Lenzspitze (4.292 m): Südgrat - Westgrat (Überschreitung)


Publiziert von EverWrest , 17. Januar 2013 um 19:00.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:18 August 2011
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 16:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1000 m

Die Lenzspitze (4.294 m) mit ihren drei Graten und Wänden gilt – wie wir anderntags von lokalen Schweizer Bergsteigern erfuhren – aufgrund ihrer allesamt nicht einfachen Zustiege wohl als einer der „schwierigsten Berge des Wallis“. Dies einmal dahingestellt, könnte der Grund sein, dass man auf einer solchen Tour schon einmal die Hosen voll haben kann und warum wir diesen schönen Berg in einem recht „beschissenen Zustand“ vorfanden:
 
Die Überschreitung von der Dom- zur Mischabelhütte sollte gewissermaßen unseren Saisonabschluss bilden. Im Vorfeld hatten mein Kumpel und ich u.a. den Nadelgrat sowie den Dom überschritten und unausgesprochen war es irgendwie ausgemachte Sache, nun noch die Lenzspitze anzuhängen. Außerdem mussten wir irgendwie wieder zurück ins Saastal. Da passte es auch gut, dass noch ein dritter Freund kurzfristig dazu stieß und wir also eine Dreierseilschaft bildeten. Die achteckig gebaute Domhütte (2.940 m) ist schön gelegen, einzig die Ecklager, wo vier Paar Füße aufeinander treffen, nehmen sich nicht so komfortabel aus. Darum war auch niemand böse, dass unsere dritte Nacht auf der voll belegten Hütte um 2:45 Uhr endete. Das Frühstück erinnerte ein wenig an Szenen aus alten Wikingerfilmen…ging darum auch recht schnell vorbei.
 
Auf bereits bekanntem Weg stiegen wir als erste in der Glühwürmchenkette ins Festjoch; zunächst noch seilfrei, später als Seilschaft. Von dort ging es über bockharten Firn, erst unterhalb der Eisbrüche, später vorbei an einigen Spalten auf dem Dom-Normalweg bis zum Bergschrund unterhalb des Lenzjochs (4.121 m), wo wir den Normalweg des Doms verließen. Das Joch wird dann über eine kurze aber etwa 55° steile Eiswand erreicht (drei Stunden). Beim Überqueren des Bergschrunds verliert sich mein linker Fuß plötzlich im widerstandlosen Raum; aber mit einem Satz nach vorne stehe ich wieder in der Wand und es kann weiter gehen. Der Grat gibt dann den Blick in die wolkenverschleierte Poebene und das Saaser Gletscherbecken frei, das jetzt genau unter uns liegt.
 
Nach einer kurzen Rast steht der Südgrat zur Lenzspitze vor uns. Laut Literatur werden die jetzt folgenden Gendarmen zunächst allesamt auf Saaser Seite umgangen. Die sieht hier aber nicht besonders einladend aus und so suchen wir nach Alternativen. In der Westflanke ist schließlich eine Schlinge erkennbar und also versuchen wir es dort. Tatsächlich kann hier der erste kleine Gendarm, teilweise an zweifelhaften Zwischensicherungen, umgangen werden. Danach klettern wir weiter kurze Zeit auf dem Grat und umgehen den nächsten Gendarm auf der Saaser Seite. Hier hat es vor einem etwas heikleren Quergang einen Sicherungsstand und darunter liegt tatsächlich ein ausgewachsener Zwölfpfünder, der scheinbar darauf wartet, dass ein Seil hineinfällt. Mein Kumpel hat deswegen einen kurzen Ausraster. Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Weiter geht’s in brüchiger Kletterei, die hier dann und wann auch einmal den dritten Grad verlangt und nach dem großen Gendarm gelangen wir in eine Lücke, die linkshaltend in ein Couloir (II/III) führt, dem man fast bis zum Gipfel folgt. Die Routenfindung ist hier nicht ganz offensichtlich. Über etwas Firn gelangen wir wieder auf den Grat und kurz danach gegen 12:00 Uhr den Gipfel der Lenzspitze.
 
Hier machen wir kurz Pause; schauen von oben in die gespurte Nordwand herab und beschließen, schnell weiter zu klettern, um nicht in die aufziehenden Gewitter zu kommen. Allerdings nicht ohne einen zweiten Ausraster, der hier über meinen Kumpel kommt, als er mit der zweiten Tretmine des Tages an diesem Berg Bekanntschaft macht. Von Norden drücken bereits die Wolken gegen den hier ansetzenden Nadelgrat. Zwei bis drei Stunden sind für den Westgrat bis zum Nadelhorn (III+/ZS) zu veranschlagen – bei guten Verhältnissen.
 
Zunächst klettern wir ab, über Fels und Firn, der jetzt schon ziemlich faul ist und sich gleich mehrfach unter unseren Füßen, der Schwerkraft folgend, in Richtung Tal verabschiedet. Also volle Konzentration. Nach dem Nadeljoch wollen vier Gendarmen überklettert sein, teilweise in sogar leicht überhängender Kletterei, zumindest aber dauerhaft senkrecht. Dafür entschädigt der etwas festere Fels, der selten anzutreffen ist in der Mischabel. Auf den Gendarmen finden sich Sicherungsstangen, doch das Umrüsten zum Abseilen nimmt jede Menge Zeit in Anspruch und so versuchen wir ablassend und kletternd einige Passagen zu überwinden. Die Zeit läuft mit den hier ansetzenden Gewittern gegen uns. In der Ferne sind über dem Rhonetal Blitz und Donner zu vernehmen.
 
Nach gut vier Stunden erreichen wir schließlich das Nadelhorn (4.327 m), um es gleich wieder über den Normalweg zu verlassen. Wie bereits vor wenigen Tagen als wir hier waren hat es ein paar felsdurchsetzte Blankeisstellen unter dem aufgeweichten Firn. Bis zum Schneegrat bedarf es daher noch etwas Aufmerksamkeit. Danach steigen wir über den teilweise verwechteten Nordostgrat – jetzt bei Whiteout – ab. Nach einer Pause im Windjoch folgt noch der Abstieg über den aufgeweichten Hohbalmgletscher und wir erreichen die Mischabelhütten (3.340 m) kurz nachdem der Koch den Herd abgestellt hat, was hier aber offensichtlich kein Problem ist, denn schon aus der Ferne rief uns der Hüttenchef entgegen, ob wir noch etwas essen wollten (Zitat: "Das ist doch selbstverständlich!").
 
Fazit: Tolle Tour, beschissener, aber schöner Berg und klasse Hütte!

Tourengänger: EverWrest


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