem dicht bewaldeten Grat mehr oder weniger direkt folgen, stellenweise finden sich (Tier-)Spuren. Ist der teils schmale Grat zunächst auf beiden Seiten steil abfallend, könnte irgendwann (nach Passieren eines Felsabbruchs, den man auf der Nordseite auf Tierspuren bequem umgehen kann) der Grat in steilem, aber gut gestuften Gras vorzeitig in Richtung Schärsboden verlassen werden. Ich gehe jedoch noch ein Stück weiter, der Grat wird nun felsig, schmal und kurz auch sehr exponiert. Wenige Meter weiter, nach mühsamem Übersteigen von viel Totholz und umgestürzten Bäumen, scheint der wenig markante "Gipfel" des Rotbergs (1541 m) erreicht zu sein. Jedenfalls bricht der Grat nun nach Süden endgültig senkrecht ab und endet offenbar hier. Na ja, lohnend ist ein Besuch des Rotbergs wirklich nicht, überhaupt ist die Begehung des gesamten Grats wegen des dichten Geästs sehr mühsam. Woher der Name "Rotberg" kommt, ist nicht klar - vermutlich kommt er aber daher, dass der Wanderer, welcher ihn begeht, sich früher oder später an einem spitzen Ast stösst und rot sieht bzw. rotes Blut verspritzt, wenn er (wie ich) von einem dieser blöden Äste beim Überklettern der spröden Baumleichen fast aufgespiesst wird…
 
Abstieg vom Rotberg über eine steile Grasmulde zum Schärsboden und von dort - den Fahrweg in der Flanke des Farenstöggli abkürzend- zur Alp Schönenboden. Nun hat es endgültig aufgerissen und die Sonne lacht von einem blauen Himmel - das Schönwetterfenster!? Klar, dass ich bei solch prächtigen Verhältnissen noch dem direkt vor mir liegenden Gulmen (1788 m) einen Besuch abstatte. Und da ich nicht erst zur Vorder Höhi laufen will, steige ich geradewegs durch die Nordflanke entlang des schwach ausgeprägten Nordostgrats zur Kammhöhe des Vorgipfels auf (im oberen Bereich ziemlich steil, knapp T4).
 
Auf dem Gipfel geniesse ich alleine und bei herrlichem Sonnenschein eine ausgiebige Rast, bevor ich mich auf den Abstieg über den Wanderweg nach Amden mache. Kurz vor Erreichen der ersten Häuser von Amden-Vorderberg dann noch ein Erlebnis der besonderen Art, das ich niemandem wünsche: Als ich an einem Gehöft beim Eggli, P. 1223 (wohlgemerkt auf dem offiziellen Wanderweg) eine Weidefläche passiere, werde ich augenblicklich von einer Horde wild gewordener Kühe und Bullen attackiert! Wie von der Tarantel gestochen rasen sie im Galopp auf mich zu und verfolgen mich gar, als ich -ein paar Haken schlagend- die Flucht ergreife! Ich brülle die Viecher an und bin wild entschlossen, meine Stöcke als Waffe einzusetzen - der Bauer, welcher sich immerhin aus dem Stall herausbemüht hat, verfolgt tatenlos (was soll er auch machen), was seine Tiere da veranstalten. Noch nie bin ich bei einer Begegnung mit einem Tier derart in Panik geraten - schliesslich war ich ja innerhalb der von einem Elektrozaun umgebenen Weidefläche eingeschlossen und konnte nicht wirklich fliehen. Und den einzigen Durchlass, welcher mittels eines Isoliergriffs vom Wanderer geöffnet werden kann, versperrte eines dieser Rindviecher, das nur darauf zu warten schien, dass ich mich dort hin bewegte. Tönt im nachhinein wie Slapstick - hat sich aber exakt so abgespielt und war alles andere als lustig. Keine Ahnung, was die Tiere zu diesem ungewöhnlichen Verhalten veranlasst hat, ich kann jedenfalls nur raten, hier im Zweifelsfall die Fahrstrasse zu benutzen - mit einem attackierenden 700 Kg-Bullen ist definitiv nicht zu spassen! Bekanntlich hat es in der Vergangenheit ja ähnliche Vorfälle mit weniger glücklichem Ausgang gegeben - mich würde interessieren, wer im Falle eines Unfalls haftet: Die Gemeinde (Amden), weil sie den Wanderweg bewusst durch eine beweidete Wiese ausweist? Oder der Bauer, weil er sein Weidegebiet nicht ausreichend gegen den Wanderweg abgeschlossen hat? Oder muss der Wanderer gar mit solchen Gefahren rechnen? Wie ist die Rechtslage??         

Tourengänger: marmotta


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Kommentare (12)


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alpstein hat gesagt:
Gesendet am 21. Mai 2013 um 19:12
Gut ist es noch mal gut gegangen. Derartige unliebsame Begegnungen mit Rindviechern hatte ich in den letzten Jahren auch 2x. Die werden mir so langsam immer unheimlicher.

Grüße
Hanspeter

shuber hat gesagt:
Gesendet am 21. Mai 2013 um 19:31
Die Rechtslage würde mich auch interessieren. Solche Vorkommnisse sind ja extrem heikel. Müssen wir bald mit Elektroschockgeräten wandern gehen?
Lg Stefan

silberhorn hat gesagt:
Gesendet am 21. Mai 2013 um 20:09
Dass Dir ausser dem Schreck nichts geschehen ist freut mich:-).

Wenn bei Ein- und Ausgang des Wanderwegs kein Stierwarnschild angebracht ist haftet der Bauer. Dies zu tun ist er verpflichtet, ev. gar ein Gesetz. Sind Warnungen abgebracht haftet der Wanderer, weil er die Weide hätte, wenn auch grossflächig, umgehen können.

xaendi hat gesagt:
Gesendet am 21. Mai 2013 um 20:18
Üble Sache, das mit der wild gewordenen Herde. Man sollte aber nicht gleich alles Rindvieh in denselben Topf werfen - dann schon eher auf den Grill ;-)
Spass beiseite. Das Problem stellt sich meines Wissens nur bei Mutterkuhherden, die sich in Zeiten der tiefen Milchpreise bei Schweizer Bauern an zunehmender Beliebtheit erfreuen. Muttertierhaltung bedeutet, dass Kühe in ihren natürlichen Herden leben, nicht gemolken werden, weniger Kontakt mit Menschen haben und deshalb auch viel weniger zahm sind als Milchkühe. Zur Rechtslage weiss ich leider auch nicht genau Bescheid, ich bin jedoch über zwei Dokumente gestossen, die vielleicht weiterhelfen:
- der Ratgeber "Rindvieh und Wanderwege"
- eine Medienmitteilung des Bauernverbandes

Es gibt ja das grüne Schild "Kuhmütter schützen Ihre Kälber - halten Sie Distanz". Bin diesem Schild auch schon begegnet und habe dann jeweils einen Bogen um die Weide gemacht. Auch wenn ich meine halbe Kindheit mit Kühen verbracht habe; Muttertierherden flössen mir nach wie vor gehörigen Respekt ein.
Ich denke auch, dass sich Landwirte mit dem Aufhängen dieses Schildes nicht so einfach aus der Verantwortung ziehen können und je nach Situation nach Alternativen (Einzäunung der Wege, Umleitung der Wege) suchen müssen.

Alpin_Rise hat gesagt: Und wie...
Gesendet am 21. Mai 2013 um 23:13
... bist du schlussendlich entkommen? Oft haben Kühe Respekt vor Stöcken, wenn das nichts mehr hilft, wurden sie wohl vom Bauer zu wenig geschlagen...?

Gemäss diesem Artikel ist die Rechtslage nach wie vor unklar.
Für mich sind die Schuldigen so oder so schon gefunden: Wenn sich endlich ein Gericht wagt, die Kühe schuldig zu sprechen, werden dieses menschenverachtenden Attacken augenblicklich aufhören!

G, Rise

marmotta hat gesagt: RE:Und wie...
Gesendet am 22. Mai 2013 um 07:52
Der Einsatz meiner Stöcke hat mich möglicherweise gerettet. Diese sind übrigens auch gut zur Abwehr angreifender Hunde geeignet...

Den Kühen will ich keine Schuld geben. Die wollten bestimmt nur spielen.. ;-)

G.
marmotta

chrismo77 hat gesagt: Flashback..
Gesendet am 22. Mai 2013 um 08:39
Als ich damals für die Wägital-Rundtour am rekognoszieren war, hatte ich ebenfalls zwei üble Begegnungen mit Kühen. Musste damals in der Dunkelheit einige Weiden überqueren... Hatte mir in der Vorbereitungsphase des nachts so einige wache Minuten beschert, so blöd es klingen mag... Die Stöcke hatte ich schliesslich nur wegen der Kühe mitgenommen :-) Denke es hat schon damit zu tun, dass sie im Frühjahr noch scheu und wenig an Wanderer gewöhnt sind. Gruss Chris

churfirst hat gesagt: Torero olé!
Gesendet am 22. Mai 2013 um 10:08
Ich halte es für geradezu unverantwortlich, einen Stier ohne Absicherungsmaßnahmen an einem Wanderweg weiden zu lassen. Rechtlich wird letztlich der Tierhalter zu Verantwortung gezogen können, aber was nützt einem ein Schmerzensgeld (so man Glück hat, das Zusammentreffen zu überleben)? Man möchte sich gar nicht vorstellen, was eine rote Regenjacke eines Kindes oder einem älteren Wanderer auslösen könnte...

Vielleicht sollte der SAC seine Skala um eine T 7 erweitern, wenn besondere Kenntnisse im Stierkampf vorausgesetzt werden...?

chaeppi Pro hat gesagt: RE:Torero olé!
Gesendet am 22. Mai 2013 um 11:18
Kühe sind Farbenblind. Die reagieren nicht auf rot;-)

WoPo1961 hat gesagt:
Gesendet am 29. Mai 2013 um 08:29
Nicht nur 700 kg Bullen können gefährlich sein, manchmal sollte man auch um 70 kg Bullen einen großen Bogen machen :-))))))
Du bist eben ein echter Gefahrensucher!
Gruss WoPo

marmotta hat gesagt: Bullerei
Gesendet am 29. Mai 2013 um 21:11
Dabei bin ich in absoluten Tarnfarben gekleidet gewesen! Stell Dir vor, ich hätte jetzt noch ein rotes Shirt und ein ebensolches Käppi mit Schweizkreuz getragen! ;-)

platonismo hat gesagt: Haftung nach OR Art. 58
Gesendet am 14. Juni 2013 um 15:54
Primär gilt der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit, darüber hinaus aber ebenfalls OR Art. 58.

http://www.sz.ch/documents/Wanderwege_HaftungI_2008-06-10.pdf

Speziell Seiten 10, 11.

Die Interpretation geht wsh in die Richtung, dass die gebotenen Vorsichtsmassnahmen eine ausreichende Ausschilderung verlangen und falls keine Umgehung der Weide möglich ist, uU sogar bauliche Massnahmen. Es dürfte aber dazu zuerst ein Präjudiz brauchen, um die Auslegung wirklich klar abzugrenzen. Kannst ja mal klagen ;-)

Having said that, merci vill mal für den Bericht! Steht auf der Liste, inkl. Entrecôte an der erwähnten Stelle.

Gruess
Jürg


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