Wildspitze (3.768 m): Nordwand (Überschreitung)


Publiziert von EverWrest , 8. März 2013 um 12:22.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Ötztaler Alpen
Tour Datum:18 Juni 2012
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   A-T 
Zeitbedarf: 1 Tage
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 1900 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Pitztal, Tieflehn: Achtung: In einer verschindelten Hauswand in einer der letzten Ortschaften befindet sich ein Blitzer!

Die Ötztaler Wildspitze (3.768 m) wird aufgrund ihrer Schartenhöhe und Prominenz sowie der Tatsache, als zweithöchster Berg Österreichs zu gelten, viel besucht. Auch für meinen Kumpel und mich war sie vor wenigen Jahren und unabhängig voneinander die erste Hochtour. Als wir uns im Juni über die diesjährigen Touren im Wallis unterhielten, endete unser Telefonat kurzerhand mit der Verabredung, die Wildspitze über ihre Nordwand anzugehen und so beide Gipfel (Nord- und Südgipfel) zu überschreiten. Wir wollten samstagabends im Pitztal eintreffen und zelten, sonntags zu einem Biwakplatz aufsteigen und montags schließlich die Tour mitsamt Rückfahrt unternehmen. Der Wirt der Taschachhütte sagte gute Verhältnisse voraus – also konnte es losgehen.
 
Bei Regen starten wir Richtung Österreich und in Tieflehn angekommen fanden wir gleich einen geeigneten Platz für unser Zelt. Noch bis 23 Uhr konnten wir nur im T-Shirt draußen sitzen und die umstehenden Gipfel bewundern: Zwar sehr schön, aber für Eistouren nicht das beste Vorzeichen.

Am nächsten Morgen machten wir uns gegen 7:30 Uhr auf in Richtung Taschachhütte durch das Taschachtal, wo ein Felssturz Ende Mai die Neuanlage des Hüttenzustiegs notwendig gemacht hat. Dort angekommen, stellten wir fest, dass die Gaskartusche im Auto geblieben war. Selbstversorgung ohne Gas ist aber denkbar schlecht. Also legten wir alles ab und joggten in einer Dreiviertelstunde zurück zum Auto. Unsere Füße quittierten diese Zusatzeinheit mit Blasen und die von uns mehrfach überholten Tourengänger mit einem Schmunzeln. Wenigstens waren wir so pünktlich zur Mittagszeit am Taschachhaus und konnten die Stimmung mit einem Kaiserschmarren wieder heben. Danach stiegen wir weiter zum Taschachgletscher und traversierten – nicht ohne einmal bis zur Hüfte in einer Spalte zu verschwinden – dort hinüber zur orografisch rechten Seitenmoräne des Gletschers. Nun folgte ein von Schnee und Schutt bedeckter steiler Aufstieg bis auf das Moränenplateau unterhalb des Mittelbergjochs, wo sich einige geeignete Biwakplätze befinden. Eigentlich war unser Plan gewesen, noch weiter oben auf dem Gletscher zu schlafen. Aber der völlig aufgeweichte Gletscher und die fortgeschrittene Uhrzeit machten es unmöglich, mit schwerem Gepäck weiter aufzusteigen. So beließen wir es bei dieser Stelle, errichteten unser Zelt und füllten die verbrauchten Reserven wieder auf – Gas hatten wir ja nun dabei!

Nachts, nachdem die Hangwinde unser Zelt mächtig durchgeschüttelt hatten, klingelte um 3:00 Uhr der Wecker und etwa gegen 3:30 Uhr starten wir Richtung Nordwand. Einen guten Einstieg zum Gletscher hatten wir gestern Abend noch mit Steinmännern markiert und so erreichten wir trotz mühsamer Spurarbeit die Stelle, an der man sich links vom Normalweg hält und neben den Bruchzonen zur Nordwand empor steigt. Nur eine alte Skispur war hier angelegt. Mühsam wollte hier jeder Höhenmeter  zurückgelegt sein, denn mit jedem Schritt brachen wir knietief in den nur oberflächlich angefrorenen Firn ein. Die Zeit verging zusehens und ließ erste Zweifel aufkommen, ob wir nicht zu spät am Wandfuß sein würden. Bis 7:00 Uhr einigten wir uns, müsste der Wandfuß erreicht sein, sonst würden wir unverrichteter Dinge wieder umdrehen und hätten bestenfalls eine Spur für die Aspiranten der kommenden Tage gelegt. Alle 75 bis 100 Höhenmeter wechselten wir uns mit der Spurarbeit ab und als die Wand in Sichtweite kam, gab es plötzlich einige  Meter Firn, die tragfähig waren. Exakt gegen 07:00 Uhr standen wir also am Wandfuß. Kurz noch einmal Materialcheck, das Seil verstaut und los konnte es gehen.

Kaum los gestiegen, machte sich neue Ernüchterung breit: Bis zum Bergschrund musste nun durch hüfthohen Pulver gespurt werden und erst eine halbe Stunde später überstiegen wir leicht rechts in Falllinie der Felsen in der Wand mit einem beherzten Zupacken den Schrund. Von nun an folgte das Herzstück der Tour und die Verhältnisse in der Wand erwiesen sich als bestens. Bis 60 Meter unterhalb des Gipfels konnten wir nun in kürzester Zeit in zunächst gutem Trittfirn, später kleinen Stufen die etwa 50-55° steile Wand aufsteigen. Die letzte Seillänge wies Blankeis auf und so kramten wir noch das Seil aus dem Rucksack. Schließlich standen wir doch am Nordgipfel. Weit und breit waren keine anderen Bergsteiger auszumachen, obwohl das Wetter bestens und bloß ein kleiner Wind wehte. Die phantastische Aussicht von der Wildspitze ist bereits tausendfach beschrieben worden, kurz: Sie reicht von den Bernern über die Bernina bis zu den Hohen Tauern.

Nach wenigen Minuten traversierten wir unterhalb der Wechten entlang hinüber zum wenig höheren Südgipfel mit seinem neuen Kreuz, wo es eine längere Pause gab. Auf dem Normalweg über den Taschachferner her kommend waren nun in der Ferne zwei Seilschaften auszumachen. Nachdem wir über den Südgrat in Richtung Brochkogel abgestiegen waren, stellte sich heraus, dass diese mit Schneeschuhen unterwegs waren. Während wir also nun bis zum Biwakplatz erneut mit jedem Schritt hüfttief einbrachen, marschierten diese Kollegen einfach wie die Hühner hinauf zum Gipfel und sollten auch noch vor uns zurück an der Hütte sein. Auf dem Weg über bzw. eher durch den Gletscher kam bei uns die Ermüdung schließlich offen zum Vorschein: Während einer kurzen Trinkpause sind wir beide unvermittelt für einige Minuten eingeschlafen und wenn die Realität nicht einen von uns beiden schlagartig wieder eingeholt hätte, säßen wir womöglich immer noch in der gleißenden Sonne. Der weitere Abstieg gestaltete sich dann wie auch der Aufstieg. Erst abends um 19:30 Uhr erreichten wir wieder das Auto in Tieflehn und es folgte noch die Heimfahrt… (und danach ein sehr zäher Arbeitstag).

Tourengänger: EverWrest


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