Cerro Mocho (2600 m), Campo Hielo Norte


Publiziert von t2star , 28. März 2013 um 23:56.

Region: Welt » Chile » Patagonia
Tour Datum: 3 März 2008
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: RCH 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2550 m
Abstieg: 2550 m

In Patagonien gibt es zwei Hochebenen, welche von gewaltigen Gletschergebieten überzogen sind: das Campo Hielo Sur und das Campo Hielo Norte, das südliche und das nördliche Eisfeld. Sie bilden das drittgrößte Süßwasser-Reservoir nach Antarktis und Grönland und haben eine Fläche von fast 20.000 km2 – im Vergleich: die gesamte Schnee- und Eisfläche in Alpen beträgt (noch) ca. 3.000 km2. Das größere ist das Campo Hielo Sur mit maximalen Ausdehnungen von ca. 400 km Nord-Süd und 100 km Breite. Das nördliche Eisfeld ist das kleinere und beherbergt mit dem Cerro San Valentin mit seinen nach Norden über 3000m hohen Eiswänden den höchsten Berg Patagoniens (4058 m).

Ausgangspunkt für Expeditionen Richtung Campo Hielo Norte ist Puerto Guadal, ein kleines Dorf von etwa 500 Einwohnern. Das Dorf liegt an der Westküste des Lago General Carrera in Chile. Der Ostteil des Sees, welcher zu Argentinien gehört heißt Lago Buenos Aires – die typische Kindergartenmanier zwischen Chile und Argentinien. Der See ist mit 1850 km2 (fast 4x so groß wie Bodensee) übrigens der zweitgrößte Südamerikas nach dem Titicacasee. Erreichbar ist Puerto Guadal von Perito Moreno (der Ortschaft!) am Ostende des Lago Buenos Aires über das Grenzdorf Chile Chico. Man kommt mit dem Bus bis Los Antiguos auf der argentinischen Seite, nach Chile Chico musste ich trampen, von dort fährt ein bis zweimal am Tag ein kleiner lass-dich-durchschütteln-Bus nach Puerto Guadal. Von Norden her – der in diesem Bereich nicht asphaltierten Carretera Austral – fährt einmal pro Tag ein Bus aus Coyhaique kommend, die nächste größere Stadt (50.000 EW) ca. 300 km von Puerto Guadal entfernt. Südlich davon ist (etwas südlich von Cochrane) das Ende der Carretera Austral erreicht. Zwar kann man Puero Guadal auch von Süden erreichen, nämlich von El Chalten am Fitz Roy, doch muss man hier ein Stück zu Fuss (oder mit dem Esel) zurücklegen und zwei Bootüberquerungen organisieren.

Eine Besteigung des San Valentin ist eine etwa zwei-wöchige Expedition (je nach Wetter auch noch länger), welche von langer Hand bestens geplant werden muss. Wer kleinere Brötchen backen möchte, dem sei eine Besteigung des Cerro Mocho am östlichen Rande des Campo Hielo Norte nahegelegt. Dies reicht allemal aus um einen Einblick in diese gottverlorene Welt voll unbeschreiblicher Schönheit zu bekommen.
 
Da ich alleine in Patagonien unterwegs war (mit Hochtourenausrüstung), aber niemanden in den ersten Wochen meines Trips finden konnte für eine Tour auf eines der Eisfelder, bin ich nach Puerto Guadal gereist, da ich kurz vorher Philippe Reuter von der Terra Luna Lodge in Puerto Guadal gefragt hatte, ob er Lust für eine Tour zum Campo Hielo hat. Ich wusste von Recherchen dass er logistische Unterstützung (natürlich nicht umsonst) gibt für Expeditionen auf das Campo Hielo Norte. Da Philippe selbst mal wieder eine Alltagspause einlegen wollte und zu gerne selber zum Campo Hielo geht, musste er nicht lange überredet werden.

Die Fahrt mit einem alten von Philippe hergerichteten Jetboat auf dem Rio Leon in das Valles Leon hinein war schon ein erstes kleines Abenteuer. Aufgrund vieler Felsen im Wasser mussten wir das Boot häufiger verlassen um im kalten Fluss die Metallschüssel mit einer kleinen Seilwinde irgendwie durch so manche Felsen durchzumanövrieren. Irgendwann mussten wir das Boot am Ufer festzurren, um anschließend mit ordentlichem Gepäck zu Fuss weiterzugehen. Kurz vorm Lago Leones muss der Rio Leon überquert werden – hierfür hat Philippe wenige Jahre zuvor per Hubschrauber ein Stahlseil herbringen lassen um sich mit Klettergurt und Karabiner hinüberziehen zu können. Am Lago Leones angekommen haben wir ein kleines dort deponiertes Zodiac aus seiner Verankerung gelöst, welches uns zum Start der eigentlichen Tour am Nordufer des Lago Leones nahe des Gletschers am westlichen Seeende brachte, wo ein kleines Seitental nach Norden beginnt.

Von hier ging es teilweise ziemlich steil (anfangs linkerhand des Baches, später durch dichten Wald) das Tal hoch – die Route ist teilweise markiert mit roten Bändchen welche Philippe auf vergangenen Touren an Äste gebunden hat. Kurz nachdem die Baumgrenze überschritten ist, geht es über Felsplatten und weiter über Schneefelder (hier dann wenig steil) bis zum höchsten Punkt dieser Ebene, dem recht flachen Felsplateau der Punta Camilla (bis hierher vielleicht T3 bis T4). Die kleine Erhöhung liegt inmitten eines atemberaubenden Gletscherzirkus. Hier sein Zelt aufzuschlagen, Zeit zu haben um sich dieser Szenerie hinzugeben empfand ich als ein zutiefst inspirierendes Erlebnis.

Am nächsten Morgen stiegen wir westwärts ab um den flachen aber äußerst spaltenreichen Gletscher, ein Seitenarm des Leone-Gletschers, zu betreten. Auf der gegenüberliegenden Seite sieht man schon früh eine markante Felsrippe, welche wir ansteuerten. Diesem Grat folgt man, manchmal etwas rechts haltend die nächsten ca. 800 Hm, wobei nach etwa der Hälfte der Paso Leones – der Zugang zum Eisfeld – und vor allem der Cerro Mocho mit seiner imposanten Ostwand ins Blickfeld kommen. Besonders markant in dem Aufstieg ist der rotbraune Felsturm, welcher rechts umgangen wird. Oberhalb des Turmes könnte man auch gut sein Zelt aufschlagen. Kurz danach mussten wir uns wieder anseilen, da es wieder in ein spaltenreiches Gelände übergeht (welche nicht mehr alle so gut sichtbar sind, d.h. man sollte öfter mal mit dem Pickelschaft ein wenig tasten). Bald erreicht man den Paso Leones, welcher allerdings kein wirklicher Pass ist, sondern eher eine breite Hochfläche, welche ins Campo Hielo übergeht. Von hier strebt man die West-(bis Südwest) Flanke des von hier als eisgepanzerten Koloss wirkenden Cerro Mocho.

Der finale Anstieg Cerro Mocho ist an für sich nicht steil (bis ca. 40°), doch brachte ich meinen alten Leichtpickel welchen ich dabei hatte oftmals kaum einen Millimeter in das unglaublich harte Eis – hier war ein kräftiges aber äußerst sorgfältiges Setzen der Steigeisen angesagt. Das Panorama auf dem Gipfel ist schlichtweg grandios. Wenn man Richtung Campo Hielo schaut könnte man meinen man befindet sich in einer tiefen Winterlandschaft, und das mitten im Hochsommer – aber auch der Sommer bekommt hier selten Temperaturen über Null Grad.

Als wir am dritten Tag auf unserem Rückweg wieder das Jetboat losmachten erlebten wir eine unangenehme Überraschung. Aufgrund des außergewöhnlich guten Wetters der letzten Tage war der Pegel des Rio Leon nochmals deutlich runter gegangen, so dass wir ernsthafte Schwierigkeiten hatten durch die Strömung und den vielen jetzt deutlich aus dem Wasser herausragenden Felsen durchzukommen. Das Boot hat sich x mal irgendwo festgekeilt und so waren wir Stunden damit beschäftigt das Boot irgendwie wieder loszubekommen und mussten teils seilgesichert in der Strömung schwimmen um das Seilwindekabel an irgendwelchen Felsen zu fixieren. Nach fast 8 Stunden Kampf waren wir endlich durch die kritische Zone, doch dann ging der Vorwärtsgang des Bootes nicht mehr rein! So mussten wir mit Paddeln irgendwie am dichten Ufergestrüpp anlegen und den Rückweg zu Fuss fortsetzen. Nachdem wieder Funkkontakt da war (und irgendwann das abenteuerliche Schottersträßchen) konnte uns jemand mit einem Jeep abholen, so dass wir schließlich mitten in der Nacht wieder in Puerto Guadal ankamen. Am nächsten Tag sind wir mit einem Zodiac zurück zum Jetboat gefahren um dieses mit Werkzeug und bei Tageslicht wieder in Gang zu setzen und zurück zu holen.

Eigentlich gibt es in der Region des Campo Hielo Norte nur selten mehr als ein bis zwei stabile Schönwettertage hintereinander. In dem Zeitfenster, in welchem wir die Tour gemacht haben, gab es eine Schönwetterperiode von über einer Woche, was – wie Philippe meinte – es eigentlich hier gar nicht geben kann. Generell sollte man sich aber bewusst sein – genauso wie am Fitz Roy & Co sind auch am nördlichen Eisfeld schon zahlreiche Expeditionen an der so berühmten patagonischen Waschküche gescheitert und im wahrsten Sinne vom Winde verblasen worden. Zu bemerken ist noch dass hier im Vergleich beispielsweise zur Schweiz nicht eben mal in ein paar Minuten eine Rega oder dergleichen da ist. Auf der anderen Seite macht das auch einen besonderen Reiz, zu wissen dass man hier noch in ursprünglicher und menschenleerer Natur unterwegs ist.

Beim Wegpunkt des Cerro Mocho bin ich mir übrigens nicht sicher ob dieser richtig sitzt. Das Geländeprofil in dieser Region ist extrem ungenau und ich würde sogar sagen teilweise ziemlich daneben.

Tourengänger: t2star


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Kommentare (5)


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Alpin_Rise hat gesagt: Wildnis Patagonia
Gesendet am 29. März 2013 um 00:14
Unglaublich schöne Bilder - und was für eine Tour!

G, Rise

alpstein hat gesagt:
Gesendet am 29. März 2013 um 08:51
Gratulation zu dieser tollen Tour und dem Bericht!

Irre, dieses Licht, Gletscher, Berge........

Gruß
alpstein

TeamMoomin hat gesagt: Wirklich
Gesendet am 29. März 2013 um 11:11
Grosses Eis/Licht/Schattenkino hast du uns da mitgebracht ganz toll!!

Gruss Oli und Moomin

t2star hat gesagt: RE:Wirklich
Gesendet am 29. März 2013 um 20:52
Dank euch allen vielmals!

Macht Spass das ganze nochmal Revue passieren zu lassen wenn man den Bericht tippt. Was würde ich dafür geben mal wieder in dieser Gegend zu sein...

Fröhliche Ostern
Bernd

Linard03 hat gesagt:
Gesendet am 30. März 2013 um 12:52
ich kann mich meinen Vorrednern nur anschliessen: fantastische Bilder in einer herrlichen Landschaft!

Gruss & frohe Ostern,
Linard


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